Reform des Rentensystems in China
Von Lu Rucai
Wegen der Zunahme der Anzahl von älteren Menschen in der
Gesellschaft muss die chinesische Regierung immer mehr Rentenzahlungen
leisten. Auch die jungen Leute sind einem immer größeren
Druck bei der Planung ihrer Altersversorgung ausgesetzt. Zugleich
bietet der riesige Rentenversicherungsmarkt Chinas den in- und
ausländischen Investoren viele Geschäftsmöglichkeiten
an.
Änderung des individuellen Rentenkontos
Seit dem Jahr 2006 hat sich das individuelle Rentenkonto von
Frau Zhai Yushu geändert: Früher setzte sich mein
Individualkonto aus zwei Säulen zusammen, nämlich den
von mir selbst gezahlten Beiträgen (8% der Lohnsumme) und
3% der von den Unternehmen geleisteten Beiträge (20% der
Lohnsumme). Aber ab 2006 gehen nur die von mir selbst gezahlten
Beiträge auf mein Individualkonto. Die Beiträge,
die bisher von der Unternehmensseite eingezahlt wurden, fließen
nun nur noch in das Sozialkonto, damit die Renten sowohl künftiger
Bezieher als auch für die derzeitigen Rentner gesichert werden
können.
Seit Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts wird in China
das Rentensystem eingeführt und aufgebaut, das sich von Beiträgen
aus einem Sozialkonto und einem Individualkonto finanziert. Die
Renten aller künftigen Bezieher und derzeitigen Rentner müssen
garantiert werden, auch wenn das Rentensystem reformiert wird.
Das ist der Schlüssel zum Erfolg der Reform, sagt Liu
Guiping, Professor am Institut für Bevölkerungswissenschaft
an der Peking-Universität.
Nach Statistiken der Sozialversicherungsorgane erreichte der
Minusbetrag auf dem Sozialkonto Ende 2006 bereits mehr als 900
Milliarden Yuan. Auch steigt er jährlich um weitere 100 Milliarden
Yuan. Nach dem Bericht, der von dem Ministerium für Arbeit
und Sozialabsicherung dem Staatsrat überreicht wurde, muss
die Regierung in den kommenden 30 Jahren einen Minusbetrag in
Höhe von 6 Billionen Yuan zahlen, d. h. die Regierung muss
jährlich 200 Milliarden Yuan Rentenzahlungen leisten.
Durch die jetzige Reform der Rentenversicherung können die
finanziellen Belastungen für die Regierung verringert werden.
Die Rentenleistung wird maßgeblich von der Dauer der beitragspflichtigen
Erwerbstätigkeit und der Höhe des gezahlten Beitrages
bestimmt.
Heute sind beinahe 200 Millionen Menschen durch die Altersversicherung
erfasst. Sie sind Angestellte in Staatsorganen, Arbeitnehmer in
Betrieben und selbstständige Gewerbetreibende. Jährlich
kommen noch 10 Millionen Beitragszahler hinzu.
Wir hoffen, dass wir von der Rentenzahlung gut leben können,
erklärt Frau Zhai Yushu. Das Ergebnis einer Untersuchung
zeigt, dass mehr als 70% der Befragten ganz auf die Rentenzahlung
angewiesen sein werden.
Die Vorstellungen verändern sich
Ma Xiaojuan, Mitarbeiterin von Xincheng Life Insurance Company,
ist für den Verkauf von Versicherungspolicen zuständig.
Ihre 5-jährige Berufserfahrung zeigt ihr, dass es besonders
schwer ist, jungen Menschen eine Rentenversicherungspolice zu
verkaufen.
In den vergangenen fünf Jahren habe ich meinen Bekannten
mehrmals erklärt, dass sie einen Plan für ihre Altersversorgung
so früh wie möglich ausarbeiten sollen. Leider verstehen
mich nur wenige von ihnen. Viele sind der Ansicht, dass ich es
wegen meiner Arbeit mache. Und diejenigen, die in den Staatsorganen
arbeiten, vertreten die Ansicht, dass sie von ihrer Rente gut
leben können. Es sei demnach unnötig, eine private Zusatzversorgung
für sich selbst zu besorgen. In der Tat kann man mit der
staatlich garantierten Rente nur den notwendigen Lebensunterhalt
absichern, erklärt Frau Ma Xiaojuan.
Zhang Xiaotian, ein Bekannter von Mao Xiaojuan, ist einer von
den wenigen, die dem Rat von Frau Ma folgten und eine private
Zusatzversorgungspolice für sich selbst kaufte. Nachdem
ich meinen Lohnzettel angeschaut habe, weiß ich endlich,
dass ich monatlich 300 Yuan für Rentenleistung gezahlt habe.
Hinzu kommen noch die Beiträge, die von der Unternehmensseite
geleistet werden, so dass ich monatlich 1000 Yuan erhalte, nachdem
ich in den Ruhestand getreten bin. Mal abgesehen von Preiserhöhungen
kann ich mit diesem Geld sehr schlecht leben. Nach der gründlichen
Überlegung kaufte er Rentenversicherungspolicen. Zwar muss
er jedes Jahr einige Tausende Yuan einzahlen, aber er fühlt
sich dadurch um einige Sorgen leichter.
Im April 2007 legte die AXA Group in Frankreich, der weltweit
größte Versicherungskonzern, einen Bericht in Bezug
auf die Lebensverhältnisse der Rentner in der ganzen Welt
vor. Das Ergebnis zeigt, dass die chinesischen Beschäftigten
im Durchschnitt monatlich 625 Yuan für Rentenbeiträge
bezahlt haben. Im Vergleich zu den Rentenbezügen der jetzigen
Rentner (die betragen im Durchschnitt 966 Yuan pro Monat) sind
dies ungefähr 60%. Aber im Vergleich zu den älteren
Generationen wird der Ruhestand der jetzigen Beschäftigten
nicht mehr total von der Rentenversicherung abhängig sein,
weil sie damit begonnen haben, die Rentenleistungen auch durch
privates Sparen, Investitionen in Wertpapiere, Aktienfonds und
Immobilien abzusichern.
Ein riesiger Markt
Standard Chartered Bank hat mehr als 1700 Menschen, die über
24 Jahre alt sind und deren Jahreseinkommen zwischen 60 000 und
500 000 Yuan beträgt, befragt. Das Ergebnis zeigt, dass sich
nur 28,08% der Befragten über die Rentenversicherung durch
privates Sparen informieren. Daraus kann man schlussfolgern, dass
der chinesische Markt für die private Altersversorgung über
ein großes Entwicklungspotential verfügt.
Laut dem Bericht von Standard Chartered Bank gab es Ende 2006
in China nur 31 Angebote in Bezug auf die Rentenversicherung,
die von den Versicherungsagenturen entwickelt wurden. Zwar erreicht
die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Geschäfte
in diesem Bereich 27%, jedoch betrugen die Einnahmen durch die
geleisteten Versicherungsbeiträge im Jahr 2006 nur 77,8 Milliarden
Yuan.
Im Juli 2007 wurde die Zweigstelle der Chinesischen Altersversicherungsgesellschaft
Pingan in Beijing ins Leben gerufen. Sie ist die erste Gesellschaft
in Beijing, die speziell für die Altersvorsorge zuständig
ist. Bis jetzt hat Pingan schon 35 Zweigstellen im ganzen
Land gegründet.
Als eine große Versicherungsagentur legt Pingan großen
Wert auf Rentenversicherungen. Der Grund liegt zweifelsohne in
den großen Geschäftsmöglichkeiten. Vor allem erregt
die Betriebsrente ihre Aufmerksamkeit.
Die im Ausland sehr populäre Betriebsrente wurde erst vor
kurzem in China eingeführt. Die Staatsregierung gewährt
den Unternehmen einen angemessenen Anreiz, die Betriebsrente als
einen wichtigen Zusatz zur Rentenversicherung aufzubauen. Bis
2006 erreichten die geleisteten Beiträge der Betriebsrente
90 Milliarden Yuan. Allein im Jahr 2006 waren 6,55 Millionen Menschen
in der Betriebsrente erfasst und die geleisteten Beträge
betrugen 9,1 Milliarden Yuan.
Zur Zeit untersuchen viele bekannte Gelehrte und Beratungsinstitutionen
den Markt für die chinesische Betriebsrente. Nach ihrer Einschätzung
werden die geleisteten Beiträge in die Betriebsrente im Jahr
2010 bei 1,8 Billionen und im Jahr 2030 bei 3 Billionen Yuan liegen,
erklärt Zhao Weixing, Generalmanager der Altersversicherungsgesellschaft
Pingan.
Der große Markt der chinesischen Betriebsrente hat auch
die Aufmerksamkeit der ausländischen Versicherungsagenturen
auf sich gelenkt. Einige internationale Versicherungskonzerne
wie AEGON aus Holland, Manulife aus Kanada und die Allianz AG
aus Deutschland wollen durch Kapitalbeteiligung an chinesischen
Unternehmen in den chinesischen Betriebsrentenmarkt einsteigen.
Überdies ist der chinesische Markt für Altersversorgung
sehr attraktiv für ausländische Investoren. Im Juni
2006 wurde mit dem Bau eines deutschen Altersheims namens Augustinum
in Shanghai begonnen. Laut Plan soll es im Jahr 2010 in Betrieb
genommen werden. 940 Millionen Yuan werden in dieses Projekt investiert.
Zur gleichen Zeit kamen auch einige deutsche und japanische Investoren
in die Stadt Qingdao, die im Küstengebiet im Osten Chinas
liegt, um mit der chinesischen Seite über die Gründung
eines Altersheims zu sprechen.
Nach einer Untersuchung des Allchinesischen Arbeitskomitees für
Senioren wollen zwar nur 5% der Senioren im Altersheim leben,
jedoch wird man 7 Millionen Betten anbieten müssen, um den
vorhandenen Bedarf zu decken. Leider stehen zur Zeit nur knapp
2 Millionen Betten in Altersheimen zur Verfügung.
Vorher haben wir uns nie vorstellen können, dass die
chinesische Altersversicherung, die sich stets in einer schwierigen
Lage befand, Geschäftsmöglichkeiten für ausländische
Investoren bietet, sagt Li Xuehua, Leiterin des Arbeitsbüros
für Senioren der Stadt Qingdao, die bereits viele ausländische
Sondierungsteams empfangen hat.
Kurzinfo: das Rentensystem in China
Das derzeitige Rentensystem Chinas besteht aus drei Säulen:
einer Grundsicherung, einer betrieblichen und einer freiwilligen
privaten Zusatzversorgung. Die Grundsicherung, auch staatliche
Grundsicherung genannt, ist nach den einheitlichen Bestimmungen
der Staatsregierung verpflichtend. Der Arbeitgeber zahlt seinen
von der Regierung festgesetzten Beitrag auf ein Sozialkonto (20%
der Lohnsumme der im Betrieb Angestellten), und der Arbeitnehmer
zahlt 8% seines Monatsgehalts auf sein individuelles Konto. Nach
15 Jahren der Teilnahme an der Rentenversicherung kann der Beschäftigte
eine monatliche Rente bekommen, wenn er in den Ruhestand tritt.
Zur Zeit ist die Grundsicherung die wichtigste Säule bei
der Altersversorgung der urbanen Beschäftigten.
Für die zweite Säule, die betriebliche Altersversorgung,
bietet der Staat finanzielle Anreize. Nur auf der Grundlage, dass
der Arbeitgeber gesetzesgemäß an der ersten Säule
der Altersversorgung teilgenommen und die Beiträge hierfür
geleistet hat, darf er eine freiwillige betriebliche Altervorsorge
etablieren. Bis heute haben nur wenige chinesische Unternehmen
ein System der betrieblichen Altersvorsorge für ihre Beschäftigten
aufgebaut. Es gibt jedoch immer mehr Unternehmen, die diese Form
der Altersversorgung einführen wollen. Nach einer Schätzung
der Weltbank werden die für die Betriebsrente geleisteten
Beiträge in China im Jahr 2010 eine Billion Yuan erreichen.
Und die Beiträge, die als freiwillige private Zusatzversorgung
vom Arbeitnehmer geleistet werden, gehen auf ein Individualkonto,
welches von einer lokalen Versicherungsinstitution bei den entsprechenden
Banken eingerichtet wird. Der Zinssatz wird gleich hoch oder höher
liegen als der sonst übliche von Bankeinlagen für die
städtische und ländliche Bevölkerung. Dadurch können
die Beschäftigten angespornt werden, an der Altersversorgung
durch privates Sparen teilzunehmen.
Weil die Grundsicherung nur den grundlegenden Lebensunterhalt
garantiert, spielt private Vorsorge bei der Altersversorgung eine
sehr wichtige Rolle. Bis Ende 2006 betrug die gesamte Summe der
Bankeinlagen der chinesischen Bevölkerung 1,642 Billionen
Yuan und die Zahl der individuellen Sparkontos erreichte 300 Millionen.
|