Die alten chinesischen
Philosophen: Fan Zhen, der führende Kopf im Kampf gegen den
Buddhismus
Von Hou Jueliang
Im
ersten Jahrhundert verbreitete sich in China der Buddhismus, der
im fünften und sechsten Jahrhundert hier den Höhepunkt
seiner Entwicklung erreichte. In Nordchina wurden über 40
000 Klöster und Tempel gebaut und auch in Südchina entstanden
sie in großer Zahl. Allein in der damaligen Kaiserstadt
Jingdu (dem heutigen Nanjing am Yangtse) und ihrer Umgebung gab
es über 500 Klöster und Tempel, in denen ca. 100 000
Mönche und Nonnen lebten. Im Jahre 505 erklärte Kaiser
Wu Di der Liang-Dynastie (502557) den Buddhismus zur Staatsreligion.
Er war selbst ein frommer Buddhist, ließ sich viermal eine
Tonsur scheren und ging ins Kloster. Seinen Ministern befahl er,
dem Kloster Spenden zu geben und ihn gegen mehrere zehntausend
Taels Silber loszukaufen.
Zum Bau von Klöstern und Tempeln wurde damals ungeheuer
viel Geld und Material aufgewandt. Eine große Menge Ackerland
ging verloren, zahlreiche Mönche und Nonnen leisteten keine
produktive Arbeit und zahlten keine Steuern, die übermüßige
finanzielle Belastung des Volkes führte schließlich
zur wirtschaflichen und politischen Krise. Daraus entstand der
Kampf gegen den Buddhismus, der im Grunde ein Kampf zwischen dem
Atheismus und dem Theismus war.
Fan Zhen (ca. 450ca. 515) war der führende Kopf dieses
Kampfes. Die Entwicklung des Buddhismus hatte, als die Gegenbewegung
einsetzte, bereits schlimme Folgen nach sich gezogen: Die Klöster
mischten sich in Staatsangelegenheiten ein, viele Gläubige
verloren Haus und Hof, die Landwirtschaft wurde ruiniert. Fan
Zhen bemühte sich, dem Einfluss des Buddhismus Einhalt zu
gebieten und die Wirtschaft des Landes wieder zu beleben. Als
Philosoph stellte er eine Reihe atheistischer Thesen gegen die
buddhistische Lehre auf:
1) Es gibt kein Karma (Ursache und Wirkung) und keine Strafe
Gottes. Durch diese These forderte Fan Zhen seine Gegner
heraus. Einmal bei einem Staatsbankett stellte ihn der Kanzler
Xiao Liliang zur Rede, indem er ihn fragte: Sie ignorieren
die Lehre von Karma und die Strafe Gottes. Können sie erklären,
wieso es dann unter dem Himmel arme und reiche, edle und niedrige
Menschen gibt? Fan Zhen antwortete: Der Mensch kommt
zur Welt und geht davon, so wie die Blumen aufblühen, verwelken
und abfallen. Manche Blüten werden vom Wind in prachtvolle
Häuser geweht und fallen in reich verzierte Sessel, andere
bläst der Wind in die Toilette. Sie, Eure Exzellenz, sind
eine Blüte im prächtigen Haus, während ich nur
eine Blüte in der Toilette bin. Fan Zhen war der Meinung,
dass die Unterschiede zwischen edlen und reichen Menschen einerseits
und niedrigen und armen Menschen andererseits nicht wegen des
Karmas und der Strafe Gottes, sondern durch Zufall entstanden
sind.
2) Der Körper des Menschen und seine Seele sind eins.
Fan Zhen schrieb einen Artikel, der den Titel Über
das Verschwinden der Seele trug. Er vertrat darin die Ansicht,
dass der Körper des Menschen und seine Seele eine Einheit
bilden. Beide seien nicht voneinander zu trennen. Diese athistische
These war für die hohen Beamten ein Skandal. Der Kaiser persönlich
beauftragte 64 Gelehrte, Schriften zu verfassen, in denen Fan
Zhen kritisiert werden sollte. Die buddhistische These von der
unabhängigen Existenz der Seele wurde nun von allen Seiten
beleuchtet und zu untermauern versucht. Wenn der Mensch tot sei,
so hieß es, sei nur der Körper, nicht aber die Seele
tot. Die Seele würde nie verschwinden. Sie könne durch
die Reinkarnation wieder zum Menschen werden. Die Theoretiker
nahmen zu den Werken des früheren Philosophen Zhuang Zhou
(ca. 369286 v. Chr.) Zuflucht. Dort fanden sie diese Stelle:
Ich hatte einmal einen Traum. Ich verwandelte mich in einen
Schmetterling. Als ich wach wurde, wusste ich erst nicht, ob ich
nun ein Schmetterling sei oder mich wieder zurückgewandelt
habe. Die Gegner von Fan Zhen benutzten diese Worte von
Zhuang Zhou, um zu beweisen, dass sich die Seele und Körper
voneinander trennen können. Fan Zhen antwortete mit einer
Gegenfrage: Warum hat Zhuang Zhou, wenn er sich im Traum
in einen Schmetterling verwandelt haben soll, keinen toten Schmetterling
gesehen, als er wieder wach war? Warum sieht man keinen toten
Ochsen oder kein totes Perd, wenn man wach wird und geträumt
hat, man habe sich in Ochse oder Perd verwandelt? Fan Zhen
betonte, dass die Seele nur existiere, wenn der Mensch lebt, während
die Seele nicht mehr existiere, wenn der Mensch tot ist. Er verglich
das Verhältnis zwischen Körper und Seele mit dem zwischen
der Messerschneide und der Schärfe des Messers. Das Messer
könne nur scharf sein, sagte er, wenn es eine Schneide habe;
ohne Schneide gebe es keine Messerschärfe.
3) Nur der lebende Mensch hat Gefühle. Das war
eine weitere These von Fan Zhen. Seine Gegner vertraten die Ansicht,
auch das Holz habe Gefühle, weil es den gleichen
Ursprung habe wie der Mensch. Fan Zhen widersprach und interpretierte
seine These am Beispiel von Bäumen und Gras. Bäume und
Gras könnten blühen und Früchte tragen. Wenn der
Mensch gestorben sei, könne er nicht wiederbelebt werden.
Die Knochen des toten Menschen hätten wie die Zweige des
toten Baums keine Gefühle. Fan Zhen war der Meinung, es sei
Unsinn zu glauben, die Seele des Menschen würde nach seinem
Tode ins Paradies steigen oder in die Hölle sinken.
Der Streit zwischen Atheisten und Theisten hatte schon lange
vor Fan Zhens Lebzeiten begonnen. Viele seiner Vorgänger
hatten sich bemüht, das Verhältnis zwischen der Seele
des Menschen und seinem Körper zu erklären, doch sie
fanden keine Lösung. Zum Beispiel verglich Huan Tan im ersten
Jahrhundert das Verhältnis zwischen Seele und Körper
mit dem zwischen der Fackel und dem Feuer. Er meinte, die Fackel
und das Feuer bildeten eine Einheit; sei die Fackel verbrannt,
so sei auch das Feuer verschwunden. Mit diesem Vergleich wollte
er deutlich machen, dass die Seele des Menschen und sein Körper
sich nicht voneinander trennen können. Seine Gegner jedoch
fanden in seiner Theorie eine Lücke und nutzten sie, um ihn
anzugreifen. Sie sagten, das Feuer könne, wenn das Holz verbrannt
sei, zu einem anderen Stück Holz wandern. Das Feuer jedenfalls
existiere weiter. Und ebenso wandere die Seele, wenn der Mensch
gestorben sei, zu einem anderen Körper und existierte dort
weiter.
Fan Zhen stammte aus einer armen Familie. Seine Schulkameraden
waren elegant angezogen und fuhren mit der Kutsche oder ritten
auf dem Pferd zur Schule. Er dagegen musste zu Fuß gehen.
Doch er lernte besser als alle anderen. Er war offen und äußerte
gern seine Meinungen. Es wäre ihm später ein Leichtes
gewesen, ein hohes Amt zu bekleiden, doch er lehnte es ab, sich
um den Preis der Verleugnung seiner Ansichten dem Kaiser zu verschreiben...
Aus China im Aufbau, Nr. 8, 1988
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