Rock for China – Das Beijing Pop Festival 2007

Von Lars Mörking

Am 8. und 9. September fand im Beijinger Chaoyang-Park das wohl größte Musikereignis dieses Jahres statt: das Beijing Pop Festival. Was daran Pop ist, wenn Cui Jian (崔健), Public Enemy, Marky Ramone und NIN (Nine Inch Nails) in China auftreten? Nun, sie sind anscheinend alle recht populär oder bewegten zumindest einige tausend Menschen (laut Veranstalter wurden für beide Tage jeweils 15 000 Karten verkauft) bei schönstem Wetter dazu, ein bis zwei Tage lang ihren musikalisch sehr unterschiedlichen Darbietungen zu lauschen.

Die Musik

Gemischt wie das Musikangebot war auch das Publikum. Jede Band schien eine Fangemeinde mitgebracht zu haben und jede Fangemeinde war gespannt auf das, was andere Bands präsentieren würden. So war bei jedem Auftritt ein buntes, aufgeschlossenes und international zusammengesetztes Publikum anwesend, wobei die Musiker es den meisten Interessierten auch leicht machten. Public Enemy ist nicht nur für Anhänger des Hip Hops interessant, Cui Jian ist ein chinesisches Urgestein der Rockmusik und Marky Ramone von den Ramones eine Legende. Doch Urgesteine und Legenden hatten auch dieses Jahr das Problem, dass ihre Auftritte nicht zwingend den erhofften Charakter eines historischen Moments annehmen. Bei Marky Ramone hatte man den Eindruck, dass er ohne seine bekannteren „Brüder“ einfach weiterzumachen versucht, was ihm aufgrund seiner Band, die alle Klassiker musikalisch tadellos aufbereitete, teilweise auch gelang. Cui Jian dagegen verarbeitet derzeit angestrengt möglichst viele verschiedene neue Einflüsse aus westlicher und östlicher Musik, um im Mainstream-Musikbusiness nicht unterzugehen. Die Rolle des ewigen Rebells lässt sich für beide nicht aufrechterhalten. Trotzdem waren alle einfach froh, beide mal (wieder) live gesehen zu haben.

NIN waren nicht nur der Headliner des Festivals, sie boten mit ihrer Sound- und Lightshow auch den unangefochtenen Höhepunkt. Trent Reznor, Frontmann der Band und inzwischen auch über 40, zeigte auf der Bühne, dass er es ernst meint mit seiner Musik und seinen Texten. Entgegen sonstiger Gepflogenheiten spielten NIN viele alte Stücke, es ging also nicht darum, ihr neues Album, welches man für 2 oder 3 Euro in den Beijinger CD-Läden erwerben kann, zu promoten, sondern einen Querschnitt der besten Songs zu liefern. Etwa 90 Minuten lang bearbeiteten und blendeten sie das Publikum mit ihren Ton- und Lichteffekten, so dass viele anschließend minutenlang berauscht vor der Bühne stehen blieben. Obwohl Rockmusik in China nicht wirklich zum Massengeschmack gehört, konnten viele chinesische Besucher die NIN-Texte mitsingen – sofern hier von singen gesprochen werden kann –, was in China die übliche Form ist, Zuspruch auszudrücken, wogegen eher selten zu Live-Musik getanzt wird.

Der Veranstaltungsort

Im Chaoyang-Park konnten die beiden Bühnen problemlos Platz finden und durch die ungewöhnlich gute Infrastruktur chinesischer Parkanlagen gab es auch keine Ver- oder Entsorgungsprobleme. Zumindest im Sommer scheint hier alles, was man sich für Volksfeste oder einfache Wochenendgestaltung wünscht, vorhanden zu sein: ein Freibad, eine kleine Achterbahn, Restaurants, Kioske, ein See, auf dem man Bootsfahrten machen kann usw. Als größter Park in Beijing wäre hier sogar die Möglichkeit gegeben, weitere Veranstaltungen neben dem Musikfestival parallel laufen zu lassen, ohne dass man sich gegenseitig beeinträchtigt hätte. Der Chaoyang-Park ist an chinesischen Standards gemessen zwar nicht sonderlich schön, aber bietet viele Freizeitangebote und hat fast schon den Charakter eines Freizeitparks.

Eine Frage der Sicherheit

Respekt gehört den Organisatoren des Festivals, die einen reibungslosen Ablauf sicherstellten. Eingangskontrollen sind zwar für die Besucher nervig, aber besonders auch in Europa und den USA gehören übertriebene Sicherheitsmaßnahmen ja inzwischen zum Standard einer jeglichen Großveranstaltung. Problematisch war lediglich die Handhabung der Sicherheitsfrage auf dem eigentlichen Festivalgelände, bei der es offensichtlich Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den Behörden und dem Veranstalter gab. So kam es während des Konzertes von Marky Ramone zu kleineren Rangeleien mit den Uniformierten, die vor der Bühnenabsperrung aufgestellt waren, da betrunkene und übermütige Minderjährige aus dem Ausland immer wieder versuchten, den Sicherheitsmännern ihre Mützen vom Kopf zu reißen. Generell schienen die Uniformierten so wenig Erfahrung mit pogenden oder zumindest wild tanzenden Ausländern zu haben wie diese mit Uniformierten, so dass schnell eine angespannte Situation entstand, die von Marky Ramone mit einem lässig genuschelten „calm down“ entschärft wurde. Was sich die Verantwortlichen jedoch dabei gedacht haben, vor dem Höhepunkt des Auftritts der US-amerikanischen Band NIN eine Reihe Uniformierter ins Publikum zu schicken, bleibt deren Geheimnis. Der Unmut über diese Maßnahme war besonders bei den internationalen Gästen am Gesichtsausdruck abzulesen. Jedenfalls zeigte diese Aktion deutlich, dass in diesem Bereich kompetente Entscheidungsträger fehlen. Wenn bedacht wird, dass das Beijing Pop Festival in seiner Dimension und in seiner Art bisher einzigartig in China ist, lässt sich dieser Umstand zwar erklären, bei wachsender Besucherzahl in den nächsten Jahren herrscht hier allerdings Änderungsbedarf.




 
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