Wuhuang-Stickerei: Eine
chinesische Spezialität in Shanghai
Von Lu Er
Für Tao Huidong, den Chef der Stickerei Wuhuang in Suzhou,
ist Shanghai ein glückverheißender Ort.
Die in seinem Unternehmen hergestellten Stickereien werden in
vielen Spitzenhotels, beispielsweise im Portman Ritz-Garlton angeboten,
wo man an kunsthandwerkliche Produkte strenge Maßstäbe
anlegt. Der Unternehmenschef hat nun in Shanghai eine Gelegenheit
gefunden, Stickereien auch im Ausland zu verkaufen.
Mitte August 2006 erhielt Tao Huidong einen Anruf von Liu Ying,
der Chefin der Außenstelle Shanghai des Düsseldorf
China Center. Es überraschte ihn, dass Frau Liu in diesem
Telefongespräch erklärte, sie wolle die Stickereiwaren
von Wuhuang in Deutschland und sogar im übrigen Europa vorstellen.
Sie erzählte, ihr seien die Stickereiwaren bei einem Gang
durch den Kunsthandwerkladen im Portman Ritz-Garlton aufgefallen.
Die dort angebotenen Waren, Stickereien zur Präsentation
von blau-weißem Porzellan aus der Ming- und Qing-Zeit, hätten
ihr sofort gefallen. Sie habe daraufhin im Internet gesurft, um
sich über das Unternehmen zu informieren. Schließlich
nahm sie Kontakt mit Tao Huidong unter der im Internet angegebenen
Adresse auf. Das Düsseldorf China Center, für das Frau
Liu arbeitet, ist ein Zentrum für Geschäfts- und Handelsanbahnungen
zwischen Unternehmen aus China und Deutschland, welches von der
Jiangyin-Unternehmensgruppe zur Herstellung von Autoersatzteilen
in der Provinz Jiangsu errichtet wurde. Frau Liu bot an, die Stickereien
von Wuhuang nach Düsseldorf mitzunehmen, weil dort bald eine
China-Woche veranstaltet werden würde. Herr Tao
war damit einverstanden.
Dieser 32-jährige Unternehmenschef aus Suzhou, einer Stadt
in der Provinz Jiangsu, scheint tatsächlich Glück zu
haben. Doch sein Erfolg beruht in erster Linie auf der Qualität
und dem Stil seiner Produkte. Tao Huidong hebt hervor, dass viele
Ausländer an den Stickereien die besonderen chinesischen
Eigenheiten rühmen.
Auch dem Four Seasons Hotel in Shanghai, das vor einem Jahr eröffnet
wurde, hat Herr Tao den Verkauf seiner Produkte angeboten. Obwohl
nur wenige Besucher etwas kauften, merkte er an: Ich bin
schon zufrieden, wenn die Leute bei unserer Verkaufsstelle verweilen
und sich unsere Erzeugnisse ansehen.
Nicht nur Spitzenhotels in Shanghai, sondern auch Geschäftsleute
aus den USA zeigen großes Interesse an den Stickereien von
Wuhuang. Während einer Dienstreise fielen einem Geschäftsmann
aus den USA diese Stickereien auf. Er schickte seinen Dolmetscher
direkt in das Unternehmen, um dort einige Waren einzukaufen, die
er nach New York mitnehmen und dort verkaufen wollte. Dieser Geschäftsmann
besitzt ein Geschäft, das indische Kleidung anbietet. Natürlich
freut sich Tao Huidong auch über solch einen Export.
Ausgezeichnete Technologie
Ende der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts vertrieb Tao Huidong
zusammen mit seinen Eltern Stickereiprodukte. Doch damals konnte
man keine große Warenvielfalt anbieten und die Geschäfte
gingen schlecht. Mit 26 Jahren nutzte Herr Tao eine Gelegenheit,
sich mit chinesischem Porzellan vertraut zu machen. Er kam auf
die Idee, wunderschöne Porzellane, aber auch kaiserliche
Paläste und kostbare Gewänder reicher Familien in Stickereien
darzustellen. Er suchte nach klassischen Büchern, in denen
chinesische Porzellane und Trachten abgebildet waren, und wählten
die schönsten als Vorbilder für Stickereien. Im Jahr
2000 gründete er dann die Stickerei Wuhuang. Nach 6-jährigem
Geschäftsaufbau fährt er heute mit seinem Toyota zwischen
Suzhou und Shanghai hin und her und hat gute Verträge mit
Spitzenhotels abgeschlossen. Obwohl die Manager von Spitzenhotels
meist sehr kritisch sind, bewundern sie doch uneingeschränkt
die Produkte von Wuhuang.
Tao Huidong ist stolz auf die Qualität seiner Produkte.
Zwar kommen fast alle bei mir beschäftigten Stickerinnen
aus Suzhou, jedoch nicht alle können das erforderliche hohe
Niveau erreichen. Nach Herrn Taos Ansicht müssen gute
Stickerinnen von klein auf, mindestens ab einem Alter von 13 oder
14 Jahren, innerhalb ihrer Familien ausgebildet werden. Wenn die
Mutter stickt, sollte die Tochter dabei sitzen und den Faden in
die Nadel fädeln. Allmählich kann dann die Tochter auch
die verschiedenen Farben voneinander unterscheiden, die einander
sehr ähneln. Unter Anleitung der Mutter versucht sich die
Tochter schließlich auch am Sticken ziemlich einfacher Blumen.
So wird unter dem unmerklichen Einfluss der Mütter
das Sticken bei den Töchtern zur Gewohnheit.
Zur Zeit sind 150 Stickerinnen bei Wuhuang beschäftigt,
120 von ihnen haben ein relativ hohes Niveau erreicht. Vor der
Arbeitsaufnahme werden sie einen Monat ausgebildet. Wenn sie dann
die Anforderungen erfüllen, können sie als Stickerinnen
zu arbeiten beginnen. Für eventuell auftretende Schwierigkeiten
stehen technische Beraterinnen zur Verfügung. Außerdem
gibt es in der Manufaktur Spezialistinnen, die die von den neuen
Arbeiterinnen gestickten Produkte kontrollieren und gegebenenfalls
ausbessern.
Die Produkte von Wuhuang umfassen zwei Gruppen. Zu der einen
gehört modisches Beiwerk wie Schals, Handtaschen oder Tücher,
zur anderen Materialien für Wohnungsschmuck. Die Preisespanne
reicht von einigen wenigen bis zu 4000 oder 5000 Yuan. Unsere
Produkte sind preisgünstig, unsere Preise entsprechen stets
dem Wert der Ware, sagt Herr Tao überzeugt.
Je nach Arbeits- und Zeitaufwand kann man die Stickereien in
drei Produktgruppen einteilen. Für eine Stickerei mit einem
einfacheren Muster braucht man ungefähr eine Woche. Für
großformatige Produkte muss man etwa 13 bis 19 Tage einplanen.
Und das Besticken eines noch größeren Produktes, beispielsweise
im Format 30 X 25 cm, beschäftigt eine Stickerin 40 bis 45
Arbeitstage.
Warum finden die Produkte von Wuhuang auf dem Markt einen so
guten Absatz? Dazu erklärt Tao Huidong: Erstens unterscheiden
sich unsere Motive deutlich von den Produkten anderer Stickereimanufakturen.
Zweitens streben wir nach Perfektion bei der Wahl der von uns
verarbeiteten Rohstoffe. Drittens weisen unsere Produkte ein hohes
technisches Niveau auf.
Als Beispiel dienen die Stickereien zur Verzierung des blau-weiß
getönten Porzellans. Zur Herstellung solcher Stickereien
gebrauchen manche Unternehmen traditionelle Methoden des Stickens
in Verbindung mit moderner Technik. Sie lassen zunächst Muster
auf Seide drucken, um dann darauf mit Seidengarnen Motive wie
Blumenblätter sticken zu lassen. Für Laien auf diesem
Gebiet ist es kaum möglich, dies zu erkennen; Fachleuten
jedoch wird das auf den ersten Blick klar.
Bei Wuhuang werden ausschließlich traditionelle Methoden
der chinesischen Stickerei verwendet. Alle Verzierungen und Muster
werden zunächst mit bestimmten Seidengarnen auf den Stoff
gestickt, unabhängig davon, in welchen Farben später
die Stickereien ausgeführt werden sollen. Die meisten Motive
können durch rechte Maschen (Englisch: plain stitch) dargestellt
werden. Wenn die Verzierungen und Muster farbenprächtig sein
sollen oder granuliert werden müssen, werden sie durch weitere,
sehr kompliziertere Stiche auf den Stoff gebracht.
Zur Zeit ist Herr Taos Ehefrau für die Technik zuständig.
Sie hat von Kindesbeinen an das Sticken gelernt und ist
darin hochqualifiziert, sagt ihr Mann. Neben ihr gibt es
in der Manufaktur viele Fachberaterinnen mit mehr als 10-jähriger
Arbeitserfahrung. Sie sind verantwortlich für die Qualitätsprüfung
und damit für die stete Erhöhung des technischen Niveaus
aller Stickerinnen.
Auch die Rolle seiner Mutter hebt Herr Tao hervor: Sie
war eine ausgezeichnete Stickerin. Bei Gründung meines Unternehmens
half sie mir mit Rat und Tat. Aber nun, da wir Produkte mit höherem
technischem Niveau entwickeln wollen, müssen wir auf unsere
eigene Kraft bauen.
Bis zu seinen ersten Erfolgen hatte Tao Huidong viele Schwierigkeiten
zu überwinden. Anfangs hatte die Manufaktur nur zwei Beschäftigte:
seine Frau und ihn selbst. Er war für die Wahl der Motive
und seine Frau für das Sticken zuständig. Nach einiger
Zeit wurden zwei Stickerinnen angestellt. Nach sechsjähriger
Entwicklung hat das Unternehmen jetzt fast 200 Beschäftigte.
Unser Prestige ist das Lebenselixier von Wuhuang.
Herr Tao erinnert sich an die Zeit der SARS-Epidemie in China.
Die Stickereien aus Suzhou fanden keinen Absatz mehr, so dass
viele Unternehmer Stickereien halbfertig liegen ließen und
die fertigen Produkte zum halben Preis an ihre Stickerinnen verkauften.
In dieser Situation kaufte Herr Tao die Stickereien anderer Fabriken
auf. Die Preise seiner Produkte senkte er aber nicht, was dem
Prestige von Wuhuang in dieser schwierigen Periode nutzte.
Sorgen bereitet Herrn Tao vor allem das Recht auf geistiges Eigentum
bei den Produkten von Wuhuang. Aus diesem Grund vereinbarte er
mündlich mit den Hotels in Shanghai, dass keine Produkte
von Wuhuang in Suzhou verkauft werden dürfen. Wir müssen
uns bemühen, den Ruf unserer Produkte in den Hotels in Shanghai
zu halten. Wenn unsere Produkte auch in Suzhou verkauft werden
würden, gäbe es sicherlich viele Geschäftsleute,
die unsere Produkte kopieren würden.
Würden die Stickereien von Wuhuang in großer Menge
kopiert, könnte das die Entwicklung von Wuhuang negativ beeinflussen,
selbst wenn die kopierten Produkte von schlechterer Qualität
wären. Das ist vielleicht auch einer der Gründe, warum
Tao Huidong den Export seiner Produkte als dringliche Aufgabe
betrachtet.
Aus DCC Time, Nr. 3
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