Interview mit Dagmar Yu-Dembski

Dagmar Yu-Dembski hat im September 2007 ihr Buch „Chinesen in Berlin“ in einem Berliner Verlag veröffentlicht. Zugleich öffnete eine gleichnamige Ausstellung im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf ihre Pforten. „China Heute“ hat Frau Yu-Dembski um ein Interview gebeten, um mehr über Ziele und Hintergründe von Buch und Ausstellung und natürlich auch über sie selbst zu erfahren.

Frage: Frau Yu-Dembski, Sie tragen neben dem deutschen auch einen chinesischen Namen. Wie kommt das?

Antwort: Mein Vater war Chinese und hieß mit Familiennamen Yu. Meine Mutter war Deutsche. Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen. Mein Vater wählte für mich den Namen Demei, „de“ wie „Tugend“ oder „deutsch“, „mei“ wie „schön, hübsch“. In Guangzhou, wo mein Vater herstammte, spricht man das hochchinesische „de“ allerdings wie „dak“ aus. So war es nicht weit bis zu meinem deutschen Vornamen Dagmar.

F.: Haben Sie von Ihrem Vater etwas über die chinesische Kultur erfahren ? Und wurde bei Ihnen zu Hause Chinesisch gesprochen?

A.: Mein Vater kam 1936 nach Deutschland, um in Darmstadt und Berlin zu studieren. Da er in Guangzhou eine deutsch-chinesische Mittelschule besucht hatte, sprach er bereits Deutsch, als er hierher kam. Daher wurde in meinem Elternhaus Deutsch gesprochen und als Kind habe ich nicht Chinesisch gelernt.

Davon abgesehen brachte mein Vater natürlich viel Chinesisches in unsere Familie. Ich erinnere mich noch an die vielen chinesischen Bilder, die bei uns an den Wänden hingen. Und an das chinesische Essen, das mein Vater für uns zubereitete. Trotz der schweren Hungerzeit nach dem 2. Weltkrieg gelang es ihm stets, Essbares für uns aufzutreiben. Für ihn war es dabei auch sehr wichtig, dass er als Chinese für die üblichen Lebensmittelmarken Reis anstatt Kartoffeln kaufen konnte.

F.: Haben Sie sich schon immer beruflich mit China beschäftigt?

A.: Nein, überhaupt nicht. Ich habe zunächst Publizistik und Kunstgeschichte studiert. Erst der frühe und plötzliche Tod meines Vaters – er ist nur 57 Jahre alt geworden – war für mich Anstoß, mich mit China zu beschäftigen, nach meinen Wurzeln zu suchen. Damals habe ich auch angefangen, in Abendkursen Chinesisch zu lernen.

F.: Wann waren Sie das erste Mal in China?

A.: Das war 1980, als die Reform- und Öffnungspolitik begonnen hatte. Diese Reise wurde von der hiesigen Gesellschaft für deutsch-chinesische Freundschaft organisiert, und ich kam auf diese Weise erstmalig überhaupt mit dieser Organisation in Kontakt.

Von China war ich so beeindruckt, dass ich unbedingt wieder dorthin reisen wollte. Aber das war für mich finanziell schwierig. Was tun? Ich kam auf die Idee, deutsche Touristengruppen als Reiseleiterin zu begleiten. Auf diese Weise habe ich China oft in den Semesterferien besuchen können.

F.: Sie beschäftigen sich schon längere Zeit mit dem Schicksal von in Berlin lebenden Chinesen. Wann und wie hat das angefangen? Dabei spielt doch sicherlich auch Ihre Herkunft eine Rolle?

A.: Ja, natürlich hat das Schicksal meines Vaters eine ausschlaggebende Rolle dabei gespielt. Im Rahmen eines Forschungsprojektes am Ostasiatischen Seminar der Freien Universität Berlin las ich damals viele deutsche Reiseberichte über das China der 20er und 30er Jahre, und mich beschäftigte immer mehr die Frage, wie und warum junge Chinesen zur damaligen Zeit nach Deutschland gekommen sind.

F.: Welchen Zeitraum haben Sie bei Ihren Nachforschungen erfasst?

A.: Wie gesagt, anfangs nur die 20er und 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Aber das Thema hat mich fasziniert und sich zeitlich immer weiter ausgedehnt. Sowohl in meinem Buch als auch in der Ausstellung im Heimatmuseum Berlin-Charlottenburg habe ich dargestellt, wie die ersten zwei Chinesen – beide hatten zufällig den gleichen Namen Feng - im Jahr 1822 aus Guangzhou nach Berlin gekommen sind und hier gelebt haben. Sie werden sogar in einem Brief des deutschen Dichters Heinrich Heine erwähnt. Meine Nachforschungen reichen also von den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart.

F.: Was hat Sie an diesem Thema besonders interessiert ? .

A.: Mich haben besonders das Alltagsleben der Chinesen in Deutschland und speziell deutsch-chinesische Ehen in Berlin interessiert. Ihre Situation während des Nationalsozialismus und im 2. Weltkrieg war ja alles andere als einfach. Zum Beispiel gab es ein faktisches Verbot der deutschen Behörden für Chinesen, Deutsche zu heiraten. Selbst Paaren, die schon lange zusammenlebten und Kinder hatten, wurde die Eheschließung verboten. Sie konnten erst nach dem Ende des Krieges heiraten.

F.: Damals lebten die Chinesen in Berlin in engem Kontakt mit ihren Landsleuten. Private Beziehungen zu Deutschen gab es kaum. Wie ist das zu erklären?

A.: Nun, viele chinesische Studenten, die hierher kamen, hatten in China die gleiche Schule oder Universität besucht. Hier, in der Fremde, organisierten sie sich in Landsmannschaften. Sie haben sich ja alle als Gäste gefühlt, die in die Heimat zurückkehren wollten. Sie waren Patrioten, die das, was sie während des Studiums in Deutschland gelernt hatten, beim Aufbau eines neuen China anwenden wollten. Durch den Krieg konnten sie aber nicht zurück. Ihre Situation war unklar. Sie lernten deutsche Frauen kennen....

F.: Haben Sie sich auch mit Prominenten beschäftigt, die nach Berlin kamen ?

A.: Aber natürlich. Zum Beispiel gibt es in meinem Buch sehr schöne Fotos von Zhou Enlai und Zhu De als Studenten in Berlin. Außerdem ist auf der Einladung zur Ausstellung sogar der berühmte Maler Xu Beihong vor der Siegessäule im Zentrum Berlins zu sehen.

F.: Ich habe in einem Artikel von Ihnen gelesen, dass ein großer Teil der in den 30er Jahren in Berlin lebenden Chinesen aus dem Ort Qingtian in der Provinz Zhejiang stammte.

A.: Ja, das stimmt. In der Provinz Zhejiang herrschte große Armut. Viele Menschen lebten dort vom Handwerk des Steinschnitzens. Schon im 19. Jahrhundert sind Kaufleute aus Qingtian mit diesen Schnitzereien aus Seifenstein nach Europa gereist. Das war ein Exportschlager mit lange anhaltenden Nachwirkungen. Noch heute haben die Qingtian-Chinesen einen eigenen Verein in Berlin.

F.: Wie ist es eigentlich zu der Idee gekommen, eine Ausstellung „Chinesen in Berlin“ zu organisieren?

A.: Ja, ich habe nun schon lange über dieses Thema geforscht und mir gedacht, man müsste die Ergebnisse dieser Forschung doch eigentlich mehr Menschen zugänglich machen. Ich habe ja immer noch viel mehr Material, als in dem Büchlein verarbeitet wurde. Es war ein bemerkenswerter Zufall, dass ich der Leiterin des Charlottenburger Heimatmuseums ausgerechnet auf der Kantstrasse begegnete, jener Strasse, wo sich einst die meisten Chinesen in Berlin angesiedelt hatten. Die Museumsleiterin lud mich ein, las mein Exposé und sagte: „Ja, das machen wir.“ Danach kam natürlich noch eine Menge Arbeit.

F.: Haben Sie die Absicht, die Ausstellung auch außerhalb Berlins zu zeigen?

A.: Das weiß ich noch nicht. Von chinesischer Seite gibt es eine Anfrage, ob man die Ausstellung eventuell auch im Goethe-Institut in Peking zeigen könnte.

F.: Ich weiß, dass Sie auch Geschäftsführerin einer sehr wichtigen Institution für die Verbreitung von Kenntnissen über die chinesische Sprache und Kultur sind, nämlich des Berliner Konfuzius-Instituts. Sind Sie zufrieden mit dem Interesse der Berliner am Konfuzius-Institut?

A.: Das Konfuzius-Institut arbeitet nun schon seit fast eineinhalb Jahren. Das ist keine lange Zeit für eine solche Einrichtung. Unsere Ausstellungen und Vorträge werden von den Berlinern aber schon sehr gut angenommen. Dennoch müssen wir noch vieles tun, um das Institut weiter bekannt zu machen.

F.: Wir wollen nicht vergessen, dass Sie ja auch Vorsitzende der Gesellschaft für deutsch-chinesische Freundschaft in Berlin sind. Können Sie uns über die Arbeit der Gesellschaft etwas sagen?

A.: Ja, sehr gern. In der Vergangenheit war die Gesellschaft viele Jahre lang eine Anlaufstelle für chinesische Studenten, die wir betreut haben. Das ist heute nicht mehr nötig. Wir sind jetzt eine Anlaufstelle für interessierte Berliner, die sich über China informieren oder zum Beispiel auch Chinesisch lernen möchten. Wir betreiben darüber hinaus einen regen Kulturaustausch mit unseren Partnerorganisationen in Beijing und Shenyang.

F.: Nicht zu vergessen die Zeitschrift „Das neue China“, für die Sie Verantwortung tragen und die vierteljährlich von der Gesellschaft herausgegeben wird.

A.: Ja, richtig. Als Journalistin macht mir die Arbeit mit der Zeitschrift natürlich viel Freude.

F.: Wann waren Sie das letzte Mal in China?

A.: Im Mai 2007, da habe ich an der Peking-Universität für mein Buch recherchiert.

(Die Fragen stellte Susanne Buschmann)




 
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