Deutschland zu Gast bei Bücherfreunden
Von Lars Mörking
Vom 30. August bis zum 3. September fand die diesjährige
Beijinger Buchmesse (BIBF), die größte Buchmesse Asiens,
statt. Verleger aus über 60 Ländern konnten sich über
das Interesse von etwa 200 000 Messebesuchern freuen. Gastland
war in diesem Jahr Deutschland, welches sich als Land der
Ideen vorstellte. Auch der Umstand, dass China 2009 Gastland
auf der Frankfurter Buchmesse sein wird und natürlich
die Omnipräsenz der Olympischen Spiele als dem entscheidenden
internationalen Großereignis im Jahr 2008 trugen
zur Bedeutung der Messe und speziell des deutschen Auftritts bei.
Spannend ist die Beijinger Buchmesse vor allem deshalb, weil
hier internationale Verleger auf die chinesische Verlagswelt treffen,
die sich bisher von ihrer Zusammensetzung her deutlich von dem
unterscheidet, was in Europa oder Amerika existiert. In China
gibt es gegenwärtig etwa 600 Verlage, die sich in staatlichem
Besitz befinden und den Hochschulen, Provinzen, Ministerien oder
Massenorganisationen zugeordnet sind. Dadurch, dass sich das Verlagswesen
im Umbruch befindet und Marktkriterien zunehmend eine Rolle spielen,
versuchen all diese Verlage neben ihrem Pflichtprogramm auch eine
Kür herauszugeben, mit der sich Einnahmen erwirtschaften
lassen. So kommt es, dass ein Militärverlag auch populäre
Kinderbücher herausgibt, die keineswegs auf die Heranführung
von Kindern an das Militärische ausgerichtet sind.
Für deutsche Verlage, die in China Buchlizenzen kaufen oder
verkaufen wollen, ist es allerdings ungewohnt, dass die chinesischen
Partner in Fachgebieten aktiv sind, mit denen sie ihrem Namen
nach eigentlich nichts zu tun haben dürften. Es kann vorkommen,
dass ein Verlag für Bergbau auf einen europäischen Verlag
für Kunst herantritt und Lizenzen für Bildbände
zum Thema Expressionismus erwerben möchte. Ein schönes
Beispiel ist auch der Verlag der Kommunistischen Partei Chinas,
der den deutschen Bestseller Herr Lehmann von Sven
Regner in chinesischer Übersetzung herausgegeben hat. Sich
hier zu orientieren und die richtigen Ansprechpartner für
eigene Vorhaben zu finden, ist sicher nicht immer einfach.
Pekinger Buchmesse ist Weltklasse
Als Stargäste waren auf der Buchmesse u. a.
die Frankfurter Oberbürgermeisterin Roth, der Direktor der
Frankfurter Buchmesse Boos und Bundeskulturstaatsminister Neumann
vertreten. Jürgen Boos äußerte auf der Pressekonferenz
am Eröffnungstag: Die Pekinger Buchmesse ist schon
Weltklasse, aber er brachte anschließend auch zum
Ausdruck, dass es in Deutschland andere Vorstellungen davon gibt,
wie funktionierende Buchmärkte auszusehen haben. Auf die
Frage, ob es denn ein Problem sei, dass der chinesische Buchmarkt
von staatlichen Verlagen dominiert werde, sagte er: Sobald
Märkte reguliert werden, ist das eine Einschränkung.
Diese Ablehnung staatlicher Einmischung wird sicherlich von den
Hauptakteuren des deutschen Buchmarktes geteilt, sie ist jedoch
schon deshalb fragwürdig, weil die deutsche Präsentation
auf der Beijinger Buchmesse ohne staatliche Finanzspritzen nicht
möglich gewesen wäre. Auch kann der staatliche Einfluss
auf den chinesischen Buchmarkt nicht der eigentliche Grund dafür
sein, dass kaum chinesische Gegenwartsliteratur oder gar wissenschaftliche
Publikationen in deutscher Übersetzung vorliegen. Im Gegenteil,
es ist die chinesische Regierung, die derartige Vorhaben gezielt
fördert, während deutsche Verleger auf den gesättigten
Buchmarkt in Deutschland und das unternehmerische Risiko hinweisen,
wenn es um die Übersetzung und Herausgabe chinesischer Bücher
in Deutschland geht. Übersetzungen aus dem Chinesischen sind
nach Marktkriterien oftmals zu teuer, da der damit
verbundene Buchabsatz ungewiss ist.
Die VR China ist an einer Ausweitung des Lizenzhandels mit ausländischen
Verlagen interessiert und hat deshalb das Programm China
Book International gestartet. Seit dem Jahr 2005 werden
Übersetzungen chinesischer Werke in andere Sprachen über
dieses Programm systematisch gefördert. Des weiteren wurde
ein Pool aus erfahrenen Übersetzerinnen und Übersetzern
aus dem In- und Ausland gebildet, um zusätzliche internationale
Buchprojekte zu ermöglichen, die einen größeren
Aufwand erfordern und deshalb ohne staatliche Förderung wohl
nicht zu realisieren wären.
Der deutsche Pavillon
Der Auftritt des Gastlandes Deutschland unterschied sich wesentlich
von der sehr bescheidenen Präsentation des letzten Jahres.
Deutsche Autoren hielten Lesungen ab, eine Gutenberg-Presse wurde
vorgeführt und eine sogenannte Textbox aufgestellt,
durch die man einen Eindruck vom Phänomen Poetry-Slam
bekommen konnte. Ein Schwerpunkt lag auf der künstlerischen
Gestaltung des deutschen Auftritts und der gezeigten Bücher.
Am Eröffnungstag der Buchmesse wurde darüber hinaus
die Gewinnerin des Wettbewerbs Bestes nicht-veröffentlichtes
Buch, Christina Föllmer, vorgestellt. Ihr Werk Festhalten*
sammelt Geschichten zu über 30 Objekten, mit deren Hilfe
Menschen besondere Erinnerungen konservieren wollen. Föllmer
selbst schreibt dazu: [U]nsere Erinnerungsobjekte sind fast
so etwas wie Lesezeichen. Sie sind Zeichen, die an eine Stelle
in der Vergangenheit erinnern. Mit der Auszeichnung hat
sie auch die Möglichkeit erhalten, China kennen zu lernen.
Die Beijinger Buchmesse gehört zu den ersten Stationen ihrer
Reise, bei der sie auch mit Vertretern chinesischer Verlage in
Kontakt gekommen ist. Das ist ein besonderer Zugang für
mich. Die Treffen waren sehr interessant, wobei ich die kleinen
Verlage natürlich spannender finde als die großen Staatsverlage.
Durch ihre Reise wird sicherlich das eine oder andere Souvenir
aus China seinen Weg nach Deutschland finden, um dort als Träger
von Erinnerungen bewahrt zu werden.
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