Einige Beispiele für den Unterschied zwischen chinesischer und deutscher Kultur

Von Fan Ming

Im Jahr 2008, wenn die Olympiade in China veranstaltet wird, kommen viele deutsche und andere ausländische Freunde nach China. Jede Nation hat eine eigene Kultur, eigene Sitten und Gebräuche. Den Unterschied zwischen den verschiedenen Kulturen zu kennen ist sehr wichtig. So kann man Missverständnisse vermeiden. Ein Sprichwort lautet: „Andere Länder, andere Sitten.“ Wenn wir einander gut kennen, können wir harmonisch miteinander umgehen. Ich nenne hier nur einige Beispiele, die ich selbst erlebt habe.

Ein einfaches Beispiel: Mein deutscher Freund hat einen Brief an mich geschickt. Er adressierte den Brief so: Vorname, Familienname, Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Stadt und Staat. Aber ein chinesischer Briefträger kann kein Deutsch. Manchmal ging meine Post verloren. Um sicher zu gehen, dass ich den Brief meines deutschen Freunds an mich erhalte, schrieb ich ihm auf chinesische Weise und auf Chinesisch meine Adresse auf, damit er diese auf den Briefsumschlag aufkleben kann. Wir Chinesen adressieren den Brief wie folgt: Postleitzahl, Staat, Stadt, Straße, Hausnummer, Familienname und Vorname.

Zweites Beispiel: Man muss im Voraus einen Besuchstermin vereinbaren. Im Mai 1988 habe ich Shasha, die aus Wien kam und im Spracheninstitut Beijing Sinologie studierte, kennen gelernt. Ich bat um ihre Hilfe bei der Suche nach einer geeigneten Universität, weil ich einen Studienaufenthalt in Wien machen sollte. In den Sommerferien flog sie nach Wien. Einen Monat später erhielt ich einen Brief von ihr und sie berichtete mir, dass ich von der Universität Wien bereits als Austauschstudent aufgenommen wurde. Im Oktober 1988 reiste ich dann nach Wien. Um mich bei Shasha zu bedanken, wollte ich sie besuchen und ihr ein Präsent geben. Ich rief Shasha an. Sie war nicht zuhause, sondern in Amerika. Ihre Mutter nahm den Telefonhörer ab und sagte: ,,Ich bin Frau Hartmann, Shashas Mutter. Ja, um drei Uhr am Nachmittag kommen Sie. Ich warte auf Sie. Auf Wiederhören!“ Um drei Uhr nachmittags erreichte ich das Haus der Hartmanns. Sie öffnete die Tür, ließ mich hinein und bot mir eine Tasse Kaffee an. Wir unterhielten uns über Shasha. Da kam ihr Mann, Otto Hartmann, von Beruf Arzt, von seiner Arbeit zurück. Wir begrüßten einander mit einem ,,Servus!” Er erklärte kurz: ,,Ich wusste nicht, dass Sie heute kommen. Sie haben keinen Besuchstermin mit mir vereinbart.“ Dann nahm er einen Liegestuhl und ging in den Garten, um sich in die Sonne zu legen. So lernte ich verstehen, dass, wenn man einen deutschen oder österreichischen Freund besuchen will, man im Voraus einen Besuchstermin vereinbaren muss, am besten eine Woche vor dem Besuchstermin.

Aber in China ist es etwas anderes. Vor einigen Tagen klingelte es. Ich machte die Tür auf und meine Nachbarin trat mit ihrem Sohn in meine Wohnung ein. Sie sagte: ,,Ich wohne im zweiten Stock. Ich möchte meinen Sohn zwei Stunden in Ihrer Wohnung bleiben lassen, falls ich erst spät Feierabend habe.“ Ich antwortete: ,,Kein Problem!” Ich musste meine Arbeit beiseite legen und wir unterhielten uns eine Stunde. Dann ging sie nach Hause. In diesem Punkt sollten wir uns vielleicht etwas von Deutschen oder Österreichern annehmen, um andere Leute nicht zu stören.

Drittes Beispiel: Im ersten Halbjahr 1989 war ich in Wien. Im Unterricht gab die deutsche Lehrerin den Studentinnen und Studenten eine Aufgabe: ,,In der nächsten Unterrichtsstunde erzählt jeder eine Geschichte, um seine Ausdrucksweise zu verbessern.“ Ich erzählte eine Fabel: ,,Der Bauer und die Schlange“, die allen bekannt ist. Ich zog aus der Fabel eine Schlussfolgerung: Der Bauer soll die Schlange erschlagen. Wir sollen Auge um Auge, Zahn um Zahn den Feind bekämpfen. Die Lehrerin war anderer Meinung: ,,Der Bauer soll die Schlange in Ruhe lassen.“ Die Schlange ist in der chinesischen Kultur ein schlechtes Tier. Z. B. gibt es da die Giftschlange, die sich als schöne Frau verkleidet. In Deutschland hat die Schlange auch eine gute Seite. Die deutsche medizinische Gesellschaft hat sie in ihrem Abzeichen: Der Stock und die Schlange. In deutscher Sprache sagt man auch: ,,Schlange stehen“. In China sagt man: ,,Wie ein Drache anstehen“.

Viertes Beispiel: Ein deutscher Junge suchte nach einer Freundin. Zur gleichen Zeit besuchte ein chinesisches Mädchen seine Schwester in Deutschland und gab eine Anzeige in der Zeitung auf, weil es einen Freund suchte. Der Deutsche lernte über die Zeitungsanzeige das chinesische Mädchen kennen und verlobte sich mit ihm. Nach der Heirat wollte die Chinesin ihre Eltern nach Deutschland holen. Aber ihr Mann war damit nicht einverstanden. Er sagte: ,,Ich liebe meine Frau und ich habe sie geheiratet, aber nicht ihre Eltern.“

In China gab es den Fall einer Frau, deren Vater gestorben war. In ihrer Firma verliebte sich ein Mann in sie und versprach ihr: „Ich liebe Dich. Nach der Heirat darf Deine Mutter mit uns zusammenleben. Ich will Deine Mutter bis zu ihrem Lebensende versorgen.“ Wer also ein chinesisches Mädchen liebt, muss sich eine Frage stellen: Will ich ihre Eltern versorgen?

Der Unterschied zwischen der chinesischen und der deutschen Kultur, dies dürfte deutlich geworden sein, tritt in verschiedenen Bereichen an den Tag. Z. B. kann man in Wien bei Fremden im Auto mitfahren. In China macht man so etwas selten, weil man Angst vor schlechten Menschen hat und nicht unbedingt mit Fremden sprechen will. Es ist schwer zu sagen, welche kulturellen Besonderheiten positiv zu bewerten sind und welche nicht. Über den Unterschied zwischen der chinesischen und der deutschen Kultur zu sprechen, kann jedoch gegenseitiges Verständnis vertiefen und dazu beitragen, dass wir voneinander lernen.

 
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