„Tuangou“ – kollektives Einkaufen fordert das traditionelle Verkaufsmodell heraus

Von Lu Rucai

Chinas Kleinhandel boomt seit langem. Das hat er der kontinuierlichen wirtschaftlichen Entwicklung Chinas und der Konsumbegeisterung der Chinesen zu verdanken. Seit einigen Jahren ist das traditionelle Verkaufsmodell mit „Tuangou“ (auf deutsch: kollektiver Einkauf) konfrontiert, wobei Konsumenten zu einem viel günstigeren Preis einkaufen können.

Eine Einkaufsweise, bei der man Geld und Mühe spart

Xiao Yang ist gerade in eine neue Wohnung umgezogen und will einige Klimaanlagen kaufen. Es ist heiß geworden und im Sommer ist der Preis für Klimaanlagen wegen der größeren Nachfrage entsprechend hoch. Zwar gibt es verschiedene Angebote in allen Kaufhäusern für Elektrogeräte, aber er findet die Preise noch zu hoch. Deshalb spricht er sich mit einigen Nachbarn ab, die ebenfalls Klimaanlagen kaufen wollen. Sie gehen zusammen zum Kaufhaus Dazhong Electronics, um einen günstigen Preis zu bekommen. Aber mit dem Preis, den Dazhong Electronics für den kollektiven Einkauf anbietet, sind sie auch nicht zufrieden. Die Firma Gree, ein Hersteller von Klimaanlagen, zeigt großes Interesse. Sie gewährt ihnen 15% Rabatt auf alle Typen von Klimaanlagen der Marke Gree. Die Vorbedingung ist, dass sie mindestens 30 Klimaanlagen auf einmal kaufen. Im Wohnviertel, in dem Xiao Yang wohnt, gibt es mehr als 1000 Familien, die vor kurzem hierher umgezogen sind. Es ist kein Problem, Kunden für 30 Klimaanlagen zu werben.

Xiao Yang freut sich über die Ermäßigung von 15%: „Normalerweise kann man einen solchen Rabatt kaum bekommen“. Für seine neue Wohnung hat er fast alles zu Vorzugspreisen gekauft. Dabei hat er auch an groß angelegten kollektiven Einkäufen, die von Online-Anbietern organisiert wurden, teilgenommen. „Für Fliesen kann man eine Ermäßigung von 50% bekommen und der Rabatt auf Möbel kann bei ca. 30% liegen“. Heute ist der kollektive Einkauf im Baumarkt durchaus üblich, weil in China die Immobilienbranche seit Jahren floriert. Außerdem ist diese Art des Einkaufens auch in vielen anderen Bereichen, z. B. beim Erwerb von Autos, Wohnungen bis zu kosmetischen Mitteln, zu finden.

Liu Huaijun ist Abteilungschef eines staatseigenen Unternehmens. Er sagt: „Für Leute wie mich, die den ganzen Tag sehr beschäftigt sind, kann der Einkauf in Gruppen nicht nur Geld, sondern auch Zeit sparen“. An einem Wochenende im April beteiligte er sich an einer von der Immobilienwebseite Jiaodian (Fokus) organisierten Veranstaltung, bei der man unmittelbar mit verschiedenen Vertretern von Baumärkten um den Preis feilschen konnte. „Ich habe keine Zeit dafür, im Baumarkt Waren miteinander zu vergleichen. Solche Veranstaltungen sind toll. Die Vertreter der Produzenten verschiedener Markenprodukte sind an Ort und Stelle. Man kann mit ihnen von Angesicht zu Angesicht über den Preis verhandeln und braucht sich nicht um die Qualität zu kümmern“. Danach stellte er seinen Freunden und Kollegen diese Art des Einkaufens vor. Vorher hatte er gemeint, dass der kollektive Einkauf eine Modeerscheinung ist, die nur bei jungen Leuten Anklang findet.

Noch wichtiger ist, dass man beim kollektiven Einkauf voneinander lernen kann. Xiao Yang sagt: „Als ich den Schlüssel meiner neuen Wohnung erhielt, war mir der Baumarkt ganz fremd. Seitdem ich mit den Freunden, die ich per Internet kennen gelernt hatte, am kollektiven Einkauf teilgenommen habe, weiß ich gut Bescheid“. Beim kollektiven Einkauf erhält man eine Ermäßigung und schließt einen Vertrag ab, der zusätzliche Klauseln enthält, die eventuelle Risiken für die Käuferseite verringern. Nun ist Xiao Yang schon in der Lage, Nachbarn selbst zu organisieren, um gemeinsam mit ihnen Haushaltsgeräte und Möbel zu kaufen.

Geringer Profit, schneller Umsatz: Warum denn nicht?

Fengmei ist eine Marke für Kücheneinrichtungen aus Shanghai. In dieser Branche ist die Konkurrenz in Beijing sehr stark. Als eine nicht aus Beijing stammende Marke kann es sich Fengmei nicht leisten, flächendeckend in Baumärkten mit eigenen Verkaufsständen präsent zu sein. Aus diesem Grund hat die Firma Fengmei sich an den Anbieter china.wzcn.cn, die sich auf kollektive Ein- und Verkäufe spezialisiert, gewendet. Für die Veröffentlichung von Informationen auf dessen Webseiten müssen jährlich nur 2000 Yuan bezahlt werden. Die registrierten Besucher können hier einen hohen Rabatt bekommen, auch wenn nur eine einzige Person am so genannten kollektiven Einkauf teilnimmt.

Zhang, Manager der Firma Fengmei, erläutert: „Wir haben gegenwärtig nur zwei Läden in Beijing. Die meisten Bestelllisten kommen von den Besuchern der Webseiten, die einen kollektiven Einkauf organisieren bzw. daran teilnehmen. Wenn wir einen Bestellblock aus einem gerade fertig gestellten Wohnviertel erhalten, haben wir auf einmal Dutzende bis zu über 100 Kunden. Zwar geben wir einen Rabatt von 40% oder noch höher, wir können aber auch dann noch Profit machen“. Denn laut Zhang hat man durch den Online-Verkauf Kosten für die Vertretungen auf verschiedenen Ebenen und Personal sowie die Miete für Verkaufsstände in den Kaufhäusern gespart. Und die Kunden des kollektiven Einkaufs wohnen normalerweise in demselben Wohnviertel, wodurch z. B. Transportkosten gespart werden.

Manager Zhang sagt weiter, dass der kollektive Einkauf im Baumarkt immer üblicher wird. Beispielsweise legen verschiedene Markenfirmen, die Kücheneinrichtungen anbieten, steigenden Wert auf den Online-Verkauf und natürlich auch den kollektiven Einkauf. Infolge dessen ist die Konkurrenz schärfer geworden. Dementsprechend hat die Firma Fengmei wie viele andere Firmen für Kücheneinrichtungen Personal speziell für Online-Marketing angestellt, dessen Aufgabe es ist, Informationen in viel besuchten Foren verschiedener Immobilienwebseiten zu platzieren, um mehr Online-Kunden zu werben. Jiang Xue ist eine Online-Verkäuferin der Designfirma Dahe. Sie hat eine Namensliste der Wohnviertel aufgestellt, die bald bezogen werden, und besucht die entsprechenden Foren im Internet. „Normalerweise, wenn zehn oder noch mehr Kunden unsere Firma auswählen, können wir ihnen 20% Rabatt geben“. Wegen der scharfen Konkurrenz in dieser Branche muss die Firma, in der Jiang Xue arbeitet, ihr Preisangebot nach der Konkurrenz ausrichten. „Heute sind die Kunden sehr wählerisch und möchten Preise zwischen unterschiedlichen Anbietern vergleichen. Man muss beim Service und beim Preis anderen überlegen sein.“ Darüber hinaus muss Jiang Xue jeden Tag die entsprechenden Webseiten aufrufen, um eventuelle Kunden zu grüßen und mit ihnen freundschaftliche Kontakte herzustellen. „Das muss ich tun“, so sagt sie.

Sowohl Produzenten als auch Händler sind sich immer mehr darüber im Klaren, dass der kollektive Einkauf große Geschäftschancen in sich birgt. Die Zahl der im Anbieter china.wzcn.cn registrierten Produzenten für Baumaterial und andere Waren beträgt einige tausend. Nach den statistischen Angaben einiger Händler macht das erzielte Absatzvolumen von online abgewickelten kollektiven Einkäufen knapp 30% ihres Gesamtumsatzes aus. Inzwischen nehmen auch die traditionellen Baumärkte wie B&Q und Homeworld daran teil. Nur wenn man nachweist, dass man Bewohner eines neuen Wohnviertels ist, kann man eine Ermäßigungskarte von 3% bekommen, und je nach Zahl der Wohnungsbesitzer kann der Rabatt bis zu zehn Prozent sein.

Das Internet als Katalysator

Der im Mai 2003 gegründete Anbieter china.wzcn.cn spielt eine führende Rolle beim kollektiven Einkauf. 2004 erzielte sie dadurch ein Absatzvolumen in Höhe von 50 Millionen Yuan und im Jahr 2006 lag diese Zahl schon bei 220 Millionen Yuan. Darüber hinaus hat die Webseite eine große Anzahl von festen Kunden gewonnen.

Zhao Yongjun ist der Marktmanager von china.wzcn.cn. Er meint: „Die aktive Teilnahme der Besucher unserer Webseite am kollektiven Einkauf zeigt, dass es eine große Nachfrage nach dieser Art des Online-Shoppings im Baumarkt gibt“. Sein Online-Name ist „Tuangou Boshi (Dr. Tuangou)“, der vielen Besuchern der Webseite bekannt ist, während wenige Leute seinen wahren Namen kennen. china.wzcn.cn hat mehrmals kollektive Einkäufe außerhalb des Online-Angebotes Webseite organisiert. Jedes Mal gab es einige hundert bis über tausend Teilnehmer. „Wir haben keinen einzigen Pfennig als Gebühr erhoben. Im Gegenteil dazu bieten wir Busse und Mittagessen kostenlos an. Außerdem ist es auch eine der Hauptaufgaben für uns, den Teilnehmern beim Feilschen zu helfen“. Laut Zhao Yongjun ist es das Ziel, dass „der kollektive Einkauf standardisiert und spezialisiert“ wird.

Die durch china.wzcn.cn und von anderen Online-Anbietern organisierten kollektiven Einkäufe folgen einem Prinzip: Zuerst wird auf der Webseite eine entsprechende Information bekannt gegeben, wodurch Händler und Kunden zueinander kommen. Übrigens können sich die Interessenten gegenwärtig neben der Webseite auch telefonisch zur Teilnahme am kollektiven Einkauf melden. Dann verhandeln die Händler und die organisierten Kunden von Angesicht zu Angesicht über den Preis. Schließlich wählen die Kunden die Waren in der vom Händler bestimmten Ausstellungshalle aus, unterzeichnen einen entsprechenden Vertrag und bezahlen den ausgehandelten Preis. Die wirtschaftliche Quelle der Anbieter, die solche Veranstaltungen organisieren, besteht hauptsächlich aus dem Geld, das Händler je nach Absatzvolumen zahlen, den Jahresgebühren, die Unternehmen als Mitglieder zahlen, und den Gebühren für die Anzeigen auf den Webseiten.

Zhao Yongjuns Meinung nach können die Webseiten, die kollektiven Einkauf anbieten, nicht nur den Konsumenten dabei helfen, „Geld zu sparen und den Einkauf angenehmer zu gestalten“, sondern auch dazu beitragen, Händler mit Kunden in Kontakt zu bringen, die genaue Vorstellungen haben, so dass die Händler ihre Kosten für Miete, Personal, Transport usw. reduzieren können.

Der Bericht von china.wzcn.cn ergibt, dass der kollektive Einkauf per Internet sich nicht mehr auf junge Leute beschränkt und immer mehr ältere Menschen in diesem Bereich aktiv werden. Unter den Besuchern von china.wzcn.cn, die am kollektiven Einkauf teilgenommen haben, machen 20- bis 40-Jährige mehr als 70% aus und der Anteil bei 40- bis 65-Jährigen beträgt 30%. Was die gekauften Warenarten betrifft, macht das Baumaterial 60% (Rabatt: um 10% bis 15% billiger als im Baumarkt), Möbel 25% (um 5% bis 10% billiger) und die Elektrogeräte 15% aus (um 5% bis 10% billiger).

„Das Internet ermöglicht einen groß angelegten kollektiven Einkauf. Auch wir normale Konsumenten haben es ihm zu verdanken, dass wir uns mit anderen Konsumenten, die gleiche Waren kaufen möchten, zusammenschließen können“, sagt Frau Lin, die als Teilnehmerin bzw. Organisatorin von kollektiven Einkäufen bekannt ist.

 
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