Grüner als gedacht? Das öffentliche Leben in Beijinger Parks

Von Lars Mörking

Das Leben in Beijing findet zumindest im Frühling, Sommer und Herbst im Freien statt. Das liegt zum einen daran, dass Wohnraum im Beijinger Zentrum sehr teuer ist und sich mehrköpfige Familien hier häufig wenige Zimmer teilen müssen und zweitens gibt es verschiedenste attraktive Möglichkeiten, Freizeit außerhalb der eigenen vier Wände zu gestalten. Bestes Beispiel sind die über 150 Park- und Grünanlagen in Beijing, wo das öffentliche Leben seinen schönsten Ausdruck findet. Vor allem Rentnerinnen und Rentner verbringen hier viel Zeit gemeinsam, anstatt daheim allein vor dem Fernseher zu sitzen. Kollektive Freizeitgestaltung hat in China besonders für ältere Menschen einen hohen Stellenwert, wobei auch auf gesundheitsfördernde Aktivitäten geachtet wird.

„Wir hätten nicht gedacht, dass Beijing so viele und große Grünflächen hat“, sagt ein deutsches Ehepaar, welches derzeit in Shanghai lebt. Und es sollen mehr werden, wie das zuständige städtische Grünflächenamt erklärte. Noch in diesem Jahr sollen 30 zusätzliche Parkanlagen fertig gestellt werden, bis zur „grünen“ Olympiade sollen weitere 30 dazu kommen.

Qingnianhu-Park

Der Qingnianhu-Park (青年湖公园) ist vielleicht nicht der schönste oder größte, dafür aber einer der abwechslungsreichsten und lebendigsten Parks in Beijing. Gelegen im Wohngebiet Gulou („Trommelturm“ 鼓楼) ist er vor allem morgens und am Wochenende der Ort, an dem sich Anwohner aufhalten. Der Park hat seinen Namen („Qingnian“ bedeutet „Jugend“, „Hu“ bedeutet „See“) dem kommunistischen Jugendverband zu verdanken, dessen Mitglieder auf diesem zuvor ungenutzten Gelände mit den nötigen Bauarbeiten begannen.

Mit deutschen Parkanlagen ist der Qingnianhu kaum zu vergleichen, befindet sich auf dem Gelände doch u. a. ein Freibad, ein künstlicher See, ein Basketball-Feld, ein Restaurant, Fitnessgeräte für Jung und Alt und ein Übungsplatz des örtlichen Golfvereins, an dem Abschläge trainiert werden können. Abseits dieser festen Freizeitangebote finden sich hier Gruppen zusammen, die Tanzen, Taijiquan-Übungen (太极拳) durchführen oder auch Boule spielen. Hier kann man gelegentlich sogar einen alten Könner des chinesischen Basketballs erleben. Im Alter von fast 70 Jahren spielt er immer noch regelmäßig gegen die jungen Platzhirsche, die ihm zwar an Schnelligkeit überlegen sind, dafür aber nicht seine Gelassenheit und seine Trefferquote mitbringen. „Ich habe zu meiner Zeit in der höchsten chinesischen Liga gespielt,“ sagt er stolz.

Genutzt wird der Park auch für öffentliche Veranstaltungen. Eines der hiesigen Nachbarschaftskomitees veranstaltet hier z. B. ein Fächertanz-Festival. Eine Bühne wird aufgebaut, eine Anlage angeschlossen und Bewertungsbögen werden verteilt. Damen im Rentenalter (ab 55 Jahren) stellen in Gruppen ihr Können unter Beweis, wobei bereits die ersten Schritte in Richtung Bühne die eingeübte Gruppendisziplin ausdrücken. Die Teilnehmerinnen nehmen die Sache zur Freude der Zuschauerrinnen und Zuschauer sichtbar ernst, selbst das Lächeln der Damen erinnert an professionelle Tänzerinnen und offenbart Konzentration.

Orte der Meditation für Fortgeschrittene

Aber auch Individualisten finden ihren Weg in den Qingnianhu-Park und dort immer auch ein Plätzchen, um ungestört die Ruhe zu genießen. Erstaunlich ist, dass diese Art von Grünanlagen – mitten in einer der wohl lautesten Städte der Welt gelegen – ohne jeglichen künstlichen Schallschutz auskommt. Und wenn die Stille des Parks durchbrochen wird, dann kommt der Angreifer meist von innen: Sänger und Musiker leisten jeweils ihren Beitrag zur kontrapunktischen Untermalung, aber es sind vor allem Kinderautos, die bei Inbetriebnahme eine Endlosschleife schlechter Klingeltonmelodien wiederholen und somit die harmonische Stimmung sabotieren. Chinesischen Besuchern scheint dies aber nichts auszumachen, sie erweisen sich im Alltag Beijings immer wieder als erstaunlich lärmresistent. So schafft es ein junger Besucher des Parks zwei Stunden lang neben einem Musiker zu meditieren, der geräuschvoll auf seiner Sheng (chinesische Mundorgel) übt.

Nichts, was es nicht gibt

Ein variierendes Angebot an Ständen gehört ebenfalls zum Repertoi des Qingnianhu-Parks. Ob nun Schießbuden oder Verkaufsstände, eine Hüpfburg oder kommerzielle Tanzveranstaltungen, bei denen niemand ohne Tanzpartner bleibt, das Angebot scheint von Tag zu Tag zu wechseln. So versammelt sich eine Gruppe älterer Damen und Herren an einem Verkaufsstand, an dem ein Gerät vorgeführt wird, welches das allgemeine Wohlbefinden steigern soll. Mit 1035 Yuan ist das Ganze recht teuer, aber niemand von den willigen Testpersonen sieht so aus, als hätte er wirklich vor, ein derartiges Gerät zu erwerben. Dafür setzen die älteren Herren der Verkäuferin ganz schön zu, in dem sie sie wiederholt nach technischen Details und der Funktionsweise des Gerätes fragen, worauf sie lächelnd immer wieder „wo bu zhi dao“ („ich weiß nicht“) antwortet. Die alten Leute lassen sich aber gerne auf einen Probelauf ein, und auf die Frage, wie lange eine „Anwendung“ dauert, antwortet die Verkäuferin: „Zwei Stunden, wenn Sie auch interessiert sind, dann kommen Sie um 14 Uhr wieder.“ Es ist 8 Uhr Morgens und die Liste der Interessenten ist lang.

„Dienstleistungsparadies“

Chinesische Parkgelände sind im allgemeinen gut gepflegt. Die Grünanlagen und Gehwege werden regelmäßig von Angestellten gepflegt, Toiletten und andere Anlagen sind in guter Verfassung und teilweise treten zusätzlich Bürger in Aktion, die an kahlen Stellen Blumen oder Bäumchen pflanzen. Andererseits ist der Eintritt nicht bei allen Parks frei, für den Qingnianhu-Park muss beispielweise ein Yuan (etwa 10 ct) gezahlt werden, der Freibadbesuch kostet extra. In Zukunft soll die Zahl der Parkanlagen, die frei zugänglich sind, weiter erhöht werden, bereits im letzten Jahr schaffte man die Zugangsgebühr für zwölf Parkanlagen wieder ab, auch die für dieses Jahr geplanten neuen Anlagen sollen frei zugänglich sein. Insgesamt sollen in Beijing inzwischen 122 von über 160 großen Grünanlagen bzw. Parks gebührenfrei sein.

Qingnianhu-Park, westlich der Andingmenwai Dajie, Stadtteil Dongcheng

Öffnungszeiten: 6 – 21 Uhr

Eintritt: 1 Yuan

 
Adresse: Baiwanzhuang Dajie 24, Beijing, VR China
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