Zehn Jahre nach der Rückkehr Hongkongs nach China

– Eindrücke vom Leben der Hongkonger Bürger

Von Zhang Juan

Am ersten Tag, als ich in Hongkong ankam, nahm ich bereits den schnellen Rhythmus der Stadt wahr. Als die Fußgängerampel an jeder Kreuzung auf Grün sprang, „stürmten“ die Leute über den Zebrastreifen. In der U-Bahn hatten fast alle Leute, ob alt oder jung, bequeme Schuhe an. Man sagt, dass in Hongkong das Tempo beim Gehen zu den wichtigen Faktoren zählt, durch die sich Einheimische von Auswärtigen unterscheiden.

Seit der Rückgabe der ehemaligen Kolonie Hongkong an China sind zehn Jahre vergangen. Wie war das Leben der Hongkonger in den letzten zehn Jahren? Folgende vier Geschichten erzählen über Freud und Leid in ihrem Leben.

Das Café von A Fan

Der 52-jährige Ho Shui Fan, von Hongkongern gewöhnlich A Fan genannt, betreibt in Hongkong ein Café namens „Blue Mountain“. Als ich ihn um 11 Uhr vormittags anrief, um ein Interview mit ihm zu vereinbaren, war er gerade aufgestanden und auf dem Weg zu seinem Café, denn am vorigen Abend verließen einige Gäste das Café erst sehr spät.

Wir treffen uns um drei Uhr nachmittags in seinem Café. Die Mittagszeit ist vorbei und es gibt nur wenige Gäste. A Fans Augen scheinen angeschwollen zu sein, das Ergebnis der Müdigkeit aufgrund langjährigen Schlafmangels. A Fan erklärt mir, dass es mühsame Arbeit ist, ein gastronomisches Gewerbe zu betreiben. Die Betriebszeiten sind lang. Man muss geduldig warten, bis der letzte Gast geht. Unter normalen Umständen arbeitet er von 5.30 Uhr morgens bis 12 Uhr abends.

A Fans Café ist nicht groß, etwa 60 qm, aber eine Mischung westlicher und östlicher Elemente: Importierter Kaffee, gebackener Kuchen, gebratene Hühnerflügel und chinesische Kleinigkeiten werden angeboten, die Wände sind mit Masken aus der Pekingoper dekoriert...

Früher war A Fan im Bauwesen tätig. Er war ein selbstständiger Auftragnehmer für Bauprojekte. Als die Geschäfte boomten, hatte er Projekte in Hongkong und Macao. „Damals konnte ich an einem Tag einige zehntausend Hongkong-Dollar (HKD) verdienen. Ich kaufte mir Autos, aß Abalonen (Meeresschnecken) und züchtete Hunde...“ Nach der Finanzkrise herrschte eine Flaute im Immobilienbereich. 1998 wechselte A Fan seinen Beruf und eröffnete das Café. „Da ich relativ früh mit diesem Geschäft begann, läuft es nicht schlecht.“ Aller Anfang ist schwer. 2002 begann es mit seinem Geschäft bergauf zu gehen. A Fan hatte Glück, denn vor seinem Kaffeehaus ist ein freier Platz, auf dem Tische und Stühle stehen können. Als 2003 die SARS-Epidemie ausbrach, aßen und tranken die Gäste im Freien, so dass sein Geschäft nicht beeinträchtigt wurde.

Wie viele einfache Hongkonger Bürger profitiert auch A Fan von der Maßnahme der Zentralregierung, Chinesen vom Festland Individualreisen nach Hongkong zu erlauben. Die zahlreichen chinesischen Touristen fördern die Entwicklung in den Branchen Tourismus, Einzelhandel und Gastronomie. Dapu, wo A Fans Café liegt, ist ein altes Stadtviertel, seine Gäste sind meist Stammgäste. Durch die Belebung des Tourismus sind viele Arbeitsplätze geschaffen worden, Einheimische haben mehr Geld zur Verfügung und besuchen häufiger sein Café. Der tägliche Umsatz seines Cafés beträgt 6000 – 7000, bestenfalls 15 000 HKD. Er hat jetzt 13 Angestellte, jeder verdient durchschnittlich 6000 HKD monatlich. Sie arbeiten im Schichtdienst und haben deshalb noch einen zweiten Job.

Die härter werdende Konkurrenz im Geschäft übt Druck auf A Fan aus. Als er das Café eröffnete, gab es in der Umgebung nur fünf ähnliche Cafés, heute sind es mehr als 30. Die Lokalmiete ist von 18 000 auf 23 000 HKD pro Monat gestiegen. „Alle Geschäfte wetteifern um die Gäste. Trotz der gestiegenen Preise für Rohstoffe und die Miete wage ich es nicht, die Preise für Getränke oder Speisen auch nur um einen Dollar zu erhöhen.“

Aber A Fan hat seine eigenen Methoden. Beispielsweise können schöne Kellnerinnen junge Gäste anziehen, und in seinem Viertel gibt es viele Leute, die gern Fahrrad fahren. Deshalb sieht man viele Fotos und viele Pokale von Fahrradrennen in seinem Café, das zum Clubtreff für die Fahrradfahrer geworden ist. A Fan liebt Hunde, daher ist sein Café auch der Treffpunkt vieler Hunde-Liebhaber. Für A Fan ist es eine erfreuliche Sache, viele Gäste zu sehen, selbst wenn er dabei nicht unbedingt mehr verdient.

A Fan denkt viel nach und diskutiert auch über viele Dinge. Zum Beispiel meint er, dass inzwischen nicht wenige Leute dazu gezwungen seien, ein Café zu betreiben, denn vor ein paar Jahren wurden viele Produktionsbetriebe aufs Festland verlagert, zahlreiche Arbeitsplätze wurden in Hongkong abgebaut und vielen dazugehörigen unternehmerischen Existenzen ein Ende gesetzt. Dies sei ein Problem, dem sich die Hongkonger Regierung und die Bürger stellen müssten.

Aber A Fan hat früher nie daran gedacht, dass die Kontakte zwischen Hongkong und dem Festland immer intensiver werden. In den vergangenen zwei Jahren ist A Fan mehrmals nach Shanghai gegangen, um dort nach Investitionsmöglichkeiten im Gastronomiebereich zu suchen, leider konnte er keine passenden Partner finden. Früher war ihm die „Volkswährung“ Renminbi (RMB) kein Begriff, jetzt verfolgt er aufmerksam die Aufwertung des RMB, denn dies wirkt sich direkt auf sein Geschäft aus: Die Zutaten zahlreicher Gerichte kommen vom Festland. Die Aufwertung des RMB erhöht seine Betriebskosten. Daher hofft A Fan, dass sich die Aufwertung verlangsamt.

Wenn A Fan von den Veränderungen in den letzten Jahren spricht, steigen in ihm gemischte Gefühle hoch. Vor dem Ausbruch der Finanzkrise spekulierten viele Hongkonger an der Börse, sie mussten nicht hart für ihr Geld arbeiten und führten ein extravagantes Leben. Heutzutage steht man in Hongkong mit beiden Beinen im Leben und ist fleißig. Vor fünf Jahren kaufte A Fan für mehr als zwei Millionen HKD eine 70 qm große Wohnung, um die ihn viele Hongkonger beneiden, denn Grundstücke sind in Hongkong sehr wertvoll. A Fan ist natürlich sehr zufrieden, besonders wenn er sich daran erinnert, dass seine Eltern und neun Geschwister in einer weniger als 20 qm großen Wohnung lebten und abwechselnd schlafen mussten, weil es nicht genügend Schlafplätze gab.

A Fan zeigt sich zufrieden mit seinem jetzigen Leben. Vor kurzem ist die ganze Familie nach Japan gereist. Der größte Wunsch von A Fan ist, dass seine drei Kinder gute Menschen bleiben und ein normales Leben führen können. Er hofft, dass die Einnahmen der berufstätigen ältesten und zweitältesten Tochter noch höher werden und die jüngste Tochter die gewünschte Universität besuchen kann. Was A Fan Sorge macht, ist das Alter. Er ist froh, wenn er für seine Kinder etwas tun kann, aber nicht, wenn seine Altersversorgung von den Kindern abhängt. In ein paar Jahren wird er ein anderes kleineres Geschäft führen, bis er nicht mehr arbeiten kann.



 
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