Österreichbild in China, Analyse des Fragebogens
Von Chen Dongshuo
Um den Eindruck und die Kenntnisse der Chinesen über Österreich
zu untersuchen, verbreitete ich 20 Fragebögen auf der Zhongguancun-Straße
und im Supermarkt Carrefour. Danach wertete ich die Antworten
statistisch aus und analysierte sie. Aufgrund der Auswertung kann
man auf folgende Ergebnisse schließen:
1. Die Interviewten besitzen schon gute grundsätzliche Kenntnisse
über Österreich.
2. Die Musik macht auf die Interviewten den tiefsten Eindruck.
Außerdem kennen sie die Nahrungsmittel und den Tourismus
auch gut. Die Politik, Sprache und Malerei werden am wenigsten
wahrgenommen und sind entsprechend unbekannt.
3. Im Vergleich zu Deutschland sind die Kenntnisse der Interviewten
zu Österreich geringer. Österreich ist auch nicht ihr
ideales Land zum Leben und zum Arbeiten, wobei natürlich
auch manche Vorurteile und Missverständnisse bestehen.
4. Das Österreichbild zeigt auch das Auto-image (Selbstbild)
der Chinesen.
Analyse der Einzelwahl- und Ja-Neinfragen
Die neun Einzelwahlfragen und die fünf Ja-Neinfragen sind
ziemlich einfach. Sie sind die Grundlandeskunde Österreichs.
Durch diese Fragen möchte ich Informationen zu den grundsätzlichen
Kenntnissen der Chinesen über Österreich erhalten. Die
Ergebnisse sind besser als meine Erwartungen: Die allgemeine Rate
für richtige Antworten beträgt 74,64%. Bei acht Fragen
ist die Fehlerrate geringer als 15%, bei fünf Fragen geringer
als 10%. Nur bei einer Frage liegt die Fehlerrate über 50%
(Welche Sprache spricht man in Österreich?). Das deutet darauf
hin, dass die Interviewten gute grundsätzliche Kenntnisse
über Österreich besitzen.
Analyse der Motivwahlfragen
Bei den Motivwahlfragen möchte ich herausfinden, welche
Eindrücke die Interviewten in verschiedenen Fragestellungen
zu Österreich haben. Wer/Was aus Österreich ist am berühmtesten
in China.
Nach der Statistik steht das Wiener Neujahrskonzert am ersten
Platz, 19 der 20 Interviewten haben in ihren Antworten das Neujahrskonzert
erwähnt. Danach folgen das Schilaufen und die Blaue Donau.
Mit 15 Stimmen gehört Mozart zu den bekanntesten Österreichern
in China. Stefan Zweig ist zwar nicht der berühmteste Schriftsteller
in seinem Heimatland, ist aber der zweitbekannteste Österreicher
in China. Der dritte und der vierte sind beide Musiker: Johann
Strauss und Schubert. Auch die österreichischen Spezialitäten
sind in China bekannt. Dazu gehören der Wein (13 Stimmen),
das Bier (10 Stimmen) und die Schokolade (9 Stimmen). Aus der
Grafik können wir ersehen, dass die meisten bekanntesten
Gegenstände und Personen dem Bereich der Musik sowie Tourismus
und Nahrungsmittel entstammen.
Missverständnisse
Natürlich gibt es auch ein paar Missverständnisse.
Nur 6 von den 20 Interviewten wissen, dass die Österreicher
Deutsch sprechen. Die anderen wählen entweder Englisch oder
Österreichisch. Nur knapp mehr als die Hälfte
der Interviewten wissen, dass man in Österreich seit langem
eine parlamentarische Demokratie hat. Die anderen meinen, es gibt
noch einen Kaiser oder eine Kaiserin in Österreich.
Die Fragen in meinem Fragebogen reichen von den Bereichen Kunst,
Geschichte, Politik, Wirtschaft, Industrie, Religion, Sport, Tourismus
bis hin zur Geographie. Aus den Statistiken der Einzelwahl-, Motivwahl-
und Ja-Nein-Fragen kann man schließen, dass die Interviewten
die Musik, Nahrungsmittel und den Tourismus am besten kennen,
insbesondere haben Sie einen tiefen Eindruck von der Musik Österreichs.
Sie kennen die Politik, Sprache und Malerei Österreichs am
wenigsten. Die Kenntnisse in den anderen Gebieten sind noch unklar.
Stefan Zweig ist der zweitbekannteste Österreicher, während
nur vier der 20 Interviewten den Namen Jelinek gehört haben.
60% der Interviewten kennen den Begriff Doppel-Monarchie, während
nur 15% das Habsburger Reich kennen. Man kann nur feststellen,
es gibt einen großen Unterschied bei den Kenntnissen über
die verschiedenen Schriftsteller und Epochen auf den Gebieten
Literatur und Geschichte. Bei Wirtschaft und Industrie erwähnen
die Interviewten am häufigsten die Nahrungs-, Textil- und
Bekleidungsindustrie. Das deutet daraufhin, dass nach ihrem Eindruck
Österreich ein Land der Leichtindustrie ist. Auch die österreichischen
Unternehmen sind in China wenig bekannt.
Vergleich mit Deutschland und der Schweiz
Die Fragen aus meinem Fragebogen und die von Herrn Li sind sehr
ähnlich, sein Fragebogen bezieht sich auf Deutschland, deswegen
mache ich noch einen Vergleich zwischen Österreich und Deutschland.
Unter 13 gleichen Fragen beantworten die Interviewten 11 Fragen
über Deutschland besser als die über Österreich.
Die Ergebnisse weisen zweifellos auf bessere Kenntnisse über
Deutschland hin.
Auch bei der Frage In welchem Land wollen Sie leben und
arbeiten, Deutschland, Österreich oder der Schweiz?
wählte nur ein Interviewter aufgrund der attraktiven
Kunst Österreich. Der Gewinner ist weder Österreich
noch Deutschland, sondern die Schweiz. 12 Personen wählen
die Schweiz als ihr ideales Land. Ihre Gründe sind:
Das Leben in der Schweiz sei sicher.
Man könne eine idyllische Landschaft genießen.
Die Sozial- und Krankenversicherung in der Schweiz sei besser.
Die Schweiz sei sehr reich.
Man spreche Englisch in der Schweiz.
Auch die Interviewten, die Deutschland wählen, geben ihre
Gründe:
Die Wirtschaft und Industrie in Deutschland seien am besten unter
den drei Ländern.
Man könne einen besseren Arbeitplatz finden.
Die Modernisierung in Deutschland sei hoch.
Die Auto-image (Selbstbild)
Das Österreichbild weist auch auf das Auto-image der Chinesen
hin. Bei manchen Fragen können wir auch die Eindrücke
der Interviewten zu China herauslesen. Die Voraussetzung ist,
dass man bei der Frage überhaupt keine Ahnung von Österreich
hat. In diesem Fall schließt man auf die Situation in Österreich
aufgrund der Situation in China. Das Auto-image zeigt sich bei
der Antwort auf die Frage über Industrie und Sport sehr deutlich.
Die Antworten stellen eher die Stärken und Schwächen
des Sports und der Industrie Chinas als die Österreichs dar.
Auch die Wahl des idealen Landes zeigt die Beurteilung der Interviewten
über China. Fast alle Interviewten sind stolz auf die chinesische
Kunst und mehr als die Hälfte sind zufrieden mit der Wirtschaftsentwicklung
Chinas. Aber was jetzt in China fehlt, sind ein idyllisches Leben
und die gute Sozial- und Krankenversicherung. Deswegen wählen
sie am häufigsten die Schweiz.
Die meisten Interviewten sind gebildete Stadtbürger. Sie
gehören zu der mittleren Gesellschaftsschicht Beijings. Wegen
des geographischen Vorteils und ihrer Bidlung können sie
sich relativ gut über das Ausland informieren. Falls das
Interview in den Provinzen bzw. auf dem Land stattfände,
wären die Ergebnisse mit hoher Wahrscheinlichkeit viel schlechter
(die Kenntnisse viel geringer). Beim Interview wurden keine Fragen
zum Beruf und zum Lebensalter der Interviewten gestellt, was eine
tiefere Analyse behindert. Beim nächsten Mal wird der Fragebogen
solche Fragen beinhalten, damit eine weitere Einordnung der Ergebnisse
nach den verschiedenen Berufstätigkeiten und Altersgruppen
möglich ist.
Chen Dongshuo ist Germanistikstudent an der Peking-Universität.
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