Eheschließung
und Hochzeitsbräuche (3)
Das letzte Wort des Brautonkels mütterlicherseits bei
der Moinba-Nationalität
Moinyu an der chinesischen Grenze in Südosttibet, ein Ort
inmitten grüner Bergen und mit warmem Klima, ist die Heimat
der Moinba. Hier leben die Moinba seit Generationen. Moinba und
Tibeter haben ähnliche Gewohnheiten. Aber ihre Sitten und
Gebräuche weisen gewisse Unterschiede auf.
Es ist bei den Moinba nicht Sitte, dass die Eltern die Ehe ihrer
Kinder arrangieren. 15- bis 16-jährige Jungen und 13- bis
14-jährige Mädchen beginnen damit, Bekanntschaft mit
Vertretern des anderen Gechlechts zu machen. Bei Tänzen und
Wechselgesängen während der vielen Feste im Jahr, suchen
sie nach geeigneten Partnern. Bis zur Heirat haben sie alle mehrere
Geliebte. Nach der Heirat dürfen sie auch weiter Geliebte
haben. Uneheliche Kinder werden nicht diskriminiert.
Für die Moinba ist es bedeutungslos, welcher Nationalität
ihre Geliebten oder Ehepartner angehören. Sie interessieren
sich nur dafür, ob es Verwandte väterlicherseits sind;
denn Ehen innerhalb der Verwandtschaft väterlicherseits sind
bei den Moinba unerwünscht. Sie sind der Ansicht, Ehen zwischen
Kindern der Tante väterlicherseits und des Onkels mütterlicherseits
seien ideal. Sie sagen: Die Tochter des Onkels mütterlicherseits
darf nicht von Fremden geraubt werden.
Bei den Moinba gibt es freie Partnerwahl. Das tradtionelle Werben
um ein Mädchen ist heute eine reine Formalität, weil
man nicht gern auf die wundervollen Bewerbungszeremonien verzichten
möchte. Denn das bedeutet, dass der Bewerber je nach Finanzkraft
den Eltern seiner Geliebten Kühe, Schweine, Kleidungsstücke,
Schmuck oder Getreide als Verlobungsgeschenke überreichen
muss. Es ist unwichtig, wie viele Verlobungsgeschenke die Eltern
der Verlobten bekommen. Wichtig ist aber, dass der Bewerber seinen
Dank für das Großziehen seiner Geliebten durch deren
Eltern zum Ausdruck bringt. Gewöhnlich fällt die Mitgift
stattlicher als das Verlobungsgeschenk aus. Umfang und Wert der
Verlobungsgeschenke wie der Mitgift üben aber keinen Einfluss
auf die Behandlung der Ehefrau in der Familie ihres Ehemanns aus,
sagt man.
Der Onkel der Braut mütterlicherseits ist der vornehmste
Gast auf der Hochzeitsfeier. Er hat in allem das letzte Wort.
Während des Hochzeitsbanketts räumt man ihm den besten
Platz ein und bewirtet ihn am besten. Aber doch muss er immer
am Essen mäkeln und vor Zorn toben. Mal kritisiert er den
Gastgeber, dass der servierte Wein schlecht schmeckt, mal ärgert
er sich darüber, dass die aufgetischten Fleischgerichte verdorben
oder falsch geschnitten wären. Er überprüft immer
wieder das Fleisch, um festzustellen, ob auch von allen Teilen
des geschlachteten Tieres etwas auf den Tisch kommt. Dann schlägt
er plötzlich mit der geballten Faust heftig auf den Tisch
und schreit laut: Missfällt unsere Tochter denn hier?
Wütend steht er auf und tut so, als wolle er die Braut wieder
ins elterliche Heim bringen. Daraufhin muss die Familie des Bräutigams
schnell den Onkel der Braut beruhigen, indem man ihm repektvoll
einen Hada, Wein und Geschenke überreicht und ihn um Verzeihung
bittet. Nach einer Weile wird der Onkel der Braut mütterlicherseits
friedlich und freut sich über die Geschenke. Mit diesem scheinbaren
Skandal will er vortäuschen, der Empfang habe ihn zunächst
nicht befriedigt. Tatsächlich ist er natürlich vollkommen
zufrieden. Aber die vorgetäuschte Unzufriedenheit ist eben
Brauch bei den Moinba.
Bei den Moinba sind die Geschlechter gleichberechtigt. Der Mann
kann in die Familie der Frau einheiraten, oder umgekehrt die Frau
in die des Mannes. Ob die Braut in die Familie des Bräutigams
einheiratet oder umgekehrt, hängt davon ab, wessen Familie
mehr Arbeitskräfte braucht.
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