Xu Wenrong, der Gründer von Chinas Hollywood

Von Zhang Wenting

Hengdian, ein Filmgelände in der Stadt Dongyang mitten in der Provinz Zhejiang, wird als „Chinas Hollywood“ bezeichnet. Hier sind der nachgebaute Kaiserpalast der Qin-Dynastie, die vor mehr als 2000 Jahren China zum ersten Mal vereinte, ein Teil der Verbotenen Stadt und das Tian’anmen (Tor des Himmlischen Friedens) aus Beijing, die nach dem Verhältnis 1:1 errichtet wurden, sowie ein nach dem berühmten altchinesischen Gemälde „Qingming Shanghe Tu“ (Frühling am Bianhe-Fluss) gebauter Park zu finden. Einige hundert Filme bzw. Fernsehfilme, darunter die Filme „Der Fluch der goldenen Blume“ und „Hero“ von Zhang Yimou, wurden teilweise oder ganz an diesem Drehort produziert. Vor 30 Jahren war Hengdian nur ein entlegenes Dorf, das von der Außenwelt kaum wahrgenommen wurde. Nun arbeiten hier in den Spitzenzeiten jeden Tag gleichzeitig über zehn Filmteams. Jährlich werden knapp fünf Millionen Touristen empfangen.

Filmtraum eines Unternehmers vom Land

Der 72-jährige Xu Wenrong ist der Gründer der Hengdian-Gruppe und des gleichnamigen Filmgeländes. Bevor er ein privater Unternehmer wurde, war er als Zimmermann, Bauer und Buchhalter sowie in einer Handelsgenossenschaft tätig. Sein höchster Posten war der Parteizellensekretär der Produktionsbrigade Hengdian. Anfang der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts beschaffte Xu Wenrong 2000 Yuan und gründete die erste Seidenspinnerei der Volkskommune, aus der sich die heutige Hengdian-Gruppe mit mehr als 200 Tochterfirmen und einem Gesamtvermögen von einigen Milliarden Yuan entwickelt hat. Die Hengdian-Gruppe zählt zu den 500 Top-Unternehmen Chinas.

Xu Wenrong erinnert sich, dass er aus einem Zufall heraus das Film- und Fernsehgebiet betrat. 1995 traf er zufällig den Regisseur Xie Jin, der sich darum sorgte, einen Drehort für den historischen Film „Opiumkrieg“ zu finden. Vorher hatte Xu Wenrong die „Film- und Fernsehstadt“ in Wuxi besucht. Danach trug er ständig den Gedanken mit sich herum, dasselbe in Hengdian zu machen. Es fehlte nur eine Gelegenheit. Nun waren sich Xie Jin und er schnell einig. Xu Wenrong entschied sofort, speziell für den Film „Opiumkrieg“ eine Straße der Stadt Guangzhou aus dem 19. Jahrhundert nachzubauen.

Aus den Dörfern des Gebiets Hengdian wurden sofort 120 Baubrigaden gebildet. Damit entstand die „Guangzhou-Straße“ innerhalb von ein paar Monaten. Durch den Film „Opiumkrieg“ machte sich Hengdian sofort einen Namen. Ein Auftrag folgte dem nächsten.

1997 kam der Regisseur Chen Kaige, der seinen Film „Der Kaiser und sein Attentäter“ vorbereitete, mit der Planskizze des Palastes des Qin-Königs, für die er vier Jahre aufgewendet hatte, zu Xu Wenrong. Sofort entschied Xu Wenrong, in den Bau eines Palastes der Qin-Dynastie zu investieren. Zwar gab es kein historisches Informationsmaterial, aber es gelang Xu Wenrong und seinen Handwerkern, die Bauarbeiten innerhalb von acht Monaten fertig zu stellen, womit Chen Kaige so zufrieden war, dass er später seinen Film „Wu Ji – Die Reiter der Winde“ auch hier drehte. Aber die beiden Filme von Chen Kaige waren auf dem Markt nicht so erfolgreich wie gehofft, während Zhang Yimou mit seinem Film „Hero“, der ebenfalls im Qin-Palast in Hengdian produziert wurde, ca. 250 Millionen Yuan einspielte.

Auf Vorschläge vieler Mitarbeiter, die mit dem Film beschäftigt waren, ließ Xu Wenrong den weltberühmten Kaiserpalast in Beijing nachbauen. Diejenigen, die Vorschläge machten, sagten, dass man für eine Stunde einige tausend Yuan ausgeben muss, wenn man einen Film im Kaiserpalast in Beijing drehen will. Und davor müsse man mehrmalige Überprüfungen überstehen und während der Filmaufnahmen gäbe es noch eine Reihe von Einschränkungen. Als ein scharfsinniger Geschäftsmann beschloss Xu Wenrong sofort, in Hengdian einen Kaiserpalast im Ming- und Qing-Stil zu errichten.

Jeder, der den nachgebauten Kaiserpalast in Hengdian sieht, ist von seiner Ähnlichkeit mit dem Kaiserpalast in Beijing, von der Größe, der Struktur bis zum Chengtian-Tor, das das Tian’anmen (Tor des Himmlischen Friedens in Beijing) imitiert, sehr begeistert. „Damals hatten wir weder Bauplan noch technisches Personal. Außerdem erlaubte die Verwaltung des Beijinger Kaiserpalastes uns nicht, diesen zu vermessen“. Schließlich nahm Xu Wenrong 17 Handwerker mit nach Beijing, um den Kaiserpalast zu besuchen und ihn mit den Füßen Schritt für Schritt zu vermessen.

Die Bauarbeiten am „Kaiserpalast“, der eine Fläche von 100 Hektar hat und 2,7 Milliarden Yuan kostete, dauerten von 1998 bis 2005. „Außer einigen Nebengebäuden haben wir den ganzen Kaiserpalast in Beijing nachgeahmt, einschließlich des Tores des Himmlischen Friedens.“ Zwar gab es verschiedene Meinungen dazu, dass Xu Wenrong den Beijinger Kaiserpalast nach dem Verhältnis 1:1 nachbauen ließ, aber er selbst ist sehr stolz darauf. „Ein großer Unterschied ist, dass es bei uns noch Siheyuans (Anwesen mit ebenerdigen Häusern um einen viereckigen Hof) und Hutongs (Gassen) gibt, die im Kaiserpalast in Beijing nicht zu finden sind. Damit versuchen wir, den Anforderungen vieler Filmteams gerecht zu werden.“ 2006 empfing der Kaiserpalast Hengdians den berühmten Regisseur Zhang Yimou mit seiner Arbeitsgruppe für den groß angelegten Film „Der Fluch der goldenen Blume“.

In einem Zeitraum von mehr als zehn Jahren ließ Xu Wenrong in Hengdian 13 Filmkulissen bauen, darunter die Hongkong-Straße, den Palast des Qin-Königs, den Park, der nach dem Gemälde „Qingming Shanghe Tu“ gebaut wurde, und den Ming- und Qing-Palast, dessen Vorbild der Kaiserpalast in Beijing ist. Damit hat sich Hengdian auch einen Namen im Ausland gemacht. Das US-amerikanische Magazin „The Hollywood Reporter“ nennt Hengdian „Chinas Hollywood“, was man in China gerne hört.

Ein kleines Dorf wurde verändert

Auf die Frage, warum er das Filmgelände gründete und weiter entwickeln will, antwortet Xu Wenrong, weil es ermöglicht, dass die Dorfbewohner fern der Großstädte ein reicheres Leben führen und unmittelbar vor der Haustür das Kulturerbe aus verschiedenen Landesteilen besichtigen können. Außerdem hat das Filmgelände selbstverständlich dazu beigetragen, die wirtschaftliche Unterentwicklung Hengdians zu beiseitigen und die Einkommen der lokalen Bevölkerung zu erhöhen.

„Wir bieten nicht nur das Gelände an, wir können auch Requisiten herstellen und Statisten empfehlen. Beispielsweise wurden die Streitwagen im Film ,Der Fluch der goldenen Blume‘ von uns hergestellt. Wir haben also eine Reihe an Serviceleistungen zu bieten“, sagt Xu Wenrong stolz.

„Bei uns kann fast jedes Filmteam die Kosten um 10–15% reduzieren, verglichen mit anderen Möglichkeiten“. 1999 hat Xu Wenrong entschieden, das Gelände in Hengdian kostenlos zur Nutzung frei zu geben. Zwar konnten viele Mitarbeiter der Hengdian-Gruppe seine Entscheidung nicht verstehen, aber die Tatsachen beweisen, dass er das Richtige getan hat. Dank dieser Firmenpolitik kommen immer mehr Filmteams nach Hengdian, was die schnelle Entwicklung der lokalen Dienstleistungsbranchen, z. B. Unterkunft und Gastronomie, sehr gefördert hat. Allein 2005 sind mehr als 90 in- und ausländische Filmteams hier gewesen. Bisher sind über 6000 Filme bzw. Teile von Fernsehfilmen in Hengdian gedreht worden, darunter viele landesweit sehr bekannte. Nach Aussage eines Mitarbeiters arbeiten an manchen Tagen mehr als 20 Filmteams in Hengdian, im Durchschnitt sind es täglich etwa zehn.

Dementsprechend entstanden in der Umgebung von Hengdian „Statisten-Dörfer“. Beispielsweise sind die meisten Bewohner der umliegenden acht Dörfer, darunter Yangdian, Hengshan, Liangdu, Yanqian und Yatang, als Statisten bei Filmproduktionen gebucht. Fast jeder Bewohner dieser Dörfer hat in einem Film eine Statistenrolle gespielt. Laut unvollständiger Statistik arbeiteten die Bewohner des Dorfes Yangdian, nah vom „Qingming Shanghe-Park“, in einem Zeitraum von anderthalb Monaten 4796 Stunden als Statisten und 632 Stunden als engagierte Schauspieler. Ihre Honorare betrugen von 30 Yuan bis zu einigen hundert Yuan täglich. Die Dorfbewohner sind Xu Wenrong sehr dankbar. Im Gebiet Hengdian gibt es 42 100 Arbeitskräfte. Dank des Filmgeländes liegt die Beschäftigungsrate bei 99%.

Der neue Plan: den früheren kaiserlichen Park Yuanmingyuan (den Alten Sommerpalast) nachzubauen

„Es ist mein lang gehegter Wunsch, den Yuanmingyuan in Hengdian wieder aufzubauen. Bereits vor 15 Jahren plante ich das Gelände am Bamianshan-Berg dafür. Aber damals wollte ich nur eine Stätte für Filmproduktionen einrichten.“ Offenbar hat Xu Wenrong nun eine andere Idee: „Wir wollen einen neuen Yuanmingyuan bauen und ausnahmslos echtes Baumaterial wie echten weißen Marmor verwenden. Es gab im Yuanmingyuan mehr als 140 Brücken, auch Gebäude im französischen Stil usw., was wir alles nachbauen werden!“ Zwar ist Xu Wenrong schon über 70 Jahre alt, er hat aber immer noch die Leidenschaft eines jungen Mannes.

Da der ehemalig kaiserliche Yuanmingyuan-Park einen besonderen historischen Hintergrund hat – er wurde 1860 von den britisch-französischen Alliierten zerstört und bis heute nicht wieder hergestellt, zweifeln viele Leute an seinen Motiven. Dazu sagt Xu Wenrong missbilligend: „Viele Leute nehmen an, dass ich daraus einen Vorteil ziehen würde. Ich bin schon 72 Jahre alt, wonach will ich streben? Und ich werde über 80 Jahre alt sein, wenn der Yuanmingyuan fertig gestellt ist, was habe ich denn davon? Ich hoffe nur, dass der Yuanmingyuan in 100 Jahren oder noch später etwas mehr überbleibt als von den heutigen Ruinen.“

„Es ist nicht schwer, das Erscheinungsbild des Yuanmingyuan nachzubauen. In der Stadt Dongyang, zu der Hengdian gehört, stehen erstklassige Handwerker für Holzschnitzerei, Gartenbaukunst und andere Bereiche der traditionellen chinesischen Baukunst zur Verfügung. Darüber hinaus haben wir beim Bau des Filmgeländes Hengdian zahlreiche Erfahrungen gesammelt“. Trotzdem sagt Xu Wenrong offen: „Gegenwärtig sind wir bei der inneren Einrichtung der Gebäude des Yuanmingyuan nicht ganz sicher.“

Um dieses Problem zu lösen, hat Xu Wenrong Experten an verschiedenen Orten, darunter vor allem Beijing, besucht und viel Material über den Yuanmingyuan gesammelt. „Wir werden kein Mittel unversucht lassen, um den Yuanmingyuan nachzubauen“, so sagt Xu Wenrong.

Nach erster Berechnung nimmt der Nachbau des Yuanmingyuan mindestens 20 Milliarden Yuan in Anspruch. „4 Milliarden Yuan für das Gelände und den Bau von Gebäuden, mindestens 2 Milliarden Yuan für die innere Einrichtung und weitere 14 Milliarden Yuan für die Rückgewinnung bzw. den Nachbau von Kulturgegenständen des Yuanmingyuan. 20 Milliarden Yuan bilden nur einen Anfang, weil man mindestens 500 Milliarden Yuan braucht, um alle ins Ausland gebrachten Kulturgegenstände des Yuanmingyuan zurückzubekommen“. Was die Beschaffung des Kapitals betrifft, sagt Xu Wenrong, dass er ausländische Investoren einbeziehen oder um gesellschaftliche Spenden bitten will. „Aber ich habe nicht vor, staatliche Subvention zu beantragen, Kredite bei der Bank aufzunehmen oder Geldmittel von den der Hengdian-Gruppe unterstehenden Einheiten zu holen.“

Nach dem Plan von Xu Wenrong ist die Zeit von jetzt bis 2008 die Vorbereitungsphase für den Nachbau des Yuanmingyuan. Dieses große Projekt wird erst im Jahr 2009 offiziell beginnen. „Wir versuchen, dass 60–70% der Kulturgegenstände des Yuanmingyuan zum Jahr 2020 wiederbeschafft oder nachgebaut werden können“. Was dies betrifft, ist Xu Wenrong voller Zuversicht.

 
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