Das chinesische Eigentumsgesetz
 |
 |
Als chinesisches Gesetzgebungsorgan
sieht sich der chinesische Nationale Volkskongress heute mit schweren
Aufgaben konfrontiert. Im Zuge der Entwicklung der Marktwirtschaft
bilden sich neue wirtschaftliche und gesellschaftliche Verhältnisse,
bei deren Regulierung es rechtlicher Bestimmungen bedarf. Gesetzgebung
wird zur dringenden Aufgabe. Auf der 5. Tagung des X. Nationalen
Volkskongresses lenkten zwei zu verabschiedende Gesetze, das Eigentumsgesetz
der Volksrepublik China und das Gesetz der Volksrepublik
China über Körperschaftssteuern der Unternehmen
weltweite Aufmerksamkeit auf sich. Das erstere formuliert grundsätzlich
den Schutz von Privateigentum durch den Staat, das letztere gewährleistet
fairen Wettbewerb und eine weitere Optimierung des Marktes. In
den folgenden drei Artikeln wird über die Entstehung und
Bedeutung der beiden Gesetze und über wichtige Anregungen
zu Gesetzentwürfen durch einen aus dem ländlichen Gebiet
stammenden Abgeordneten berichtet.
Als um 10 Uhr am 16. März 2007 in der Volkskongresshalle
verkündet wurde, dass das Eigentumsgesetz der Volksrepublik
China mit 2799 Jastimmen angenommen wurde, ertönte
auf dem Kongress lauter Beifall. Der Entwurf dieses Zivilgesetzes
hatte in der Geschichte der durch den Nationalen Volkskongress
geführten Gesetzgebung die bisher größte Anzahl
von Beratungen durchlaufen. In den vorangegangenen 13 Jahren wurde
über den Gesetzentwurf siebenmal beraten. Es handelte sich
schließlich um den Entwurf eines Gesetzes, das den Schutz
des Privateigentums definitiv festlegt. Sowohl der Gesetzgebungsprozess
als auch sein rechtlicher Inhalt sind von revolutionärer
Bedeutung.
Als Rechtsexpertin erinnert sich Abgeordnete Chen Shu heute noch
deutlich daran, wie sie zum ersten Mal mit dem Gesetzentwurf im
Jahr 2004 zu tun bekam. Damals wurde sie eingeladen, der 12. Sitzung
des Ständigen Ausschusses des X. Nationalen Volkskongresses
beizuwohnen. Ein Programmpunkt dieser Sitzung bezog sich auf die
zweite Beratung über den Gesetzentwurf.
Aufgeregt sagte sie: Wider meiner Erwartung wurde mein
Vorschlag, den ich auf der Sitzung gemacht habe, angenommen.
Das Prinzip der öffentlichen Bekanntgabe ist grundlegend
für das Eigentumsgesetz. In der Praxis der Vergangenheit
kam es oft vor, dass Erkundigungen über die Eintragung von
Immobilien durch künstliche Barrieren unmöglich gemacht
wurden, so dass die Öffentlichkeit sich nicht über die
Eigentumsverhältnisse informieren konnte. Aus diesem Grund
machte sie damals einen Vorschlag, dass der Zugang zu Informationen
über eingetragene Immobilien vereinfacht werden sollte. So
steht es im vom Aufbauministerium im Oktober 2006 verkündeten
Vorläufigen Verfahren über die Einholung von Informationen
über Immobilienbesitz: Institutionen und Personen
können sich bei der zuständigen Stelle über eingetragenen
Immobilienbesitz öffentlich erkundigen. Chen Shu wurde
dadurch bestärkt, dass ihr Vorschlag zu diesem Ergebnis geführt
hat.
Im November 2004 nahm sie auf Einladung wieder an einer Besprechung
über die Ausarbeitung des Entwurfs des Eigentumsgesetzes
in Beijing teil. Dabei schlug sie vor, hinsichtlich der häufigen
Überschneidungen bei der Eintragung von Häusern und
der Eintragung von Grundstücken eine Vereinheitlichung für
Immobilien durchzuführen, damit der Verwaltungsaufwand für
Hauseigentümer verringert wird. Auch dieser Vorschlag findet
sich in der letzten Fassung des Eigentumsgesetzes, wie es dem
Nationalen Volkskongress zur Verabschiedung vorgelegt wurde: Der
Staat führt ein einheitliches System zur Eintragung von Immobilien
ein. Frau Chen nahm viermal an den Beratungen über
das Eigentumsgesetz (Entwurf) teil. Jedes Mal führten
ihre Anregungen zu neuen Abänderungen.
Im Juli 2005 wurde der ganze Text des Eigentumsgesetzes
(Entwurf) der Öffentlichkeit bekannt gegeben. Es wurden
insgesamt über 10 000 Vorschläge von Menschen verschiedenster
sozialer Herkunft gemacht. Die Kommission für Gesetzgebung
des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses
hat hintereinander mehr als 100 Besprechungen und einige Symposien
veranstaltet. Der Sinn bestand in der Einbeziehung von Stimmen
aus dem Volk und der Berücksichtigung von Expertenmeinungen.
Vom Beginn der Ausarbeitung des Gesetzentwurfes bis zu dessen
Verabschiedung im Jahr 2007 sind 13 Jahre vergangen, in dieser
Zeit durchlief er siebenmal Beratungen beim Ständigen Ausschuss
des Nationalen Volkskongresses, bei denen allerdings wegen
größerer Meinungsverschiedenheiten beschlossen
wurde, die Abstimmung zunächst zu verschieben.
Der leitende Mitarbeiter eines Forschungsinstituts Liang Huixing
ist einer der Experten, die mit der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs
beauftragt wurden. Vor einigen Jahren stellte er bereits fest:
In China ist auch zukünftig für einen längeren
Zeitraum damit zu rechnen, dass Eigentumsrechte nicht anerkannt
werden und das Volk nicht viel vom Charakter des Rechts auf Eigentum
weiß. Im Hinblick darauf kann vorausgesagt werden, dass
die Mitarbeiter der Gesetzgebungsorgane und Rechtswissenschaftler
große Anstrengungen auf sich nehmen müssen, bevor das
Gesetz verabschiedet werden kann. Heute ist der Prozess
der Entstehung des Eigentumsgesetzes sein Lieblingsthema.
Chen Shu weist mit Nachdruck darauf hin, dass viele Bestimmungen
im Eigentumsgesetz prinzipiellen Charakter haben und
örtliche Behörden zu vielen konkreten Fragen noch Ausführungsbestimmungen
erlassen sollen.
Gleicher Schutz des Rechts: Öffentliches Eigentum und
Privateigentum
Zhang Tianliang, Stadtbewohner von Beijing, sagt, dass die Frage,
die ihn während der Tagungen des Nationalen Volkskongresses
und der Politischen Konsultativkonferenz am meisten beschäftigte,
sich darauf bezog, ob das Eigentumsgesetz angenommen
werden würde. Nachdem er von der reibungslosen Verabschiedung
des Gesetzes erfahren hat, ist ihm ein Stein vom Herzen gefallen.
Denn: Ich bin im vorigen Jahr in eine neue Wohnung eingezogen,
aber die Parkgebühren in diesem Wohnviertel sind sehr hoch.
Wir Hauseigentümer haben mit der Firma der Hausverwaltung
lange verhandelt, aber kein Ergebnis erzielt. Das ,Eigentumsgesetz
enthält ausführliche Bestimmungen über das Eigentumsrecht
in Bezug auf Grünflächen und Parkplätze im Wohnviertel.
Damit haben wir eine rechtliche Handhabe bei der Wahrnehmung unserer
Rechte. Noch wichtiger ist, dass die Frist von 70 Jahren für
das Besitzrecht für Eigentumswohnungen nach Ablauf automatisch
verlängert wird. Wir befürchten nun nicht mehr, dass
die Wohnung nach 70 Jahren eingezogen werden wird. Zhang
freut sich sehr darüber, dass seine auf Kredit gekaufte Wohnung
unzweideutig ihm gehört.
Seit der Durchführung von Reform und Öffnung ist eine
Reihe von Privatunternehmen aus der parallelen Existenz von verschiedensten
Formen des Gemeineigentums und des sich nicht im gemeinschaftlichen
Besitz befindlichen Eigentums und auch aus der fortschreitenden
Wirtschaftsentwicklung entstanden, wobei das Privateigentum der
Bevölkerung in dieser Zeit enorm gestiegen ist. In der revidierten
Verfassung von 1988 wurde der Privatwirtschaft eine
entsprechende Stellung eingeräumt. 1993 wurde die Marktwirtschaft
durch eine Abänderung der Verfassung darin aufgenommen. In
der Verfassung von 1999 wurde deutlich festgelegt: Der Staat
schützt die legitimen Rechte und Interessen der Einzel- und
Privatwirtschaft. Die Experten weisen darauf hin, dass die
Verabschiedung des Eigentumsgesetzes die endgültige Etablierung
des Systems der Marktwirtschaft in China kennzeichnet.
Wir Privatunternehmer warten schon seit mehr als zehn Jahren
auf das ,Eigentumsgesetz. Dieser Wunsch ist endlich in Erfüllung
gegangen, sagt Liu Yonghao, Vorstandsvorsitzender der New
Hope Group. Er sagt, dass der Staat bei der Reform und Öffnung
grundsätzlich eine Politik verfolgt, die einen Teil der Regionen
und einen Teil der Bevölkerung zuerst reich werden lässt.
Diese Menschen besitzen neben dem Familienvermögen auch Produktionsmittel,
die sie unter Zuhilfenahme legitimer Mittel erworben haben. Diese
sollen natürlich auch vom Staat geschützt werden. In
Wirklichkeit hat das ,Eigentumsgesetz einen noch breiteren
Geltungsbereich. Es schützt nicht nur Privatunternehmen,
sondern auch jeden Bürger, die Unternehmen mit auswärtigem
Kapital und staatliche Unternehmen sowie sämtliches gesetzmäßig
erworbenes Eigentum. Er meint, dass das Eigentumsgesetz
noch mehr Unternehmen und Privatpersonen dazu ermuntern wird,
durch eigene Arbeitsleistung Reichtum zu erwerben und damit zur
Prosperität der Wirtschaft des Landes beizutragen.
Darüber hinaus führt das Eigentumsgesetz
noch eine Umwandlung des Verständnisses vom Eigentum herbei.
Dazu sagt Liu Min, Postgraduierter an der Chinesischen Universität
für Rechts- und Politikwissenschaften: Wir sind von
klein auf im Sinne erzogen, dass die Interessen von Staat und
Kollektiv über allem stehen. Nun erkennt das ,Eigentumsgesetz
offiziell an, dass die Interessen von Privatpersonen den Interessen
von Staat und Kollektiv ebenbürtig sind und geschützt
werden. Darin liegt wohl die größte Bedeutung dieses
Gesetzes. In der Tat wurden in der traditionellen chinesischen
Erziehung die Interessen von Privatpersonen den Interessen von
Staat und Kollektiv untergeordnet. Im Eigentumsgesetz
ist definitiv verankert: Das Eigentumsrecht des Staates,
des Kollektivs und von Privatpersonen sowie von anderen Rechtspersonen
wird gesetzlich geschützt.
Deng Xinmin, Abgeordneter und Sekretär des Parteikomitees
der Stadt Suining, Provinz Sichuan, sagt: Das Wichtigste
ist die klare Festlegung des Eigentumsrechts an Ackerböden,
Häusern usw. Damit ist eine große Sorge der Masse der
Bevölkerung beseitigt worden. Derartigen Schutz hat es früher
nicht gegeben.
Qiao Zhanshan ist ein Abgeordneter und Vorsteher des Dorfkomitees
von Bajialiang im Kreis Huanglong, Provinz Shaanxi. Er sagt: Was
den Bauern am meisten am Herzen liegt, ist die Frage der Ackerböden.
Das Eigentumsgesetz gewährt den Bauern eine Bestätigung
ihres Pachtrechts und Nutzungsrechts über Ackerböden,
zudem wird noch festgelegt, dass die Pachtfrist 30 Jahre beträgt.
Damit können die Bauern einen langfristigen Plan zur Nutzung
von Ackerböden erstellen, was die Entwicklung der Produktion
fördert.
|