Eheschließung und Hochzeitsbräuche (1)
Hochzeitsbräuche der Bevölkerung in Kamba in Mitteltibet
Die Hochzeitsbräuche der Bevölkerung in Kamba in Mitteltibet
sind gewissermaßen repräsentativ für Tibet. Die
Eheschließung erfolgt in vier Etappen: Ehevermittlung, Abholen
der Braut, Hochzeitsfeier und Besuch der Eltern der jungen Ehefrau.
Auch bei anderen Nationalitäten werden ähnliche Bräuche
gepflegt. Aber doch unterscheiden sich die vier Eheschließungsetappen
der Tibeter von denen der anderen Nationalitäten.
Ehevermittlung Wenn ein junger Mann sich in ein Mädchen
verliebt, muss er einen seiner Freunde oder Verwandten bitten,
die Ehe zu vermitteln. Er kann auch einen Verwandten des Mädchens
bitten, ihm diesen Dienst zu erweisen. Auf keinen Fall aber darf
er selbst Kontakt zu dem Mädchen aufnehmen wollen. Der Ehevermittler
muss mit Buttertee und Qingke-Gerstenwein die Eltern des Mädchens
besuchen, um sie zu bewegen, ihre Tochter an den jungen Mann zu
verheiraten. Wenn die Eltern des Mädchens die mitgebrachten
Getränke entgegennehmen, bedeutet dies, dass sie mit der
Eheschließung einverstanden sind. Aber wenn sie es ablehnen,
die Geschenke anzunehmen, ist es unmöglich, eine Eheschließung
zu erzielen. Sollte der Bewerber den ersten Engpass
passiert haben, kann er einen glückverheißenden Tag
auswählen und mit Buttertee und Qingke-Gerstenwein zu den
Eltern des Mädchens gehen, um ihnen für ihr Einverständnis
zu danken. Ferner muss er der Mutter des Mädchens eine Schürze
schenken, um ihr dafür zu danken, dass sie ihre Tochter geboren
und aufgezogen hat. Aber es ist nicht unbedingt notwendig, auch
dem Vater des Mädchens Geschenke zu machen. Wenn der künftige
Bräutigam möchte, bringt er dem Vater seiner künftigen
Frau ein oder zwei Kleidungsstücke mit. Dann legen beide
Seiten den Termin für das Abholen der Braut fest. Gewöhnlich
wählt man dafür den 8., den 15. oder den 30. eines Monats
nach dem traditionellen tibetischen Kalender aus. Oder man wählt
den Freitag oder Samstag, die in Kamba als glückverheißende
Tage angesehen werden. Es ist aber tabu, die Braut am Sonntag
ins neue Heim zu bringen. Beide Seiten werden sich bemühen,
das Ehearrangement einzuhalten. Ein Bruch des Arrangements bedeutet
Schande für den Vertragsverletzer.
Abholen der Braut Beide Seiten bereiten sich auf das Abholen
der Braut vor. Zuerst wird ein Termin festgelegt. In Kamba werden
die 24 Stunden eines Tages in verschiedene Einheiten eingeteilt
und nach bestimmten Tieren benannt. Zum Beispiel ist die Morgendämmerung
die Zeit des Tigers, der Tagesanbruch die Zeit des Kaninchens,
der Sonnenaufgang die Zeit des Drachen, der Vormittag die Zeit
der Schlange, der Mittag die Zeit des Pferdes und so weiter. Es
ist tabu, die Braut in der Zeiteinheit abzuholen, in der die Blutsverwandten
beider Seiten geboren wurden. Zum geplanten Termin wird eine Empfangsgruppe
mit gerader Personenzahl ins Haus der Braut geschickt, um sie
abzuholen. Die Braut zieht erst dann das Hochzeitskleid an, wenn
dieses Empfangspersonal erscheint. Freunde und Verwandte begleiten
die Braut zum Bräutigam. Sie bringen ihm auch Geschenke mit.
Die Namen der Geber werden in eine Liste eingetragen, damit die
Neuvermählten diese als ihre Gäste einladen können.
Das Empfangspersonal reitet, wenn es die Braut abholt. Für
die Braut ist es tabu, direkt ins Haus des Bräutigams einzutreten.
Unterwegs muss sie vom Pferde steigen, um eine Empfangszeremonie
über sich ergehen zu lassen. Ein Mädchen oder eine junge
Frau überreicht der Braut im Namen des Bräutigams einen
Willkommensbecher. Diesen leert sie und steigt dann wieder aufs
Pferd, um bis vor das Haus des Bräutigams zu reiten. Bevor
sie in sein Haus eintritt, muss sie einen Ast, der ihre Seele
symbolisiert, auf dem Altar vor dem Haus einpflanzen. Danach folgt
ein Wettstreit, in dem wechselseitig gefragt und geantwortet wird.
Dann holt die Mutter des Bräutigams die Braut vom Pferde,
überreicht ihr einen Melkeimer und eine Leine, mit der man
Kühe anbindet. Unmittelbar danach vollführt die Braut
unter Führung der Schwiegermutter drei Umdrehungen um den
großen weißen Stein, den Sack mit Schafmist, den Altar
und den Seelenbaum vor dem Haus des Bräutigams.
Nun erst darf die Braut ins Haus des Bräutigams eintreten.
Hochzeitsfeier Auf die Empfangszeremonie folgt die Hochzeitsfeier.
In Kamba dauert die Hochzeitsfeier, je nach finanzieller Lage
der Familie des Bräutigams, mehrere Tage, manchmal sogar
mehr als zehn. Während dieser Zeit finden entsprechende Zeremonien
statt. Das wichtigste sind aber die Glückwünsche der
Gäste für das Hochzeitspaar. Der Gastgeber bietet den
Gästen ein reiches Mahl. Man trinkt nach Herzenslust und
singt ausgelassen. Am zweiten Tag kommen die Eltern der Braut
mit der Mitgift, um an der Hochzeitsfeier teilzunehmen. In aller
Öffentlichkeit übereichten sie ihrem Schwiegersohn die
Mitgift. Sänger werden eingeladen, die die Stimmung weiter
heben. Ihre Lieder handeln vom Alltag. Die Hochzeitsfeier ist
während der tagelangen Dauer stets ein Freudenfest, das alle
Gäste begeistert.
Kurz nach der Hochzeitsfeier müssen die Neuvermählten
dann die Eltern der Ehefrau besuchen. Dafür gibt es keine
besondere Zeremonie, aber man lädt die Verwandten und Freunde
zum Essen ein, die zur Hochzeit Geschenke gebracht haben. Auch
mit diesen Gästen wird einige Tage lang gefeiert. Die Familie
des Bräutigams hat das Essen zu bezahlen. Alle übrigen
Kosten übernehmen nahe Verwandte und gute Freunde der Familie
der Braut.
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