Wirtschaftliche Entwicklungspolitik für Tibet (3)

Der Geist von vier Arbeitskonferenzen für Tibet

Um eine gute Basis für die Wirtschaftsentwicklung in den ländlichen und Weidegebieten zu schaffen, die den Bauern und Hirten schneller zu Wohlstand verhelfen sollte, hielt das Zentralkomitee der KP Chinas im März 1980 in Beijing seine erste Arbeitskonferenz für Tibet ab. Auf dieser Konferenz wurde beschlossen, entsprechend den Gegebenheiten in Tibet durch politische Lockerung Maßnahmen zu ergreifen, die das Leben der Bauern und Hirten allmählich verbessern sollten. Das Parteikomitee und die Volksregierung des autonomen Gebiets sind aufgrund tief gehender Untersuchungen und gemeinsamer Erkenntnisse zu einheitlichen Auffassungen gekommen und haben zahlreiche konkrete Maßnahmen zur Armutsbeseitigung getroffen. Diese ließen sich mit den vier Begriffen „lockern, erlassen, erleichtern und sicherstellen“ charakterisieren. „Lockern“ bedeutete politische Lockerung. Dabei wurden die Befugnisse der Brigaden, Gruppen und Haushalte respektiert, für sich selbst entscheiden zu dürfen. „Erlassen“ hieß, die Agrarsteuer und Abgaben für die Viehhaltung zu erlassen und Pflichtkäufe aller Art aufzuheben. „Erleichtern“ bezog sich auf die verminderte Belastung der Bauern und Hirten, und „Sicherstellen“ bedeutete, die Versorgung des Gebiets zu sichern. Die politische Entscheidung, Agrarsteuern und Abgaben zu erlassen, motivierte die Bauern und Hirten in ihrer Tätigkeit. Im Vergleich zu der Zeit vor den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts konnten sie nun für sich selbst arbeiten und mussten nicht mehr die erdrückenden Steuern und Abgaben entrichten.

Zwischen Februar und März 1984 konferierte das Zentralkomitee der KP Chinas in Beijing zum zweiten Mal über die Arbeit in Tibet. Entsprechend der tatsächlichen Wirtschaftsentwicklung wurden den ländlichen und Weidegebieten weitere Begünstigungen eingeräumt. Es wurde festgelegt, dass in ländlichen Gebieten die Haushalte den Boden nutzen durften, auf dem sie selbständig wirtschafteten. Das sollte langfristig unverändert so bleiben. Für die Weidegebiete hieß es entsprechend, die Haustiere gehörten zum Haushalt. Sie waren privates Eigentum, sofern die Haushalte selbständig wirtschafteten. Auch dies blieb langfristig unverändert. Diese Politik arbeitete das Zentralkomitee der KP Chinas nach Zusammenfassung der Erfahrungen nach 1980 aus. Das politische Ziel war es, Voraussetzungen für den Wohlstand in Tibet zu schaffen. In der zweiten Aprildekade im gleichen Jahr veranstaltete das Parteikomitee des Autonomen Gebiets Tibet in Lhasa die zweite Tagung des erweiterten ständigen Ausschusses des dritten Parteitags, um den Geist der Arbeitskonferenz für Tibet durchzusetzen. Auf der Tagung wurde über die weitgehende Befreiung des Denkens, das Festhalten am Wirtschaftsaufbau als Mittelpunkt und die Beschleunigung der wirtschaftlichen Entwicklung diskutiert und Bestimmte politische Bestimmungen des Parteikomitees des autonomen Gebiets über die ländlichen und Weidegebiete ausgearbeitet. Der Hauptinhalt lautete: a) Der Erlass der Agrarsteuer und der viehwirtschaftlichen Abgaben gilt bis 1990. b) Die Dauer der vertragsmäßigen Übernahme von Boden und Haustieren beträgt 30 Jahre, diese Zeitdauer ist unveränderlich; die Dauer der vertragsmäßigen kollektiven Übernahme von Forst, kargen Bergen und Ödland beträgt 50 Jahre; diese Zeitdauer ist ebenfalls unveränderlich. Zur Förderung der Wirtschaft werden Erschließungen weitergeführt. c) Der planmäßige Pflichtaufkauf von Getreide, Butteröl und Fleisch wird aufgehoben. Der Markt für land- und viehwirtschaftliche sowie nebengewerbliche Produkte ist ganzjährig offen. An- und Verkauf werden frei gestaltet. d) Arbeitseinheiten oder Individuen dürfen Mehrkosten nicht auf die Volksmassen umlegen. Zuschüsse für die Kader der Kommunen und Brigaden zahlen die lokalen Finanzbehörden. Beihilfe zum Lebensunterhalt für die Bauernhaushalte, die sich der „Fünf Garantien“ erfreuen, kommt aus der Sozialhilfe. e) Die Selbstentscheidungsbefugnisse der Bauern und Hirten in der Produktion und Wirtschaftsführung werden garantiert. Anbau- und Zuchtpläne werden nicht festgelegt. f) Die von Kreisen und dem autonomen Gebiet betriebenen Grund- und Mittelschulen sind verantwortlich für Essen, Kleidung und Unterbringung der Schüler. Die Kosten übernimmt der Staat. g) Der Aufbau einer vielseitigen Wirtschaft wird gefördert. Verschiedene Spezial- und Schwerpunkthaushalte werden unterstützt. Aushilfen und Lehrlinge dürfen beschäftigt werden. h) Den Bauern und Hirten ist es erlaubt, in anderen Kreisen oder außerhalb des autonomen Gebiets Beschäftigungen nachzugehen. i) Jeder Bürger sowie kollektive oder staatliche Unternehmen dürfen in Tibet Läden eröffnen, Fabriken gründen, an den Warenmessen teilnehmen oder Vertriebsausstellungen veranstalten. Das autonome Gebiet bietet ihnen günstige Bedingungen und Schutz ihrer Interessen. Die Politik der „zwei langfristigen Unveränderlichkeiten“ fand bei den Bauern und Hirten Beifall. Bis Ende 1984 wurde sie in 95% der ländlichen und Weidegebiete in die Tat umgesetzt. Die selbtständige Wirtschaftsführung von Bauern- und Hirtenhaushalten war ein wesentliches Merkmal in den ländlichen und Weidegebieten.

Da die wichtigsten Produktionsmittel wie Ackerboden, Weideland und die Forsten gesellschaftliches Eigentum sind, ist das System der selbständigen Wirtschaftsführung auf Basis der Haushalte mit den „zwei Unveränderlichkeiten“ Ausdruck der Trennung des Rechtes auf Betriebsführung und des Rechtes auf Eigentum. In diesem selbständigen Wirtschaftsführungssystem auf Basis der Haushalte wurden auf freiwilliger Grundlage und zum gegenseitigen Vorteil entweder Produktionsgruppen der gegenseitigen Hilfe und Gruppen des Arbeitsaustauschs gebildet, die das Zusammenwirken von Produktion und Vertrieb organisieren, oder eine vielgestaltige Wirtschaft einschließlich industrieller Nebengewerbe gemeinsam entwickeln. Seit Einführung des selbständigen Wirtschaftsführungssystems auf Basis der Haushalte in den ländlichen und Weidegebieten haben sich die spezialisierten und Schwerpunkthaushalte relativ schnell entwickelt. Eine vielfältige Wirtschaft wurde aufgebaut. Die Zahl der mit Industrie und Handel Beschäftigten stieg schnell an. 1991 gab es 16 250 selbständige Gewerbetreibende, die 22 000 Leute beschäftigten und 5214 Wagen sowie 5792 Traktoren besaßen. Mit der zunehmenden Entwicklung von Einzelwirtschaften entstand eine Privatwirtschaft. Zugleich begann diese sich in der Land-, Vieh- und Forstwirtschaft zu entwickeln, so dass in verschiedenen Wirtschaftssektoren auch verschiedene Eigentumsformen nebeneinander vorkamen. Nach 20-jähriger Reform wurde die einheitliche Struktur des Eigentums in den ländlichen und Weidegebieten verändert, wodurch das Gemeineigentum die dominierende Rolle spielte und verschiedene Wirtschaftssektoren und Betriebsweisen gleichzeitig existierten. Das sozialistische Marktwirtschaftssystem und diverse Verteilungsformen nach Arbeitsleistung wurden schrittweise vervollkommnet. Durch die Reform des Wirtschaftssystems erhielten Bauern und Hirten als selbständige Werktätige die Befugnis, selbst über ihre Produktion zu entscheiden, selbst zu wirtschaften, selbst ihre Produkte zu verkaufen und über ihr Einkommen selbst zu verfügen. Diese politischen Maßnahmen entsprachen grundsätzlich dem gegenwärtigen Niveau der Arbeitskräfte und brachten die Aktivität der Bauern und Hirten voll zur Geltung, so dass die land- und viehwirtschaftliche Produktion und die Wirtschaft überhaupt sich sprunghaft entwickelten.

Im Juli 1994 veranstaltete das Zentralkomitee der KP Chinas in einem entscheidenden Moment der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung Tibets die dritte Arbeitskonferenz für Tibet. Entsprechend den veränderten Verhältnissen in der neuen Periode des sozialistischen Marktwirtschaftssystems gewährte das Zentralkomitee, ausgehend von den Gegebenheiten in Tibet, eine weitgehende „lockere und besondere Vorzugspolitik“, wodurch die Basis für einen weiteren Entwicklungsschub gelegt wurde. Auf dieser Konferenz wurde darauf hingewiesen, dass „ausgehend von den Gegebenheiten Tibets zur Beschleunigung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung auf folgende drei Punkte zu achten ist: 1. Es muss daran festgehalten werden, dass der wirtschaftliche Aufbau die zentrale Stellung einnimmt. Parallel dazu ist die Stabilität zu garantieren. Beides muss mit beiden Händen gleichermaßen fest angepackt werden. 2. Die Schritte der Reform und Öffnung werden beschleunigt und das neue System wird schrittweise errichtet, um die Wirtschaft stärker voranzutreiben. 3. Die Unterstützung Tibets durch das ganze Land und Tibets Vertrauen auf eigene Kräfte sind weiter zu entfalten, wodurch das Entwicklungspotential gestärkt wird.“

Um in Tibet so schnell wie möglich das sozialistische Marktwirtschaftssystem zu errichten, beschloss die dritte Konferenz, die früher bereits beschlossenen besonderen und flexiblen politischen Maßnahmen weiterhin gelten zu lassen. Maßnahmen, die sich nicht bewährt hatten, wurden geändert oder durch neue Vorzugs- oder Unterstützungsmaßnahmen ersetzt, wodurch die „lockere und besondere Vorzugspolitik“ allseitig zum Ausdruck kam.

Auf der dritten Konferenz wurden besondere Maßnahmen in acht Bereichen ausgearbeitet. Die Bereiche waren Steuer, Finanzwesen, Investition, Preissubvention, Außenhandel und -wirtschaft, soziale Absicherung, Landwirtschaft und Betriebsreform. Wichtige Inhalte sind: für Subvention durch die Zentralregierung wird eine Politik der „Überprüfung der Grundzahlen, der Quotensteigerung und der zweckgebundenen Unterstützung“ durchgeführt; bei Steuern heißt die Linie „einheitliches Steuersystem, angemessene Änderung, wenige und vereinfachte Steuererhebung “. Das autonome Gebiet hat das Recht, über lokale Steuerkategorien, Steuerposten, Steuersätze, Ermäßigung und Erlass von Steuern zu entscheiden. Diese Entscheidungen werden beim Finanzministerium und beim Staatlichen Steueramt zur Eintragung in die Akten eingereicht. Außer Zollgebühren, der vom Zollamt erhobenen Verbrauchssteuer und der Mehrwertsteuer werden alle anderen Steuern zurückgezahlt, die der Staat in Tibet erhoben hat. Das trifft auch für Steuern auf Güter des Eigenbedarfs zu. Agrarsteuer und viehwirtschaftliche Abgaben werden weiterhin erlassen. Es werden Subventionen für kostenlose medizinische Versorgung, für Nahrung, Kleidung und Unterbringung von Schülern gezahlt. Es werden Lohnerhöhungen beschlossen. Große und mittlere Schlüsselprojekte in den Bereichen Verkehrswesen, Energie, Telekommunikation und umfassende Erschließungen werden staatlicherseits als Schwerpunkte unterstützt. In Projekte mit langer Bauzeit wird flexibel investiert. Für Projekte mit Anlageinvestitionen wird Geld bevorzugt zugesichert. Projekte für kleinere, aber grundlegende Einrichtungen für den Produktionsaufbau werden jährlich vom Autonomen Gebiet Tibet bei der Zentralregierung eingereicht, die diese bevorzugt berücksichtigen wird. Um die gesellschaftliche Stabilität zu gewährleisten und das Lebensniveau zu heben, werden künftig für die durch staatliche Maßnahmen verursachte Preissteigerung angemessene Subventionen aus dem Staatsetat gewährt. Die eingeführte Vorzugspolitik wird unverändert fortgesetzt. Mit staatlicher Unterstützung werden in Tibet die Rentenversicherung, die Arbeitslosenversicherung, die Krankenversicherung und die Arbeitsunfallversicherung schrittweise eingeführt. Diese Maßnahmen haben die Durchführung des neunten Fünfjahrplans und die Umsetzung der Perspektivplanung für das neue Jahrhundert gewährleistet.

Nach der dritten Arbeitskonferenz für Tibet wuchs die Volkswirtschaft in den folgenden sieben Jahren um durchschnittlich 11,9%. Im Jahre 2000 erreichte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des autonomen Gebiets 10,56 Mrd. Yuan, das durchschnittliche Wachstum der nächsten fünf Jahre lag bei 12,9%. Die Selbstversorgung mit Getreide wurde erreicht. Die lokalen Finanzeinnahmen stiegen um das 2,2fache gegenüber der Zeit vor fünf Jahren. 380 000 von 480 000 Armen wurden ausreichend mit Nahrung und Kleidung versorgt.

Im Juni 2001 fand die vierte Arbeitskonferenz für Tibet statt. Das Zentralkomitee der KP Chinas beschloss, Tibet die Vorzugspolitik in vollem Umfang zu gewähren. Zur Wirtschaft wurde Folgendes entschieden: a) Hauptziel des zehnten Fünfjahrplans ist, die Wachstumsrate des BIP auf mehr als 12% zu steigern. 2005 soll das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP unter den Provinzen und autonomen Gebieten Westchinas eine führende Position haben. 2010 soll das mittlere Niveau des Landes erreicht sein, das dann eine gute Grundlage für die Modernisierung Tibets und aller anderen Provinzen und autonomen Gebiete Chinas sein wird. b) 117 Projekte mit Investitionen der Zentralregierung wurden benannt. Die Investitionssumme beträgt 31,2 Mrd. Yuan. c) 70 Aufbauprojekte wurden bestimmt, die von anderen Provinzen und autonomen Gebieten unterstützt werden. Die Investitionssumme beträgt 1,06 Mrd. Yuan. d) 50 Vorzugsmaßnahmen für Tibet wurden bestätigt. In der Periode des zehnten Fünfjahrplans (2001-2005) wird die Zentralregierung Tibet 37,9 Mrd. Yuan an finanziellen Unterstützungen und Subventionen gewähren. Die Zentralregierung wird in dieser Periode in Tibet insgesamt über 90 Mrd. Yuan investieren; die jährliche Investitionssumme beträgt mehr als 14 Mrd Yuan.

Ende 2001 wurde für 33 der 70 Unterstützungsprojekte mit den Bauarbeiten begonnen. Investitionen in Höhe von 258 Mio. Yuan wurden realisiert. Ende 2002 wurde mit den Bauarbeiten bei allen Unterstützungsprojekten begonnen; 60% davon wurden bereits fertiggestellt. Im Juni 2003 werden voraussichtlich die Bauarbeiten an allen Vorhaben abgeschlossenn sein. Die vierte Arbeitskonferenz für Tibet formulierte das Aktionsprogramm für das neue Jahrhundert. Es wird den Aufschwung Tibets beschleunigen.


 
Adresse: Baiwanzhuang Dajie 24, Beijing, VR China
Postleitzahl: 100037
Fax: 010-68328338
Website: http://www.chinatoday.com.cn
E-mail: chinaheute@chinatoday.com.cn
Copyright (c) China Today, All Rights Reserved.