Lieb und teuer: Der Babyboom in Beijing
Von Luo Yuanjun
Wu Jian ist ein ausgesprochen gutverdienender Angestellter bei
einer High-Tech-Firma in Beijing. Er ist mit seiner Frau Wang
Xiaoxiao seit einigen Jahren verheiratet. Aus gesundheitlichen
Gründen haben sie noch kein Kind. Was ihn besonders gefreut
hat, ist, dass seine Frau kurz vor dem Frühlingsfest im Februar
2007 schwanger wurde. Schon bald fand er heraus, dass viele Produkte
und Dienstleistungen für Neugeborene in diesem Jahr nicht
nur teuer, sondern deren Angebot auch knapp geworden sind.
Allein im März 2007 kamen 987 Kinder in der Mutter- und
Kind-Klinik im Bezirk Haidian zur Welt, die höchste Zahl
von Geburten seit der Gründung des Krankenhauses im Jahr
1983. In Beijing ist die Zahl der werdenden Mütter im März
insgesamt um geschätzte 20% gegenüber 2006 gestiegen.
Den Statistiken des Ministeriums für Gesundheitswesen zufolge
wird es in diesem Jahr landesweit voraussichtlich 2325 Millionen
Neugeborene geben, während die Zahl in den früheren
Jahren bei 17 Millionen lag. Der wichtigste Grund für den
Anstieg in diesem Jahr liegt darin, dass die Menschen, die während
des letzten Geburtenbooms in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts
geboren wurden, ein gebärfähiges Alter erreichen.
Ausgaben während der Schwangerschaft und für die
Entbindung
Die Kosten für die körperliche Untersuchung der schwangeren
Frauen bilden einen großen Teil der Ausgaben während
ihrer Schwangerschaft. In Beijing kosten die Untersuchungen für
die gesamte Schwangerschaft um 2000 Yuan (10 Yuan entsprechen
etwa 1 Euro). In den ersten Monaten der Schwangerschaft werden
die schwangeren Frauen normalerweise jeden Monat einmal und ab
dem siebten Monat jede Woche einmal medizinisch untersucht.
Wu Jian ist ein fürsorglicher Ehemann. Er sagt: In
der modernen Gesellschaft droht überall die Gefahr von gesundheitsschädlichen
Strahlungen. Daher habe ich meiner Frau eine Schutzbekleidung
gegen Strahlungen gekauft. Die Marktpreise für eine
solche Bekleidung liegen zwischen 500 und 600 Yuan. Außerdem
gibt es für Schwangere Bekleidung entsprechend den verschiedenen
Jahreszeiten, deren Kosten mit eingerechnet werden müssen.
Auch für die Ernäherung der Schwangeren müssen
zusätzliche Kosten berechnet werden. Dazu sagt Wu Jian: Ich
kaufe jeden Tag Fisch und Fleisch. Ich kümmere mich gar nicht
um ihre Preise. Wichtig ist, was meine Frau gern essen möchte.
Um für die ausreichende Aufnahme von Nährstoffen zu
sorgen, werden Schwangere zusätzlich mit Kalzium, Eisen,
verschiedenen Vitaminen usw. versorgt. Auf dem Markt gibt es auch
eine Reihe von Nährstoffen, die eigens für Schwangere
produziert werden. Sie kosten oft 1000 bis 2000 Yuan.
Eine natürliche Entbindung kostet im Durchschnitt 20003000
Yuan und ein Kaiserschnitt 40005000 Yuan. Wenn sich schwangere
Frauen wünschen, dass die Entbindung schmerzlos verläuft,
können sie sich entweder Schmerzmittel injizieren lassen
oder eine Art von Betäubungsgas gegen Schmerzen einatmen.
Eine schmerzstillende Spritze kostet 800 Yuan und für das
Betäubungsgas gibt man 400 Yuan aus.
Kurz vor der Entbindung empfehlen viele Krankenhäuser Gebärenden,
das so genannte Wöchnerinnenpacket zu kaufen.
Es enthält Kleidung, Mützen und Papierwindeln für
die Neugeborenen sowie spezielle Bekleidung für stillende
Mütter, Ein-Weg-Tücher und Bettdecken für die Gebärenden.
Der Inhalt des Wöchnerinnenpackets verschiedener
Krankenhäuser ist fast gleich, der Preis variiert zwischen
200 und 400 Yuan.
Je nach den finanziellen Verhältnissen, aus denen die Gebärenden
kommen, stellen ihnen die Krankenhäuser unterschiedliche
Krankenzimmer zur Verfügung. Die Preise eines Bettes reichen
von 30 Yuan bis zu 1000 Yuan pro Tag. Ausländische Familien
in China oder wohlhabende chinesische Familien ziehen es vor,
die werdende Mutter in einer erstklassigen medizinischen Einrichtung,
wie zum Beispiel dem Beijing United Family Hospital, unterzubringen.
Dort geben sie mindestens einige zehntausend Yuan für eine
Entbindung aus.
Das Geschäft mit Produkten für Kleinkinder
Der starke Zuwachs der Zahl der Neugeborenen fördert auch
die Entwicklung des Angebotes von Produkten wie zum Beispiel Impfstoffe,
Milchpulver, gesundheitsfördernde Produkte und Pflegeprodukte
sowie von Produkten für die Haushaltsverwaltung und die Pflege
von Kleinkindern.
Die Firmenzentrale von Wyeth plant gegenwärtig, 200 Millionen
US-Dollar in eine Produktionsanlage für Milchpulver in Südostasien
zu investieren. Zur Zeit machen die Milchpulver-Geschäfte
80% aller Geschäfte von Wyeth in China und 10% seiner globalen
Geschäfte aus. Aufgrund der starken Zunahme der Zahl der
Neugeborenen entwickelt sich der Absatz von Milchpulver von Wyeth
so rasant, dass es eine Zeit lang in China ausverkauft war.
Nach einjähriger Vorbereitung ist Henkel in der ersten Hälfte
2006 erneut in den chinesischen Markt für Produkte für
Babypflege eingestiegen. Die Firma war vor vier Jahren in diesem
Bereich in China tätig, hatte aber nicht Fuß fassen
können. Ein Verantwortlicher von Henkel meint, dass die große
Nachfrage eine Rückkehr in dieses Marktsegment ausgelöst
hat.
Neben traditionellen Herstellern von Babyprodukten wollen sich
auch viele weltweit agierende Konzerne wie Philips für den
chinesischen Markt der Produkte für Mutter und Kind einsetzen.
Im Mai 2006 hat Philips für 460 Millionen Pfund das britische
Unternehmen Avent gekauft. Zhang Tonghua, Direktor von Philips
Electronics China, sagte in diesem Zusammenhang: Vor kurzem
hat das Unternehmen speziell für den chinesischen Markt eine
Forschungsgruppe errichtet, die Untersuchungen durchführt,
um Informationen zu zukünftigen Großinvestitionen in
China zu sammeln. Wir glauben fest daran, dass der Babyboom im
Jahr 2007 uns gute Möglichkeiten am Markt bieten wird.
Die japanische Firma Pigeon, die für ihre Produkte für
Mutter und Kind bekannt ist, trifft gerade Vorbereitungen für
die Eröffnung ihrer ersten Produktionsanlage in China. Für
die Fabrik werden Kosten in Höhe von 80 Millionen Yuan veranschlagt.
Planmäßig wird sie im Mai 2007 fertig gestellt. Die
Fabrik wird die größte von Pigeon außerhalb von
Japan sein.
Auch chinesische Unternehmen kämpfen um Marktanteile. Im
Juni 2005 gründete die chinesische Unternehmensgruppe Sanlu
zusammen mit Fonterra, dem weltweit größten Milchexporteur
aus Neuseeland, eine Firma für Milchpulver. Zuvor haben die
chinesische Unternehmensgruppe Mengniu und Arla Foods, die weltweit
zweitgrößte Molkerei aus Dänemark, einen Vertrag
geschlossen. Beide Unternehmen werden zusammenarbeiten, um hochwertiges
Milchpulver zu produzieren.
Good Kid Corporation in der Provinz Jiangsu ist der größte
Hersteller für Spielzeug in China. Das Unternehmen hat seinen
Schwerpunkt schrittweise vom ausländischen Markt auf den
chinesischen Markt verlagert. 2006 wurde eine neue Produktionsanlage
fertig gestellt. Die Produktionskapazität ist bedeutend erweitert
worden.
Viele Versicherungsgesellschaften bereiten sich darauf vor, neue
Versicherungsprodukte für Kleinkinder in ihr Angebot aufzunehmen.
Dazu sagt ein PR-Verantwortlicher der Allianz China Life Insurance:
Die Nachfrage nach Versicherungen für Kleinkinder ist
groß. Sie sind nach wie vor eine wichtige Zielgruppe für
uns. Nach seiner Aussage können Kinder mit 60 Tagen
schon als Versicherte an Investitionen und Vermögensmanagement
teilnehmen.
Mit der dynamischen Zunahme der Zahl der Neugeborenen sind auch
Babysitter sehr gefragt. Gegenwärtig verdienen sie in Beijing
monatlich zwischen 1000 und 5000 Yuan. Schätzungsweise wird
die Zahl der Neugeborenen in Beijing bei 150 000 liegen, was für
die Firmen, die einen Babysitter-Service anbieten, einen Markt
mit einem Umsatz von ca. einer Milliarde Yuan bedeutet.
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