China Ein Land ohne Kaffeekultur
Von Lars Mörking
China ist ein Land der Teekultur, daran besteht kein Zweifel.
Jüngst sorgte die vom TV-Moderator Rui Chenggang angestoßene
Debatte um eine Starbucks-Filiale in der Verbotenen Stadt für
Aufregung. Neben der allgemeinen Verwunderung darüber, dass
es ausgerechnet ein US-amerikanischer Coffeeshop ist, der in dieser
zentralen historischen Stätte seit Jahren seine Form von
Fastfood verkauft, machte die angeregte Diskussion besonders eines
deutlich: Kaffee wird nicht als Teil der chinesischen Kultur wahrgenommen.
Doch mit der Einbindung in den globalen Markt, dem der Kaffee
nach Erdöl gegenwärtig der zweitwichtigste Rohstoff
ist, haben mehr und mehr ausländische Unternehmen ihre Zelte
in China aufgeschlagen und u. a. auch ihre Vorstellungen darüber
mitgebracht, was ein geeignetes Heißgetränk zum Frühstück,
nach einem Essen, am Nachmittag oder für den Büroalltag
ist. Durch die zunehmende Anzahl von Touristen, Arbeitskräften
und Studierenden aus dem Ausland sowie durch chinesische Studierende,
die nach ihrem Studium aus Ländern zurückkehren, in
denen der Kaffeekonsum verbreitet ist, wächst die Nachfrage
für Kaffee ständig an. Jährliche zweistellige Zuwachsraten
sind in diesem Bereich üblich, wobei das Ausgangsniveau noch
immer relativ niedrig ist. Umgerechnet auf 1,3 Milliarden Chinesen
kann man sagen, dass grob geschätzt der
jährliche Pro-Kopf-Verbrauch innerhalb von fünf Jahren
von etwa einer Tasse auf derzeit zwei Tassen Kaffee angestiegen
ist.
China ist erst in der jüngeren Geschichte mit Kaffee in
Berührung gekommen, die ersten Kaffeebäume wurden im
Jahr 1884 auf der Insel Taiwan angepflanzt. Anfang des 20. Jahrhunderts
brachte dann ein französischer Missionar den Bauern des Kreises
Bingchuan im Westen der Provinz Yunnan Rohkaffeebohnen, und so
begann der Kaffeeanbau auch auf dem chinesischen Festland. Heute
konzentrieren sich die wichtigen Kaffeeanbaugebiete in China hauptsächlich
auf den Süden des Landes, also neben Yunnan vor allem auf
Hainan, Guizhou und Sichuan. Yunnan ist dabei mit Abstand der
größte Kaffeeproduzent Chinas, von dort stammt mit
80% der Löwenteil des in China geernteten Kaffees. Hier wurden
Mitte der 90er Jahre mit Finanzunterstützung des UN-Programms
zur Armutsbeseitigung mehrere Kaffeeplantagen in den Gebieten
Simao und Linjiang gegründet. Kaffee gehört neben Tabak
und Bananen inzwischen zu den wirtschaftlich wichtigsten Agrarerzeugnissen
der Provinz.
Die klimatischen Bedingungen in den Anbaugebieten Yunnans sind
durchaus vergleichbar mit denen Kolumbiens und von daher besonders
gut für den Kaffeeanbau geeignet. So ist es möglich,
dass der in der Provinz Yunnan produzierte Arabica-Kaffee vom
Deutschen Kaffeeverband als sehr hochwertig eingestuft
wird. Dank der guten Qualität und des konkurrenzfähigen
Preises zeigen nun auch Kaffeehäuser, die ihren Kunden bislang
nur importierten Kaffee anbieten, großes Interesse am Yunnan-Kaffee.
Für den chinesischen Kaffeemarkt wird erwartet, dass die
Absatzmenge zwischen 2003 und 2008 insgesamt um 70% steigt und
mehr als 11 000 Tonnen erreicht. Hinzu kommt, dass mit dem WTO-Abkommen
zum Beitritt Chinas für das Jahr 2004 die Senkung der Zolltarife
auf 8% vereinbart wurde. Innerhalb von zehn oder zwanzig Jahren
wird, so hoffen die beteiligten Wirtschaftsakteure, Kaffee zu
einem Bestandteil des täglichen Lebens der Chinesen geworden
sein. Doch die Kaffeekultur ist in China immer noch auf diejenigen
Städte beschränkt, in denen verhältnismäßig
viele Ausländer leben. Doch selbst in den Supermärkten
Shanghais und Beijings wird fast ausschließlich Instantkaffee
angeboten, während der qualitativ hochwertige Kaffee aus
Yunnan zum großen Teil ins Ausland exportiert wird.
In Beijing bekommt man eine gute Tasse Kaffee am wahrscheinlichsten
im Areal der Expats, dem im Nordosten Beijings gelegenen
Botschaftsviertel. Doch auch im Südwesten der chinesischen
Hauptstadt gibt es seit einigen Jahren Alternativen zu Starbucks,
dem McDonalds unter den Kaffeehäusern: Eine davon ist das
Café Contigo, ein unscheinbarer Ableger des
gleichnamigen Geschäfts, welches sich im Zentrum von Göttingen
befindet.
Contigo in Beijing
Contigo ist einer der wichtigsten Lieferanten von fair gehandelten
Produkten in Deutschland. Neben einigen wenigen Läden im
Land des Filterkaffees gibt es nur das Geschäft in Beijing.
Dies ist doch eher ungewöhnlich, denn bisher haben sich fast
ausschließlich die großen internationalen Firmen in
das Mutterland der Teekultur vorgewagt. Die Idee, das Contigo-Konzept
mit einer chinesischen Prägung zu versehen und
zur Anwendung zu bringen, hatte Cao Donghong, die in Deutschland
Umweltwissenschaft an der TU Cottbus studiert hat. Ich studierte
auch ein Semester in Japan, wo ich mit deutschen Kommilitonen
zusammentraf, die immer zu Starbucks gingen. Da kam mir die Idee,
ein Café in Beijing zu eröffnen, erinnert sie
sich. Über Freunde und Bekannte in Deutschland lernte sie
dann Ingo Herbst kennen, den Geschäftsführer von Contigo
in Göttingen, wo sie in einem Praktikum alles über Kaffee
und die Geheimnisse des Röstens lernte: Das
Konzept von Contigo hat mich davon überzeugt, kein gewöhnliches
Café aufmachen zu wollen. Contigo bedeutet fair gehandelten
Kaffee zu vertreiben, der seine hohe Qualität u. a. dadurch
garantiert, dass ausschließlich Naturprodukte in Frage kommen.
Dass sie tatsächlich genau weiß, was sie tut, ist in
der Praxis überprüfbar. Man braucht nur die von ihr
kreierte Hausmarke zu kosten, die gleichzeitig ihre eigene Lieblingssorte
ist. Unter Verwendung von Kaffee aus Äthopien, Kolumbien,
Guatemala, Brasilien (Brazil Santos) und Mexiko (Maragogype) entsteht
eine erstaunlich harmonische Mischung.
Der Kundenkreis des Contigo-Shops in Beijing besteht gegenwärtig
sowohl aus Ausländern als auch Chinesen. Von hier aus wird
darüber hinaus Kaffee an einige Hotels vertrieben, jedoch
bilden Endverbraucher die größte Abnehmergruppe. Der
hohe Verkaufspreis ist das größte Hindernis für
Cao Donghong, denn erstens ist das Verständnis für den
höheren Preis fairgehandelter Produkte bei potentiellen Abnehmern
in China gering und zweitens bezieht sie den Kaffee über
den Umweg Göttingen und nicht direkt aus den Herkunftsländern,
was zusätzlich Kosten verursacht. Doch sie versucht, auch
mit einheimischen Lieferanten ins Geschäft zu kommen: Ich
habe einige Kaffeeplantagen in Yunnan besucht, um auch von dort
direkt Kaffee zu beziehen. Bisher haben die meisten chinesischen
Kaffeeproduzenten noch nicht die notwendige Technik, um den Kaffee
handelsfertig auf den Markt zu bringen. Daher sind sie gezwungen,
ihre gesamte Ernte an Unternehmen wie Nescafé zu verkaufen.
Trotzdem werde ich in meinem Laden zukünftig auch chinesischen
Kaffee anbieten können.
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