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Patientenberatung - ein Beitrag zum Gemeinwohl
Von Li Guowen
Dagang heißt eigentlich Liu Chuangang und ist in Beijing
dafür bekannt, dass er anderen freiwillig hilft, gute Krankenhäuser
und gute Ärzte zu finden. Wenn man krank ist, will man zuerst
einmal wissen, zu welchem Krankenhaus bzw. Arzt man gehen soll
und wie viel Geld man dafür ausgeben muss. In diesem Bereich
hat Dagang Erfahrungen gesammelt.
Als Dagang klein war, litt er unter einer Erkrankung der Tränendrüsen,
so dass seine Augen ununterbrochen tränten. Er ging zu verschiedenen
Ärzten, aber seine Krankheit konnte nicht geheilt werden,
bis er 1983 im Alter von 21 Jahren eine Ärztin namens Yin
Suyun im Krankenhaus 301 aufsuchte. Durch eigene Erfahrung weiß
Dagang also, dass es sehr wichtig ist, den richtigen Arzt aufzusuchen,
während es kaum eine Rolle spielt, was für einen Ruf
ein Krankenhaus hat und wie viel Geld man ausgibt.
Deshalb entschied Dagang, anderen Patienten gute Ärzte empfehlen
zu wollen. So begann er verschiedene Krankenhäuser und Ärzte
zu prüfen. Am Wochenende fuhr er mit dem Rad zu Krankenhäusern,
wobei die Entfernung keine Rolle spielte. Beispielsweise liegt
eines davon mehr als 25 km von seiner Wohnung entfernt. Um die
Ärzte besser kennen zu lernen, sprach er Patienten an, um
sich zu erkundigen, und er selbst gab sich sogar als Kranker aus.
Außerdem bat er diejenigen, die in den Krankenhäusern
illegal mit Anmeldescheinen handeln, die man vor Ort für
ein geringes Entgeld kaufen muss und die festlegen, wann man zur
Untersuchung vorgelassen wird, um Rat, weil diese Händler
aus geschäftlichen Gründen genau wissen, welche Ärzte
gefragt sind.
In den letzten 20 Jahren hat Dagang Material über einige
tausend Ärzte, von berühmten Experten bis zum Fußpfleger
auf der Straße, der Hühneraugen behandeln kann, und
Informationen über mehr als 3000 Krankheiten gesammelt. Nun
bietet er Patienten Beratungen an, empfiehlt ihnen einen geeigneten
Arzt. Sein Service ist kostenlos.
Zahlreiche Patienten haben davon profitiert. Zwar lebt Dagang
in Geldnot, aber er hatte keinen finanziellen Gewinn von seiner
Tätigkeit. Aus diesem Grund glaubten ihm viele Leute anfangs
nicht und hielten ihn für einen Betrüger. Eines Tages
im März 2003 sammelte er im Krankenhaus Tongren Informationen.
Als er eine zögernde alte Frau sah, ging er zu ihr und fragte
sie nach ihrem Zustand. Danach empfahl er ihr wohlmeinend einen
Arzt. Am Anfang hielt die alte Frau ihn für einen Händler,
der auf diese Weise Geld verdient. Nach beharrlicher Überzeugungsarbeit
glaubte sie endlich an Dagang und sagte aufgeregt: Du vollbringst
eine gute Tat! Ich werde mit einer Fernsehstation telefonieren,
damit mehr Leute dich kennen lernen. Einige Tage später
kamen wirklich ein paar Mitarbeiter eines Fernsehsenders zu Dagang.
Durch die Medien ist Dagang bekannt geworden. Er machte die Telefonverbindung
seiner Wohnung zur Hotline und arbeitete von acht bis zehn Uhr
abends am Apparat, ganz gleich wie müde er auch nach der
täglichen Arbeit war. In seiner 60 qm großen Wohnung
leben fünf Personen aus drei Generationen zusammen. Um seinen
Sohn, der jeden Tag Hausaufgaben zu machen hat, und um die anderen
Familienangehörigen nicht zu stören, arbeitete er im
engen Durchgang der Wohnung, denn ihm fehlt es an einem Arbeitszimmer.
Am Anfang unterstützten nicht alle Mitglieder seiner Familie
seine Idee. Auch sein Sohn fand die Sache zum öffentlichen
Wohl, mit der der Vater beschäftigt ist, nicht so großartig,
wie die anderen meinen. Einmal verletzte sich jedoch einer seiner
Mitschüler an der Hand. Dagang empfahl einen Arzt für
traditionelle chinesische Medizin, der die Verletzung erfolgreich
und kostengünstig heilte. Die Eltern des Mitschülers
hatten dafür nur 40 Yuan (etwa 4 Euro) zu bezahlen. Danach
änderte Dagangs Sohn seine Meinung zu der Tätigkeit
seines Vaters, und mit der Zeit konnten auch Dagangs Eltern und
seine Frau ihn verstehen.
2005 wurde Dagang vom Eisen- und Stahlkombinat Shoudu, in dem
er im Alter von 19 Jahren als Schweißer zu arbeiten begann,
entlassen. Mit Hilfe des Einwohnerkomitees des Wohnviertels Xijing
des Stadtbezirks Shijingshan von Beijing, in dem er wohnt, gründete
er die Dagang-Arbeitsstation. Von zwei bis fünf
Uhr nachmittags außer sonntags empfängt Dagang hier
Patienten, die seine Beratung brauchen. Es gibt vier dicke Notizbücher,
die eng mit den Namen, jeweiligem Gesundheitszustand und den Kontaktdaten
der Patienten sowie Informationen über die Ärzte, die
er den Patienten empfohlen hat, vollgeschrieben sind. Bisher hat
Dagang mehr als 10 000 Patienten geholfen. Nach der Beratung gibt
er dem Hilfesuchenden einen 15 X 10 cm großen Zettel, auf
dessen einer Seite geschrieben steht: Wenden Sie sich an
Dagang, wenn Sie gesund werden und bleiben wollen. Teilen Sie
mir bitte Ihren Gesundheitszustand mit, ich werde für Sie
ein geeignetes Krankenhaus und einen geeigneten Arzt auswählen.
Darauf gibt es noch einen roten Stempel mit den beiden Schriftzeichen
Gong Yi (Gemeinwohl), die Kontaktadresse von Dagang
und sein persönliches Siegel. Auf der anderen Seite des Zettels
hat Dagang den Namen und die Arbeitszeit des von ihm empfohlenen
Arztes deutlich lesbar aufgeschrieben. Auch Ärzte kennen
bereits Dagangs Zettel und akzeptieren sein Angebot. Warum
genieße ich das Vertrauen von Patienten wie auch Ärzten?
Weil ich etwas zum Gemeinwohl beitrage, sagt Dagang.
Nun erhält Dagang monatlich 600 Yuan (etwa 60 Euro) vom
Einwohnerkomitee des Wohnviertels Xijing, obwohl er nicht im Stellenplan
vorgesehen ist. Auf seine materiellen Lebensumstände legt
Dagang nur geringen Wert. Seiner Meinung nach reicht es schon,
wenn er etwas zum Essen und ein Bett zum Schlafen hat. Wenn
man anderen Wohltaten erweist, lebt man sinnvoll und auch glücklich.
Als eine bekannte Person hat Dagang viele Gelegenheiten, Geld
zu verdienen. Beispielsweise gab es Leute, die zusammen mit ihm
ein Buch herausgeben, eine Informationsplattform in seinem Namen
gründen, gemeinsam mit ihm eine Beratungsfirma für ärztliche
Behandlung errichten oder gemeinsam eine Website gründen
wollten, um gesundheitsfördernde Mittel zu verkaufen. Darüber
hinaus wollte eine Website für Dagang eine Rubrik eröffnen,
wodurch er ein zufriedenstellendes Honorar erhalten könnte.
Aber Dagang hat alles kategorisch abgelehnt. Denn er meint, dass
er etwas zum öffentlichen Wohl beiträgt, und will sich
nicht an gewinnorientierten Geschäften beteiligen. Ich
wäre beunruhigt, wenn die anderen meinen Namen benutzen würden.
Ich fürchte, dass man in meinem Namen hinters Licht geführt
wird. Zwar kann ich nicht garantieren, dass die Patienten, die
sich an mich wenden, 100% geheilt werden können, aber ich
kann ihnen versichern, dass sie zu 100% niemanden auf den Leim
gehen. Wenn meine Beratung etwas mit Geld zu tun hätte, wäre
das nicht in Ordnung.
Jeden Vormittag ist Dagang damit beschäftigt, Informationen
zu sammeln. Sein Schwerpunkt ist nun, sich über die zweite
Arbeitsstätte von prominenten Ärzten zu informieren,
die in den großen Krankenhäusern Beijings arbeiten
und nebenbei auf Honorarbasis in kleineren Krankenhäusern
oder Praxen tätig sind. Dort ist es oftmals relativ leicht,
sich für eine Behandlung anzumelden, was in den großen
Krankenhäusern kaum möglich ist.
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