Der Tag eines Pastors

Von Qiao Tianbi

Pastor Mei Kangjun arbeitet in der Stadt Shanghai. Diesmal kam er in die Stadt Wuhan in Zentralchina, um einem Gläubigen zu helfen und auch um an den Veranstaltungen der lokalen Kirche teilzunehmen. Aufgrund seines Amtes, das er im Komitee für die Patriotische „Drei-Selbst-Bewegung“ der Chinesischen Protestanten (Selbstunterhaltung, Selbstverwaltung und Selbstverbreitung) bekleidet, und der von ihm geschriebenen Artikel liegt die Vermutung nahe, dass er mindestens 70 Jahre alt ist. Doch er ist ein 45-jähriger Mann, der sich natürlich und einfach, jedoch sehr anspruchsvoll kleidet. Das Aussehen entspricht eher einem Künstler als einem Pastor.

Laut Plan sollte Pastor Mei vormittags einen Vortrag bei der Jahresversammlung einer psychologischen Beratungsinstitution halten, die vor drei Jahren von einer Frau namens Luo errichtet wurde. Diese Institution zielt nicht darauf ab, Gewinne zu erzielen. Der Pastor nutzte eine Verzögerung im Programmablauf, um mit den angekommenen Gästen (ein großer Teil von ihnen sind Gelehrte an einer Universität oder Forschungsinstitution) über die Entwicklung der psychologischen Betratung in China zu sprechen. Pastor Mei ist selbst staatlich anerkannter psychologischer Berater.

Der Titel des Vortrages, der von Pastor Mei gehalten wurde, lautete „Sorge um die Menschen mit Liebe und Sympathie“. Bis kurz vor Beginn des Vortrags arbeitete er noch an Verbesserungen für das Manuskript des Vortrags. Seine leidenschaftliche Stimme unterschied sich von den anderen Rednern und die zuvor herrschende beklommene Atmosphäre löste sich dadurch auf. Beim Vortrag betonte er nicht die Voraussetzungen für die Beschäftigung im Bereich Religion, sondern nahm das Gemeinsame zwischen Pastoral Care und Counseling und psychologischer Beratung zum Ausgangspunkt. Er ist der Ansicht, dass die Menschen, die sich mit der psychologischen Beratung beschäftigen, nicht nur über Liebe und Sympathie, sondern auch über hohe Moral verfügen sollten. Am Nachmittag gab er ein ausgedehntes Interview über die Entwicklung der christlichen Kirche in China und deren Zustand.

Am Abend traf er zu einem Essen mit vier Gläubigen und zwei Pastorinnen zusammen. Sie diskutierten eifrig über Fragen in Bezug auf die Kirche und den Glauben. Die vier Gläubigen sind gebildet und haben große Erfolge bei ihrer Arbeit erzielt. Sie wurden in der Zeit der mittleren oder späten 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts zum Christentum bekehrt. Unter ihnen gibt es eine Frau namens Chen, die sich früher als Unternehmerin beschäftigte. Nachdem sie 1996 das von Dr. Billy Graham geschriebene Buch „Peace with God“ und die Bibel gelesen hatte, beschloss sie, dem Christentum beizutreten. Seither folgt sie dem Ruf ihres Gottes und widmet sich der Verbreitung des Evangeliums unter den weiblichen Beschäftigten. Um die weiblichen Beschäftigten besser kennen lernen zu können, hat sie ihre Geschäftstätigkeit beendet. Da die weiblichen Beschäftigten im Allgemeinen immer viel zu tun und nicht genügend Zeit haben, an Veranstaltungen der Kirche teilzunehmen, organisiert Frau Chen oft Treffen in ihrer Freizeit, um ihnen die Bibel zu erklären und das Evangelium zu verbreiten. Sie hofft, dass auch die Kirche einige Veranstaltungen für die weiblichen Beschäftigten veranstalten kann. Beim Abendessen sprach Pastor Mei mit allen Anwesenden darüber, wie man das Evangelium unter den weiblichen Beschäftigten besser verbreiten könnte. Um 21.30 Uhr musste das Abendessen beendet werden, weil Pastor Mei in der Morgenfrühe des nächsten Tages eine Predigt in der Gan’en (Thanksgiving)-Kirche halten musste.

Früh morgens des nächsten Tages kam Pastor Mei dann in die Gan’en-Kirche. Bei der Gründung im Jahr 2002 hatte diese Kirche nur 20 Anhänger, aber heute ist die Zahl der Anhänger auf mehr als 800 gestiegen. Überdies gibt es jede Woche mehr als 20 Menschen, die sich hier taufen lassen. Durch zahlreiche Veranstaltungen hat die Gan’en-Kirche viele Christen angezogen. Als der Pastor in der Kirche ankam, war sie schon voller Menschen. Diejenigen, die spät kamen, konnten die Predigt nur mit Hilfe eines Videobeamers in einem kleineren Nebenzimmer verfolgen. Einige Kolleginnen von Frau Luo, die am vorherigen Tag den Vortrag von Pastor Mei gehört hatten, waren auch in der Kirche zu finden. Der Titel der Predigt lautete: „Der Herrgott ist die ewige Hilfe“. Pastor Mei begann seine Predigt mit einer Erzählung in „Ruth“ aus der Bibel, wobei er auch viele bildhafte Beispiele der heutigen Zeit einbaute. Nachdem er die Predigt beendet hatte, brandete mehrmals lang andauernder Beifall auf.

Ungefähr um 11.00 Uhr, in der Pause zwischen der Predigt und der heiligen Kommunion, stellten Gläubige Pastor Mei ab und zu Fragen. Viele von ihnen haben den Wunsch nach weiteren Möglichkeiten, von Pastor Mei gehaltene Predigten zu hören, geäußert. Kurz vor dem Beginn der Kommunion hat Pastor Mei seine Pastorkleidung aus- und die Alltagskleidung angezogen, um die Gemeinde zu verlassen. Dann fuhr er mit dem Auto zum Flughafen. Er sollte noch an einer wichtigen kirchlichen Veranstaltung in der Stadt Shanghai teilnehmen.



 
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