Das Schweizbild in China

Die Umfrage wurde von Chen Wei durchgeführt.

Zeit: 17. Dezember 2006
Ort: Carrefour, Bezirk Haidian, Beijing

Teilnehmer: 20 Leute mit vermutlich durchschnittlichem Einkommen (Mittelstand)
Inhalt der Umfrage: Grundkenntnisse über die Schweiz
Ziel der Umfrage: Was für ein Schweizbild haben die Chinesen?

Zuerst stelle ich die Struktur der Umfrage vor. Es gibt insgesamt 17 Ja/Nein und Auswahlaufgaben: sieben über Elementarkenntnisse, vier über die Politik, drei über die Wirtschaft, drei über die Kultur und das Alltagsleben. Und schließlich noch zwei freie Fragen: Wenn Sie an die Schweiz denken, was fällt Ihnen ein? Wenn Sie die Möglichkeit hätten, in der Schweiz, in Deutschland oder in Österreich zu arbeiten und zu leben, welches Land würden Sie auswählen?

Ich habe insgesamt 20 Leute diesen Fragebogen ausfüllen lassen. Und die Ergebnisse zeigen einen geringeren

issensstand, als ich befürchtet habe. Die Chinesen haben zwar einen guten Eindruck von der Schweiz, aber dieses Schweizbild ist relativ unklar. In allen dieser vier Bereiche weisen die Befragten nur sehr mangelhafte Kenntnisse auf. Im Allgemeinen können für jede Aufgabe nur 40% bis 50% der Befragten die richtige Antwort geben. Im Vergleich zu ähnlichen Umfragen meiner Kollegen über Deutschland und Österreich ist die Schweiz viel weniger bekannt für die Befragten.

Überraschender Weise wissen acht Leute, nämlich 40% der Befragten nicht, dass Bern die Hauptstadt der Schweiz ist, weiteren zehn Personen ist Zürich als die größte Stadt der Schweiz fremd. Es überraschte mich auch, dass 50% der Befragten unklar ist, dass die Schweiz kein Mitgliedsstaat der EU ist. Dementsprechend haben sieben Leute Euro als die Währung der Schweiz gewählt. Bei der Frage über die von den meisten Bewohnern verwendete Sprache ist es ähnlich. Sieben Leute haben Französisch (ist ja eigentlich nicht falsch) und sogar das von mir selbst erfundene "Schweizerisch" als Landessprache gewählt. Und in diesem Land gibt es wenige große Persönlichkeiten. Die Leute kennen Mozart, Vincent van Gogh, und halten sie für Schweizer, Hermann Hesse oder Arthur Honegger hingegen sind unbekannt.

Im Bereich Wirtschaft ist der Kenntnisstand der Befragten sogar noch schlechter. Die Schweiz ist in unseren Köpfen ein entwickeltes Land, ein Tourismusland vielleicht, doch kein Industrieland. Dieser Bereich wird oft vernachlässigt. Es geht so weit, dass 16, nämlich 80% der Befragten statt Industrie Touristik, Vieh- und Geflügelzucht als Hauptbestandteil der schweizerischen Volkswirtschaft gewählt haben. In diesem Zusammenhang ist es nicht so überraschend, dass niemand weiß, dass neben Uhrenproduktion auch Maschinenbau, Chemie-, Textil- und Nahrungsmittelbranche wichtige Industriebranchen in der Schweiz sind. Die bekannteste Uhrenmarke ist ROLEX. Und obwohl wohl allen Chinesen die Marke Nestle bekannt ist, sind 50% der Befragten unsicher darüber, dass diese weltberühmte Kaffee- und Lebensmittelmarke eine Schweizer Firma ist.

Auch im Bereich der Politik sind nicht wenige Fehler passiert. 30% der Befragten halten die Schweiz für einen Staat mit konstitutioneller Monarchie. Und weil die Schweiz ein neutraler Staat ist, besteht das Klischee, dass das Land keine Armee braucht. Zwölf Befragte wissen nicht, dass jeder Schweizer den Militärdienst ableisten muss.

Nun lenken wir den Blick auf den Bereich von Kultur und Alltagsleben. Eigentlich sind Käse, Schokolade, Wein, Kaffee, Würste, Gebäck und Kuchen berühmte Lebensmittel in der Schweiz, aber die meisten Befragten haben nur Schokolade erwähnt, manche auch Käse. Dass die Schweiz für Skilaufen geeignet ist, ist hingegen allen Teilnehmern der Befragung bekannt.

Was fällt den Leuten ein, wenn sie an die Schweiz denken? Viele Antworten sind zu finden: Schokolade, die Alpen, Skilaufen, Schweizer Taschenmesser, Schweizer Banken, Uhren usw. Aber immerhin sechs Personen verwechseln die Schweiz mit Österreich und nennen Prinzessin Sissi, die Blaue Donau und den Walzer.

Jetzt kommt die letzte, auch sehr interessante Frage: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, in der Schweiz, in Deutschland oder in Österreich zu arbeiten und zu leben, welches Land würden Sie auswählen? Elf Personen ziehen die Schweiz vor, sieben Deutschland und zwei Österreich. Die Gründe, die Schweiz zu wählen, möchte ich hier tiefgehend erklären. Zwei Befragte haben politische Gründe erwähnt. Einer hält die Schweiz als einen neutralen Staat für stabil und sicher, ein anderer hat Angst vor Faschisten und möchte sicher nicht in Deutschland oder Österreich leben. Im Bezug auf die wirtschaftlichen Gründe meinen zwei Personen, die Schweiz ist ein Finanzreich und die Bewohner sind sehr reich. Der Reichtum fasziniert sie. Zwei weitere Personen zieht vor allem die idyllische Landschaft in der Schweiz an. Insgesamt fünf Leute haben für ihre Wahl soziale Gründe angeführt: Die Schweiz hat ein hochentwickeltes Sozialwesen; das Leben dort ist wohlhabend und behaglich; die Schweizer sind freundlich zu Fremden.

Aus dieser Umfrage können wir einen Schluss ziehen: Die Schweiz ist ein anziehendes Land und viele Leute setzen das Land in Verbindung mit einem idyllischen, ruhigen und reichen Landbild mit viel Tourismus. Die bekanntesten schweizerischen Produkte in China sind Schokolade, Uhren und Taschenmesser, aber die Schweiz als ein Industrieland wird von vielen Leuten ignoriert. Meiner Ansicht nach liegt der Grund vermutlich darin, dass die Schweiz im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern wenig Handelsbeziehungen mit China hat, deshalb ist die Schweizer Industrie in China nicht so bekannt. Und weil in den letzten Jahrzehnten immer mehr Chinesen nach Europa reisen, lenkt die Schweiz eher aufgrund ihrer anziehenden Landschaft die Aufmerksamkeit der Chinesen auf sich.

Chen Wei studiert Germanistik im vierten Jahrgang an der Peking-Universität (Beida).

 
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