Jingsheng und der Kaiserpalast des Bürgertums
Von Yi Fan
Die für ihre Geschichte und Kultur berühmte Stadt Jingsheng,
Ort der bekannten Residenz des Wang-Familienklans und des jahrtausendealten
Zishou-Tempels, liegt südlich von Taiyuan, der Provinzhauptstadt
von Shanxi. Jingsheng ist reich an natürlichen Ressourcen
wie auch an Kulturrelikten, trotz eines Erdbebens im frühen
14. Jahrhundert, bei dem eine große Anzahl von historischen
Orten zerstört wurde. Die Gebäude, die heute noch stehen,
datieren zurück auf die Dynastien Yuan, Ming und Qing. Jingsheng
war unter den ersten chinesischen Städten, die durch den
Staat, unter Berücksichtigung ihrer langen Geschichte, Ansammlung
altertümlicher Gebäude und bis heute nicht ausgegrabener
Artefakte, im Jahr 2003 mit dem Titel Berühmte Geschichts-
und Kulturstadt Chinas ausgezeichnet wurde.
Kaiserlicher Palast der Bürger Residenz
der Wang
Die Residenz der Wang ist unzweifelhaft einer der faszinierendsten
Orte unter Jingshengs Sehenswürdigkeiten. Dieses Meisterstück
der Architektur nördlichen Baustils wurde im 17. und 18.
Jahrhundert durch die dynastische Familie der Wang erbaut, einen
der vier höchst angesehenen Klans im Kreis Lingshi, in dem
sich Jingsheng heute befindet. Das gesamte Gelände der Familienresidenz
fast schon eine eigene kleine Stadt belegt etwa
250 000 Quadratmeter, die sich entlang von fünf Gassen erstrecken.
Es vereinigt fünf Gruppen von Hofgebäuden und fünf
Ahnentempel. Der Komplex symbolisiert die fünf Glück
verheißenden Tiere: den Drachen, den Phönix, die Schildkröte,
das Einhorn und den Tiger. Der Ahnentempel der Wang und drei der
Wohnblöcke in denen jeweils die Chinesische Kunstgalerie
der Bürgerresidenzen, das Klanmuseum der Wang und die Liqun-Kunstgalerie
untergebracht sind wurden nun für die Öffentlichkeit
zugänglich gemacht. Sie erstrecken sich über eine Fläche
von 80 000 Quadratmetern, auf der sich 2078 Räume in 231
Hofhäusern befinden. Die Gaojiaya-, Hongmenbu- und Chongningbu-Blocks
stehen Seite an Seite an einem Hang, wo sie sich in das gebirgige
Gelände einfügen. Häuser und Höfe mit jeweils
eigenständiger Funktionalität spiegeln eine Kombination
der das Lössplateau aushöhlenden Behausungen und den
aus der Westlichen Zhou-Dynastie (etwa 1100 bis 771 v. u. Z.)
stammenden viereckigen Stil der Residenz. Jeder Haushalt hat seinen
eigenen Stil, kann jedoch in die Tradition nordchinesischer Bürgerresidenzen
eingeordnet werden.
Die beiden bedeutendsten Innenhöfe des Geländes im
Bereich der Gaojiaya sind typisch für dreifache viereckige
Hofanlagen. Jede enthält eine Haupthalle, zweigeschossige
Gebäudeflügel, einen Küchenhof und einen Heimschulhof.
Alle teilen einen Garten, einen Bibliothekshof, einen Hof für
die Bediensteten und einen Hof für die Familienwächter.
In der Bauzeit waren verschiedene Höfe trotz ihrer separaten
Struktur verbunden und geben einem nun den Eindruck von in Höfen
verschachtelten Höfen und Pforten, die wiederum außerhalb
von Pforten liegen. Die aufgehäuften verbliebenen Werkzeuge
und Utensilien, die noch aus der Zeit stammen, als die Wangs hier
residierten, sind eingeordnet und ausgestellt in der Gaojiaya-Halle
und den dazu gehörigen Räumen, den rigorosen Normen
der feudalen Etikette entsprechend, die zur Zeit der Dynastien
Ming und Qing eingehalten wurden.
Die Anordnung des Bereichs Hongmenbu gleicht dem chinesischen
Schriftzeichen für den Namen Wang und schließt auch
die Gestalt eines zusammengekauerten Drachens mit ein. Einige
Höfe des Geländes sind in traditionellem Stil gebaut
Hallen im vorderen Teil und Wohnbereiche im hinteren Teil,
während andere im vorderen Teil einen Garten und Wohnhöfe
im hinteren Teil haben. Einige Ziegel-, Holz- und Steinschnitzereien,
die bis zur frühen Qianlong-Periode (17361796) zurückdatieren,
zeigen einen gewagten und unverfälschten Stil der Ming-Dynastie.
Andere, wie die im Gaojiaya-Bereich, sind Beispiele für beste
Verzierungen der Mauerwerke aus der Qing-Dynastie. Das Museum
des Wang-Klans ist im Bereich Hongmenbu untergebracht und fokussiert
auf die Geschichte und Kultur des Klans der Wang.
Die Anordnung des Chongningbu trägt Gemeinsamkeiten zu derjenigen
des Hongmenbu-Bereichs, die Abbildung des ganzen Ortes ähnelt
einem Tiger, der entlang der Umrisse eines kleinen Hügels
liegt. Seine Architektur ist wesentlich im Stil der Ming-Dynastie
gehalten. Dieser Bereich beheimatet die gesamten gedruckten Werke
des meist geehrten Sohnes des Kreises Lingshi des berühmten
zeitgenössischen Holzschnitzers Li Qun.
Der Ahnentempel der Wang setzt sich zusammen aus einem oberen
und einem unteren Innenhof, jeder in einem elaborierten Design
mit eigenständiger Funktionalität. Die exquisit geschnittenen
Xiaoyi (Kindliche Pietät und Redlichkeit)-Bogengänge
sind vor dem Tempel platziert. Der Tempel empfängt weiterhin
Tausende von Nachfahren, die hierher kommen, um ihren Ahnen zu
huldigen.
Die Residenz der Wang ist sowohl eine edle Hinterlassenschaft
traditioneller chinesischer Architektur als auch ein bürgerlicher
Wohnsitz, und von der Staatlichen Behörde für Tourismus
und vom Kulturministerium als ein bedeutendes Reiseziel empfohlen.
Seit es im letzten Jahrzehnt für die Öffentlichkeit
zugänglich gemacht wurde, wurde es Chinas beste Residenz
genannt, der Kaiserliche Palast der Bürger und
die Verbotene Stadt der Shanxi-Provinz. Alle diese
Beiworte spiegeln die Seltenheit eines solchen Glanzes altertümlicher
Architektur. Kein Wunder also, dass das Gelände häufig
als Kulisse für Filmproduktionen angefragt wird.
Jahrtausende alt: der Zishou-Tempel
Zishou bedeutet Langlebigkeit fördern, hier
wurden jahrhundertelang buddhistische Rituale und Zeremonien abgehalten.
Der Zishou-Tempel liegt am Fuße eines Hügels im Dorf
Suxi, zwei Kilometer westlich der Residenz der Wang. Zur Zeit
der Tang-Dynastie im Jahre 870 erbaut und in den folgenden Dynastien
Song, Yuan und Ming erneuert, besteht die Tempelanlage unter anderem
aus 15 Hallen, die über eine Fläche von 15 000 Quadratmetern
verteilt liegen. Zishou wurde 2001 zum Schwerpunktmäßig
vom Staat geschützten Kulturdenkmal ernannt und ins
Wörterbuch Chinas berühmter Orte aufgenommen.
Die Hauptgebäude unter ihnen die Lokapala-, Leiyin-,
Arhat-, Ksitigarbha-, Gott der Medizin- und Erlang-Halle
sind Besonderheiten und reich verziert mit glasierten Dächern.
Der Tempel wird vor allem deshalb wahrgenommen, weil hier zwei
Schätze der Ming-Dynastie vereinigt sind: die bemalten Skulpturen
der 18 Arhats und dessen fabelhafte Fresken.
Es gibt 79 Skulpturen im Tempel, jene des Bodhisattva und Arhats
sind Ausdruck höchster Kunstfertigkeit. Die Köpfe der
18 Arhats wurden 1998 gestohlen und auf den Märkten in Übersee
für einen Bruchteil ihres tatsächlichen Wertes verkauft.
Jahre später sah Chen Yongtai, Vorstandsvorsitzender der
Taiwaner Aurora-Gruppe, zufällig ein Foto der gestohlenen
Köpfe und entschied umgehend, sie zum Zishou-Tempel zurückzubringen,
ungeachtet der damit verbundenen Kosten. Die Arhat-Köpfe
fanden schließlich ihren Weg nach Hause. Diese Geschichte,
welche in in- und ausländischen Medien verbreitet wurde,
demonstriert die Solidarität zwischen den auf dem chinesischen
Festland und den in Taiwan lebenden Chinesen.
Altertümliches Erbe & tiefgründige Kultur
Residenzen, die reiche Familien bauen ließen, verdeutlichen
die ökonomische Stärke der früheren Bewohner von
Jingsheng; die Wang-Residenz ist hierfür nur ein Beispiel.
Hunderte von buddhistischen, taoistischen und konfuzianischen
Tempeln sowie andere säkulare Gebäude gehören zum
Besten, was nördliche chinesische Architektur geleistet hat,
und bringen Farbe und Eleganz in diese historische Stadt.
Außerdem gibt es in Jingsheng eine 2,5 Kilometer lange
Straße, die im gewerbsmäßigen Stil der Ming-
und Qing-Dynastie erhalten geblieben ist. Zu ihr gehört ein
seltener konfuzianischer Dorftempel, der im frühen 14. Jahrhundert
gebaut wurde und zu dem eine großflächige Mauer mit
zweifach eingeritzten Karpfen, die über das Drachentor springen,
gehört, und der Houtu-Tempel, welcher im Jahr 1304 wieder
aufgebaut wurde. Diese Relikte, zusammen mit dem nahe gelegenen
historischen Ort von Jingjie, der aus der Shang-Dynastie stammt,
und dem Zishou-Tempel, spiegeln die tiefgründige Kultur von
Jingsheng.
Die Menschen in Jingsheng sind sich seit langem dessen bewusst,
dass Transport die Wurzel der ökonomischen Entwicklung
ist. Lokale Anwohner begannen in der Zeit der Dynastien der Han
und der Tang damit, mit der Hilfe der Seidenstraße ein profitables
Geschäft aufzubauen, welches dann zu Zeiten der Dynastien
Ming und Qing seinen Höhepunkt erreichte. Während der
Jintai-Regierungszeit der Ming-Dynastie wurde der Familienklan
der Wang zum reichsten der 492 Geschäftsinhaber von Jingtai.
Obwohl die Kaufleute aus Shanxi ihren Handel in ganz China ausübten,
vergaßen sie nie ihren Heimatort. Wenn das Geschäft
florierte, gaben die Kaufleute den Armen auch schon mal Unterstützung
oder halfen Opfern von Naturkatastrophen in ihren Heimatstädten.
Sie wiesen außerdem der Bildung große Bedeutung zu;
reiche Kaufleute pflegten herausragende Gelehrte einzustellen,
damit diese ihre Kinder zu Hause unterrichteten. Sie gründeten
darüber hinaus freie Schulen speziell für arme Kinder,
beispielsweise die Konfuzianische Tempelschule in Jingsheng. Die
Kaufleute lebten nach der konfuzianischen Tradition und den Bräuchen
einfacher Leute, wozu der Respekt vor den Vorfahren gehört.
Die zuständige Lokalregierung stellt sich der Herausforderung,
die alte Stadt einerseits zu erhalten und andererseits zu öffnen.
Die Einrichtung eines Geschichts- und Kulturforschungszentrums
von Jingsheng und andere Einrichtungen, die im Interesse der Besucher
liegen, sind in Aussicht gestellt worden. Jingsheng selbst sieht
mit Zuversicht in die Zukunft, um Touristen aus aller Welt willkommen
heißen zu dürfen und um Wohlstand zu erreichen, so
wie in der Blütezeit vor 500 Jahren.
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