Verschiedene Aspekte der Sozialberatung für Frauen in China

Von Liu Qiong

Hou Zhiming nimmt seit 14 Jahren Telefonate der Frauen-Hotline entgegen. „Jeden Tag führe ich viele Telefongespräche, sie drehen sich um Ehe, Liebe, sexuelle Belästigung, Gewalt in der Familie, Schwierigkeiten bei der Arbeit und psychische Probleme. Wir hoffen, dass die hilfesuchenden Frauen durch unsere Unterstützung wieder Glück und Hoffnung erlangen“, sagt sie. Nach der Inbetriebnahme der ersten chinesischen Frauen-Hotline durch das Beijinger Hongfeng-Servicezentrum für psychologische Beratung für Frauen 1992 arbeitete Hou Zhiming dort zuerst als Freiwillige. Sie ist eine der ersten vom Ministerium für Arbeit und Sozialabsicherung anerkannten und registrierten Psycho-Beraterinnen und forscht seit über zehn Jahren über Themen wie „Ehe und Familie“ sowie Frauenfragen und schreibt Berichte darüber.

Das Hongfeng-Servicezentrum setzt sich das Ziel: „über Frauen in der Gegenwart zu forschen und ihnen Serviceleistungen anzubieten, die soziale Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu fördern, eine partnerschaftliche Beziehung zwischen den Geschlechtern aufzubauen und sich für die Erhöhung der Lebensqualität der Frauen zu engagieren.“ Es bietet Frauen aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten kostenlose Hilfe an. Bis Ende 2006 hat sich die Anzahl der Hotlines des Zentrums von einer auf neun erhöht, dabei sind in den letzten mehr als zehn Jahren über 70 000 Telefonate eingegangen.

Sexueller Belästigung rigoros entgegentreten

Yingzi, junge Sekretärin bei einer Werbeagentur in Beijing, bat in einem Telefonnotruf um Hilfe: Nach dem Feierabend reißt ihr neuer Vorgesetzter beim geschäftlichen Bankett oder danach, auf dem Weg nach Hause oft, abstoßende Witze und impliziert Sex, wobei er die Erhöhung des Gehalts, Beförderung oder Vergabe einer Chance zur Fortbildung in Aussicht stellt. Sie kann die Belästigung durch ihren Vorgesetzten nicht ertragen und will nicht mehr bei dieser Firma weiter arbeiten. Sie weiß aber zugleich, dass es ihr schwer fallen würde, umgehend eine Arbeit mit vergleichbarem Gehalt zu finden.

Solche Telefonnotrufe empfängt das Hongfeng-Zentrum oft. Eine Statistik der Hongfeng-Frauen-Hotline zeigt, dass dort von 1992 bis 2004 insgesamt 613 Telefonnotrufe bezüglich sexueller Belästigung am Arbeitsplatz eingegangen sind. 35% der Täter waren Vorgesetzte, und 15% waren Kollegen, aus diesen beiden Gruppen kam also etwa jeder zweiter Täter sexueller Belästigung. Angestellte bei Firmen in Dienstleistung und Handel bildeten die Hauptgruppen auf der Seite der Opfer und machten 45% der Belästigten aus.

Das Forschungsinstitut für Ehe und Familie beim Gesamtchinesischen Frauenbund führte eine Untersuchung über sexuelle Belästigung unter den Beijinger Stadtbewohnerinnen und -bewohnern durch. Sie zeigt, dass 70% der weiblichen Befragten sexuell belästigt wurden, 54% obszöne Witze gehört haben, 29% mindestens einmal einem Exhibitionisten begegnet sind, 27% unfreiwillig körperlich berührt wurden, 8% heimlich beobachtet wurden und 2% obszöne Anrufe erhielten.

Im 2005 revidierten „Gesetz über den Schutz der Rechte und Interessen der Frauen“ wurde zum ersten Mal in der chinesischen Geschichte das „Verbot der sexuellen Belästigung“ gesetzlich festgelegt. „Aber in diesem Gesetz ist die Regelung zu sexueller Belästigung eher allgemein gefasst, es mangelt an Konkretisierung und Präzisierung. Sie ist deshalb schwer handhabbar.“ Das Beijinger Hongfeng-Servicezentrum hat nach Aussage seiner Direktorin Hou Zhiming vor, in sechs Städten wie Beijing, Guangzhou, Huizhou und Hangzhou eine spezielle Umfrage über sexuelle Belästigung durchzuführen und das Ergebnis bei den zuständigen Behörden des Nationalen Volkskongresses einzureichen, damit die Gesetzgebung gegen sexuelle Belästigung an die realen Bedingungen angepasst wird.

Probleme der Gleichberechtigung im Beruf

Zhang Yang, Studentin im Fach Management an der Beijinger Hochschule für Industrie und Handel, ist jetzt im vierten Studienjahr, d. h. ihr Hochschulabschluss rückt in greifbare Nähe. Sie hat bereits viele Bewerbungsbriefe inklusive Lebenslauf verschickt, erhielt jedoch viele Absagen mit der Begründung, dass „die Arbeitseinheit nur männliche Mitarbeiter braucht.“ Sie ist inzwischen beunruhigt, denn sie stammt aus einer armen Familie aus einem ländlichen Gebiet und ihr Studium hat ihre Familie viel Geld gekostet. Wenn sie keine Arbeit findet, dann schämt sie sich vor ihren Eltern.

Li Li, Studienkollegin von Zhang Yang, studiert das Fach Büroverwaltung und erlitt bei der Arbeitssuche noch größere Schlappen. Sie musste zur Kenntnis nehmen, dass viele Arbeitseinheiten bei den Einstellungsverfahren nahezu Schönheitswettbewerbe veranstalten. Kriterien für die Teilnahme: „Körpergröße: über 1,65 m, gutes Aussehen...“ Li Li stammt aber aus dem Süden, ist nicht sehr groß und sieht nicht besonders gut aus. Nachdem sie einige Male abgelehnt wurde, hat sie ihr Selbstvertrauen völlig verloren. „Ich bin doch nicht selbst daran schuld, dass ich nicht sehr groß bin, warum werde ich immer wieder abgelehnt?“

Zhang Yang und Li Li sind keine Einzelfälle. Eine vom Ministerium für Arbeit und Sozialabsicherung in 62 chinesischen Städten durchgeführte Untersuchung zeigt, dass 67% der Arbeitseinheiten, die neue Arbeitskräfte beschäftigen, geschlechtsbezogene Beschränkungen aufstellen oder festlegen, dass die neu angestellten Frauen nicht schwanger werden dürfen. Es gibt noch andere Zahlen, nach denen 80% der diesjährigen Hochschulabsolventinnen in den westlichen und zentralen Provinzen diskriminiert wurden, weil sie Frauen sind. Die meisten Arbeitseinheiten, die neue Arbeitskräfte anstellen, sind der Meinung, dass die Hochschulabsolventinnen mittelbar vor einer Heirat und einer Schwangerschaft stehen. Das verursacht bei den einstellenden Betrieben höhere Kosten.

Dazu sagt Direktorin Hou Zhiming: „Obwohl die Gleichberechtigung von Männern und Frauen bereits eine grundlegende Politik des Staates geworden ist und die Regierung gesetzmäßig die legitimen Rechte und Interessen der Frauen schützt, gibt es in der Gesellschaft Diskriminierung von Frauen, insbesondere bei der Beschäftigung ist geschlechtsspezifische Diskriminierung weit verbreitet. Das erfordert einerseits eine Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen durch den Gesetzgeber, auf der anderen Seite ist das Bewusstsein der ganzen Gesellschaft in Bezug auf Fragen der Gleichberechtigung zu erhöhen. In der Realität nehmen die meisten Frauen geschlechtsspezifische Diskriminierung stillschweigend hin und reichen keine Beschwerde bei der zuständigen Behörde ein.“

Hou Zhiming sagt: „Das ,Gesetz über die Förderung der Beschäftigung der Volksrepublik China (Entwurf)‘ wurde bereits vom Ministerium für Arbeit und Sozialabsicherung beim Staatsrat eingereicht und vom Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses geprüft. In diesem Gesetzentwurf, der bereits ins Gesetzgebungsverfahren aufgenommen wurde, sind eigens Paragraphen gegen ,Frauendiskriminierung im Beruf‘ formuliert. Sie ist eines der Kernprobleme, die durch das Gesetz gelöst werden sollen.“

Die Probleme von Frauen sind oft Familienprobleme

Die meisten der Beratungen, die Frau Hou und ihre Kolleginnen durchführen, drehen sich um Familien- oder Eheprobleme. Der Anteil der diesbezüglichen Beratungen in den letzten drei Jahren lag nach ihrer Statistik jeweils bei 50–53%. Etwa 67% der Beratungen beziehen sich auf Seitensprünge. Dieser Prozentsatz steht damit an erster Stelle bei telefonischen Beratungen. Die Seitensprünge sind ein Phänomen, das nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen – Menschen von unterschiedlichem Beruf, Alter, von Stadt und Land sowie von unterschiedlichem Bildungsstand – erfasst. 52% der Betroffenen haben eine akademische Ausbildung vom Fachhochschulabschluss aufwärts, der Anteil der Angestellten in Handel und Dienstleistung übertrifft 50%.

Hou Zhiming ist der Ansicht, dass Stabilität in der Familie ein sehr wichtiger Bestandteil der Gestaltung einer harmonischen Gesellschaft ist. Seitensprünge sind bereits ein Störfaktor für die Stabilität in der Familie geworden. Seit einigen Jahren arbeitet das Beijinger Hongfeng-Servicezentrum zusammen mit einer Zweigstelle des Gesamtchinesischen Frauenbunds an einem Pilotprojekt im Wohnviertel Hongshunli in Tianjin. Das Projekt dient dazu, Familienprobleme durch eine Intervention des Komitees des Wohnviertels zu lösen, die Fürsorge für sozial schwächere Frauengruppen zu intensivieren und ihr Selbstvertrauen zu stärken. Durch dieses Projekt werden Kurse über das Eheleben veranstaltet und das soziale Bewusstsein und Konzepte der Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Ehe unter den Bewohnern des Wohnviertels verbreitet. „Das reicht bei weitem noch nicht aus. Nur wenn die Frauen und auch die ganze Gesellschaft zusammen die Realisierung der Konzepte der Gleichberechtigung von Männern und Frauen vorantreiben, kann die Situation verändert werden.“

Frau Hou verwaltet die Frauen-Hotline für psychologische Beratung. Sie sagt: „Wir schlagen dem Gesamtchinesischen Frauenbund vor, die Pflege der psychischen Gesundheit der Frauen auf die Tagesordnung seiner Arbeit zu setzen, und hoffen, dass sich die verschiedenen Gesellschaftsschichten und die entsprechenden Abteilungen der Regierung zusammenschließen, gemeinsam ein soziales Interventionsnetzwerk gegen Gewalt in der Familie und für die Sozialberatung aufbauen und den sozial schwächeren Gruppen der ganzen Gesellschaft psychologische Unterstützung gewähren.“

Zur Zeit hat das Beijinger Hongfeng-Servicezentrum mehr als 300 Freiwillige. Das Bewerbungsverfahren für neue psychologische Berater hat bereits begonnen. Immer mehr Freiwillige melden sich für das Service-Zentrum an. Während es sich ständig vergrößert, bleibt das Ziel unverändert, nämlich die Sorgen und Nöte der Frauen zur Kenntnis zu nehmen und ihnen bei der Lösung ihrer Probleme Hilfe zu leisten.

 
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