Unterschiede
zwischen den Kleidungssitten in verschiedenen Regionen Tibets
Typisch für die tibetische Kleidung ist ein Gewand mit einer
weiten Taille, zwei langen Ärmeln und einem weit nach rechts
ausgeschnittenen Vorderteil, einem langen Rock und einem Paar
Stiefel mit hohen Schäften. Dazu gehören fein geflochtene
Zöpfe und Schmuck aus Gold, Silber, Perlen und Jade. Da die
Tibeter lange Zeit kaum Verbindungen zur Außenwelt hatten,
gab es kaum Veränderungen an ihrer Tracht. Machart und Qualität
der Kleidung hängen stark vom Milieu und von der Produktions-
und Lebensweise ab. Darum unterscheidet sich tibetische Kleidung
deutlich nach der Region.
Die Bauern in den Vororten von Lhasa bevorzugen weiße Unterhemden
mit hohem Kragen und lange Gewänder aus Wollstoff, die ein
weit nach rechts ausgeschnittenes Vorderteil haben. Alle Teile
des Gewandes, einschließlich des Kragens und der Ärmelaufschläge,
sind mit rotem, gelbem oder blauem Stoff gesäumt. Das Gewand
ist länger als der Körper des Trägers. Man rafft
es bis zu den Knien und gürtet es sich um die Taille. So
entsteht eine Art Tasche zwischen Unterhemd und Gewand. Das Gewand
wird auch als Decke während des Schlafes genutzt.
Die Städter und Bauern kleiden sich unterschiedlich. Besonders
bei den Frauen ist das zu bemerken. Im Sommer tragen die Frauen
in Lhasa ärmellose Bekleidung. Stoffart und Farbe der Kleider
unterscheiden städtische Frauen von Landbewohnerinnen. Die
Frauen in Lhasa bevorzugen Kleider aus Seide oder Serge in schlichten,
gedeckten Farben, während die Hirtinnen und Bäuerinnen
lebhafte Farben bevorzugen. In den letzten Jahren kleiden sich
immer mehr Stadtbewohner westlich. Auch die Bauern legen allmählich
ihre traditionelle Kleidung ab.
Die Hirten im Viehzuchtgebiet Nordtibets tragen während
des ganzen Jahres Gewänder aus Pelz. Vorn und auf der Rückseite
des Gewandes sowie an den Ärmelaufschlägen sieht man
mit bunten Fäden gestickte Muster. Frauengewänder sind
reicher verziert als Männerkleidung. Die Rückseite eines
Frauengewandes ist mit 5 bis 7 breiten schwarzen, roten, grünen
und purpurnen Stoffstreifen eingefasst. Reich verzierte Gewänder
aus Pelz sind die Lieblingskleidungsstücke tibetischer Frauen.
Frauen in Nordtibet flechten gern ihr Haar in viele dünne
Zöpfchen. Da es in Nordtibet oft sehr kalt ist, waschen sie
ihr Haar recht selten. Dank der Zöpfchen können sie
ihr Haar besser sauber halten. Sie verzieren ihre Zöpfchen
mit verschiedenen Edelsteinen. Diese Frisur ist dagegen bei Bauern
und Städtern selten zu sehen.
Guxu (ärmellose Gewänder) sind bei Männern
und Frauen in Gongbo in Südosttibet sehr beliebt. Männer
tragen knielange Guxu mit einem Gürtel. Bei den
Frauen reichen die Guxu bis zu den Füßen.
Das Material ist meist Pulu (tibetischer Wollstoff). Man fertigt
Guxu auch aus Pelzen. Männer in Gongbo tragen
häufig Mützen. Ihnen gefallen besonders die mit bunter
Seide verzierten Mützen aus Sangngagqoiling in Shannan. Damen-
und Herrenstiefel aus Gongbo sind berühmt, weil sie so fein
und sorgfältig gearbeitet sind. Gewöhnlich trägt
man hier Nadao, Alltagsstiefel, die in drei Klassen
eine obere, eine mittlere und eine untere eingeteilt
werden; es gibt natürlich auch Festtagsstiefel: Riju.
In Burang im Bezirk Ngari sind feine, schön gemusterte Gewänder
aus Lammfell weit verbreitet. Die äußere Seite eines
solchen Gewandes ist ein Wollstoff. Kragen und Ärmelaufschläge
sind mit Otterfell verziert. Über diesem Gewand trägt
man ein langes Übergewand aus Seide, eine typische Kleidungsgewohnheit
in Tibet. Besonders auffallend ist die Frauenkleidung in dieser
Region. Die reichen Verzierungen an ihren Kleidern erinnern an
Pfauen, darum werden sie Pfauen-Kleider genannt. Dieser
Name geht auf den Kongque-Fluss (Fluss des Pfauen) zurück,
der durch Ngari fließt. Da das Quellgebiet dieses Flusses
wie ein Pfau aussieht, der ja als Symbol der Schönheit und
des Glückes gilt, bevorzugt man hier eben Pfauen-Kleider.
Das drückt die Hoffnung der Trägerin aus, ein glückliches
Leben führen zu können. Röhrenförmige, aus
braunblauem Wollstoff genähte Mützen Dingma
sind bei den Frauen in Burang beliebt. Hinten ist die Mütze
kürzer als vorn, damit die Haarzöpfe sichtbar heraushängen
können. Auch tragen die Frauen hier etwa 15 cm lange Ohrgehänge
aus Korallen und Perlen. Dieser besondere Kopfschmuck steht für
den Kopfputz der Pfauen. Auf ihrem Rücken tragen die Frauen
ein Gaiba, ein schneeweißes Tuch mit einem braunblauem
Kreis aus einem Wollstoff in der Mitte. Das symbolisiert die Flügel
des Pfauen. Die dreiteilige untere Hälfte des Tuchs ist Sinnbild
der Pfauenschwanzfedern. Manche Gaiba sind mit bunter
Seide verziert, so dass es aussieht, als schlüge der Pfau
ein Rad.
Die Bevölkerung in Tibet kleidet sich also recht verschieden,
wie es eben die Natur und die Arbeit erfordern. In manchen Bezirken
gibt es sogar gewaltige Kleidungsunterschiede zwischen einzelnen
Kreisen und Gemeinden. Man hat mehr als 200 Muster gesammelt.
Das ist beispiellos in China und hat keine Parallele bei einer
anderen Nationalität des Landes.
|