Das erste Theater-Museum Chinas
Anfang 1986 wurde das erste Theater-Museum Chinas im Haus
der Kantonesen der Stadt Tianjin eingerichtet. Seine Hauptaufgaben
liegen darin, Theaterkostüme und -requisiten sowie weitere
Gegenstände der traditionellen Theateraufführung zu
sammeln, Material für das Studium des chinesischen Theaters
und der Bühnenkunst zur Verfügung zu stellen, Ausstellungen
und Aufführungen zu veranstalten.
Früher trafen sich dort die in Tianjin wohnenden Kantonesen.
Es wurde 1907, im 33. Regierungsjahr des Qing-Kaisers Guangxu,
erbaut und bedeckt eine Fläche von 2300 Quadratmetern.
Das Haus ist im kantonischen Theater-Baustil gebaut. Es gibt
einzelne Plätze und Logen für insgesamt 600 Personen.
An der Südseite des Hauses wurde eine hervorstehende Bühne
gebaut, von neun Meter Breite und acht Meter Länge. Da es
um die Bühne herum keine Säulen gibt, können die
Zuschauer von allen drei Seiten ungehindert die Darstellungen
auf der Bühne verfolgen. Die Bühne hat eine Decke in
Form eines Hühnerkäfiges, die aus tausend ineinander
verzapften Holzstangen besteht und mit Goldlack verziert ist.
Da die ganze Bühne aus Holz angefertigt wurde, übt sie
die gleiche Wirkung wie ein Tonverstärker aus, weshalb in
allen Ecken des Hauses die Stimmen der Schauspieler auf der Bühne
deutlich zu hören sind. Sachverständige meinen, eine
solche Bühne sei in China selten. Das Haus solle in die Annalen
der chinesischen Architektur eingehen.
Tritt man in die Vorhalle des Theater-Museums, sieht man riesige
Wandmalereien, die die 800-jährige Geschichte des chinesischen
Theaters von der Östlichen Han-Dynastie (25220) bis
zur Qing-Dynastie (16441911) darstellen; zu sehen sind Tänze
und Musikspiele der Östlichen Han-Dynastie, Szenen der Zaju
(lyrische Oper mit vier als Zhe bezeichneten Akten, in denen es
jeweils nur eine Gesangsrolle gibt) aus der Yuan-Dynastie (12711368)
und der poetischen Dramen der Ming-(13681644) und Qing-Dynastie.
Die Ausstellungshalle bedeckt eine Fläche von mehr als 600
Quadratmetern. Dort werden ein Überblick über die Entstehung
und Entwicklung des chinesischen Theaters und der Bühnenkunst
gegeben, Bilder von namhaften Schauspielern aus Tianjin vor 1949
gezeigt und Kostüme, Requisiten und andere Gegenstände
der traditionellen Oper ausgestellt. Ferner kann man Kassetten
mit Opernarien von ehemals berühmten Darstellern anhören.
Außerdem werden Informationen über Theaterensembles
von Tianjin, die nach 1949 gegründet wurden, und über
den Kulturaustausch zwischen China und dem Ausland gegeben.
Im letzten Jahr wurde die Bühne restauriert; die Kosten
beliefen sich auf eine Million Yuan, die von Tianjins Stadtregierung
bereitgestellt worden waren.
Heute befindet sich die Bühne wieder in ihrem ursprünglichen
Zustand und wird als ein typisches Beispiel für alte chinesische
Bühnen ausgestellt. Auf der Bühne stehen drei Tische
und sechs Stühle, die mit rotem Seidenstoff überzogen
sind. Auf beiden Seiten der Bühne werden Flaggen, Waffen
usw., die damals auf der Inspektionsreise eines Kaisers von seiner
Ehrengarde getragen wurden, zur Schau gestellt. An der Ecke des
Hauses hängen schöne Palastlampen, welche mit Schnitzereien
verziert sind. Die Vorhänge auf beiden Seiten der Bühne
sind aus Seide, und die Stühle in den Zuschauerreihen wurden
im ming- und qingzeitlichen Stil gefertigt.
Früher veranstalteten hier viele bekannte Kunqu- und Peking-Operndarsteller
Benefizvorstellungen. In der Revolution von 1911 hielten in diesem
Haus wichtige Persönlichkeiten wie Dr. Sun Yat-sen, Huang
Xing u. a. politische Reden.
Aus China im Aufbau, Nr. 9, 1987
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