Kultur der Küchengeräte und Tabus 
              
            
              
              Es gibt irrige Auffassungen, wonach Tibeter gern Fleisch roh 
                essen würden. So ist es natürlich nicht. Die tibetische 
                Esskultur hat eine lange Geschichte und die Kultur der Küchengeräte 
                ist Beweis dafür.  
                
              In den Ruinen in Karub bei Qamdo wurde eine alte Feuerstelle 
                entdeckt. Sie befand sich in einer Grube in der Mitte eines früheren 
                Wohnraums. Zehn Steine lagen kreisförmig um die Feuerstelle. 
                Drei ragten etwas höher auf, wahrscheinlich wurden auf sie 
                die Kochtöpfe gestellt. Es wurden dort auch andere Kulturrelikte 
                gefunden, wie etwa Tontöpfe und -schüsseln, an denen 
                Feuerspuren sichtbar sind. In einem Volkslied über die Schöpfung 
                der Welt wird eine Feuerstelle geschildert:  
                
              Als die Welt entstand, 
              waren keine feuersteingroßen Steine zu sehen. 
              Wo konnten die Nomaden  
              Steine zum Stützen der Kochtöpfe finden? 
              Als die Welt entstand,  
              waren gar keine feuersteingroßen Steine zu sehen. 
              Die Nomaden hoben Grasnarben zum Stützen der 
              Kochtöpfe ab. 
                
              Dieses Volkslied zeugt davon, dass die Vorfahren der Tibeter 
                schon in der Urzeit Kochtöpfe benutzten. 
                
              In den geschichtlichen Aufzeichnungen über Küchengeräte 
                in Tibet kommt Kochtöpfen und Feuerstellen immer eine symbolische 
                Bedeutung zu. In der Biographie des Tubo-Königs in der Sammlng 
                der in Dunhuang aufbewahrten historischen Bücher über 
                Tibet ist zu lesen: Hundert Sklaven von Lhoarmu stülpten 
                sich bronzene Kochtöpfe über den Kopf und nahmen sich 
                so das Leben. Hundert Sklavinnen von Lhoarmu flohen mit eisernen 
                Kochtöpfen in den Händen. Im Geschichtsbuch Religionsdoktrinen 
                der Ehrwürdigen in Yarlung steht geschrieben: Hundert 
                Männer des Stammes Lorngang wurden hingerichtet, indem man 
                ihre Brust mit eisernen Kochtöpfen eindrückte. Hundert 
                Frauen dieses Stammes wurden getötet, indem man ihnen die 
                Köpfe mit bronzenen Schüsseln zerschlug. 
                
              Bereits in der Urzeit benutzten die alten Tibeter Kochtöpfe. 
                Diese wie auch die Feuerstellen, an denen man das Essen zubereitete, 
                wurden verehrt. Heute ist der Küchengerätekult in Tibet 
                verbreitet. Das gilt sowohl für Ackerbau- wie auch für 
                Viehzuchtgebiete, für die Stadt wie für das Dorf. Tibetische 
                Familien halten ihre Küchen sehr sauber. Kein Staub liegt 
                auf den Küchengeräten; sonst wäre der Küchengott 
                beleidigt, heißt es. Verschiedene Gewohnheiten und Tabus 
                sind so in und um die Küche entstanden:  
                
               Es ist tabu, übel riechende Dinge wie Tierhaare, 
                Fett, Schweine- und Hundekot als Brennmaterial zu nutzen. Ebenso 
                darf man nichts verbrennen, was von alters her als schmutzig angesehen 
                wird; zum Beispiel Menschenhaar. Es ist verboten, Brennholz oder 
                als Brennstoff verwendeten Rinder- und Schafmist, der aus dem 
                Herd fällt, mit Füßen zu treten. Man muss es mit 
                der Hand auflesen und wieder in den Herd legen oder mit einem 
                Besen zur Seite fegen. Es ist auch tabu, Asche in den Müll 
                zu werfen. 
                
               Tabus bei Teezubereitung und Kochen Läuft der Kochtopf 
                über, muss man sofort den Küchengott um Verzeihung bitten. 
                Der Betende bekennt seine Sünde und macht die Feuerstelle 
                wieder sauber. Man glaubt, dass man sonst in der Nacht von Skorpionen 
                träumt. Man darf kein Hundefleisch im Topf kochen, denn in 
                Tibet gilt Hundefleisch als unrein. Es ist tabu, ins Feuer oder 
                auf die Feuerstelle zu spucken. Man darf nicht die Füße 
                zur Feuerstelle strecken, um sich zu wärmen. Man darf nicht 
                über die Feuerstelle steigen. Die Nomaden verehren auch ihre 
                provisorischen Feuerstellen, die sie unterwegs anlegen. Bevor 
                sie ihren Tee zubereiten und Speisen kochen, beten sie und streuen 
                etwas Zanba als Opfer für den Küchengott ins Feuer. 
                Bevor man weiterzieht, findet eine Zeremonie für die verlassene 
                Feuerstelle statt. Man verbrennt etwas, was starken Rauch entwickelt 
                und streut wiederum etwas Zanba und Butter auf die Feuerstelle. 
                Unterwegs schaut man häufig zurück, um zu sehen, ob 
                Rauch aufsteigt, denn das verheißt eine gute Reise. Es ist 
                tabu, Feuerstellen zu übersteigen, auf die man unterwegs 
                stößt. Man muss sie vielmehr vorsichtig umgehen, damit 
                kein Staub aufgewirbelt wird. 
                
               Die Anstellung von Köchen In den meisten Klöstern 
                arbeiten die Köche auf Lebenszeit. Wer seine Stelle aufgibt, 
                muss vorher den Küchengott bitten, ihm zu gestatten, in den 
                Ruhestand zu treten. Der neue Koch hat dem Gott zu opfern und 
                ihn um seine Gunst zu bitten. Außer dem Koch darf niemand 
                sonst die Küche betreten. 
                
               Opfer für den Küchengott zur Feier des Umzugs 
                und der Feste Vor einem Umzug muss eine kultische Zeremonie veranstaltet 
                werden. Man streut einige Teeblätter und Butter in einen 
                Topf mit brennendem Kuhmist. So steigt Rauch aus dem Topf auf. 
                Mit dem Topf in den Händen erklärt der Hausbesitzer 
                dem Küchengott die Gründe für den Umzug und bittet 
                ihn darum, zusammen mit ihm umzuziehen. Die Küche im neuen 
                Haus wurde zuvor gründlich gesäubert und aufgeräumt. 
                An der Wand hinter der Feuerstelle sieht man das Bild eines Skorpions 
                (der Skorpion gilt als Verkörperung des Küchengottes). 
                Es gibt Skorpionbilder, die von Einlegearbeiten aus roten und 
                weißen Steinen oder von Seemuscheln und Segenssprüchen 
                umschlossen werden. Am Festtag findet eine Zeremonie zur Verehrung 
                des Küchengottes statt. Am ersten Tag des Onkor- Fests schneidet 
                man Kornähren, schnürt sie zusammen und bringt sie dem 
                Küchengott dar. So bittet man um seinen Segen für eine 
                gute Ernte im kommenden Jahr. Am 30. des zwölften Monats 
                nach dem traditionellen tibetischen Kalender malt man mit Zanba 
                und weißer Erde ein neues Skorpionbild an die Wand. 
                
               
                 
              
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