Die Nacht in der Stadt
Von Lin Zilong
Sie reisen zum ersten Mal nach Beijing? Lassen Sie sich nicht
vom Kulturschock aus der Bahn schleudern. Damit die guten Erinnerungen
überwiegen, ist es wichtig zu wissen, wie verschiedene Dinge
hier gehandhabt werden und auch, was man besser vermeidet.
Es gibt in Beijing wohl nur zwei wirklich kosmopolitische Orte:
das Zentrum für Internationale Studenten an der Beijing
Language and Culture University und die Jiubajie,
die Barstraße von Sanlitun. Dort finden sich sowohl Einheimische
als auch Reisende aus jedem Land der Welt ein, um sich mal richtig
vollaufen zu lassen. Draufgänger oder Tanzmäuse werden
sicher schnell fündig in den Bars, die von Einheimischen
und Ausländern betrieben werden es gibt genug Lasterhöhlen
in dieser Straße. Auf einige Fallstricke sollte man allerdings
achten.
Die Barstraße Sanlitun ist auch für Beijinger Verhältnisse
ungewöhnlich. Sie besteht bezeichnenderweise nur aus einer
Bar neben der anderen. Viele gehören einheimischen Besitzern
und sind für den westlichen Geschmack eher kitschig eingerichtet.
Sie haben besonders grelles Neonlicht, überbordenden chinesischen
Pop und draußen vor der Tür dürre Gestalten, die
versuchen, die Passanten am Arm zu greifen und in die Bar zu lenken.
Die Betreiber versuchen jeden Trick, um Touristen in ihre Bars
zu locken. Modeshows mit spärlich bekleideten
auf- und ablaufenden Models ziehen nur das Publikum
an, das eigentlich niemand in seinen Kneipen haben will. Versuche,
diese Bars weiträumig zu umgehen, es sei denn, dir gefällt
diese Sorte Bars.
Nur ein paar Schritte um die Ecke gibt es jedoch einige andere
ebenso von Einheimischen betriebene Kneipen, die um einiges voller
und auch lustiger sind. Die Getränke sind meist
sehr billig: Ein Bier (pijiu) kostet rund 10 Yuan (ca. 1 Euro)
und ein Cocktail (jiweijiu) auch nicht viel mehr. Von chinesischem
Wein sollte man eher die Finger lassen er kostet zu viel
und kann sich mit europäischem Standard nicht messen. Die
Musik dröhnt bis auf die Straße und ist wahrscheinlich
eher dem westlichen Geschmack angepasst, was viele Clubbesucher
zum Tanzen bringt. Die bekanntesten Beispiele unter ihnen sind
das Poachers und Kai Bar.
Sanlitun ist zudem voll von so genannten Expat-Bars,
also Kneipen für ein westliches Publikum. Für die geneigten
Zuschauer der englischen Premier League, Rugby
oder American Football findet sich immer ein Platz,
wo man seinen Lieblingsverein gewinnen oder verlieren sehen kann.
Für besondere Spiele bauen die Inhaber sogar eine Leinwand
auf. The Goose and the Duck ist die beste Bar für
Sport-TV-Fans. Wer sich nur für Fußball interessiert,
dem sei Club Football ans Herz gelegt. Von jungen,
unschuldigen Neuankömmlingen bis hin zu denen, die schon
alles gesehen haben mit von Gin geröteten Augen
, werden gern ihre Abenteuer und Geschichten über China
erzählt jedem, der noch die Geduld hat. Wer dann doch
gelangweilt ist vom Glanz alter Zeit, kann sein gegenüber
immer zu einer Runde Pool-Billiard (da taiqiu) oder Dart (wanr
feibiao) einladen. Viele Kneipen für Ausländer stellen
diese Spiele umsonst zur Verfügung.
Für diejenigen, die auf der Suche nach einem Urlaubsflirt
sind, soll es auch dafür angeblich den einen oder anderen
Ort geben. So genannte Aufreißer-Kneipen befinden sich in
der Nähe des Arbeiter-Stadions (Gongti) zum Beispiel
das Mix oder das Vics.
Wer dann noch mit leeren Händen dasteht, sollte auch besser
nach Hause gehen, damit er nicht die Fehler früherer Touristen
wiederholt und in eine der Ladybar-Fallen tappt. Auf
dem Weg durch Sanlitun werden mehrere Chinesen versuchen, Sie
am Arm zu fassen und mit der Aufforderung Lei-Die-Bah
in eine Kneipe zu ziehen. Sagen Sie in jedem Fall Nein.
Sonst kann es Ihnen passieren, dass Sie in einer zweifelhaften
und zwielichtigen Karaokebar landen. Dort wird Ihnen ein bestimmter
Preis genannt, den Sie zahlen, um mit einem chinesischen Mädchen
an einem Tisch Karaoke zu singen. Wenn die Show vorbei ist, wird
jedoch meist noch ein horrendes Trinkgeld von rund
1000 Yuan oder mehr fällig.
Wenn man Beijing nicht besuchen kann, ohne die Chinesische Mauer
gesehen zu haben, so kann man Sanlitun nicht verlassen, ohne einen
Hammelfleisch-Spieß (yangrouchuanr) probiert zu haben.
Für einen späten Snack stoppt man einfach bei einem
der saftigen Hammelfleischstücken, die auf angespitzten Holzspießen
im offenen Feuer brutzeln. Wenn es weniger scharf sein soll, bitten
Sie den Verkäufer einfach, sich mit dem Chili etwas zurückzuhalten
(bu jia lajiao). Doch auch die, welche nur mit Pfeffer und Kreuzkümmel
bestreut sind, schmecken unvergesslich gut. Am besten passt dazu
eine Scheibe geröstetes Dampfbrot (kao mantoupianr)
und eine kühle Flasche des einheimischen Biers Yanjing. Wo
man so etwas findet? Immer der Nase nach.
Welche Stunde auch immer die Uhr schlägt, es muss schon
mit dem Zufall zugehen, wenn man auf keine bettelnden Gassenjungen
trifft. Meist halten sie Touristen ihre hohle Hand oder eine Blechbüchse
hin und rufen laut Money, money, money. Wer nichts
gibt, dem kann es passieren, dass sie sich einem um die Beine
schlingen. Auch wenn es zunächst herzlos erscheint, lassen
Sie sich nicht beirren und rufen Mei you qian
Ich habe kein Geld. Bei der Mehrzahl handelt es sich
um Jungs, die von Bettlerbanden ausgenutzt werden. Ein einheimischer
TV-Sender hat sie einmal heimlich begleitet und ist ihnen bis
in ihre eher vornehmen Behausungen gefolgt. Außerdem konnte
man sehen, dass sie ihr Revier streng verteidigen.
Wie jedem anderen auf Touristen ausgerichteten Barbezirk auch,
gibt es auch eine Vielzahl gewiefte Charaktere auf Sanlitun, die
sich etwas einfallen lassen, um an Ihr Geld zu kommen: Sie zeichnen
eine Karikatur oder bieten rote Rosen feil. Nur um eines muss
man sich in diesem Stadtteil keine Sorgen machen bestohlen
zu werden. Viele denken, als Touristen sei man das bevorzugte
Ziel, aber es passiert hier einfach nicht.
Ältere und weisere Touristen brauchen sich keine Sorgen
zu machen das Beijinger Nachtleben bietet genug, auch ohne
einen Hörschaden zu riskieren. Da sind die Peking-Opera,
ein abendlicher Spaziergang über den Tiananmen-Platz
oder sogar Bridge-Clubs. Für wen das zu langweilig ist, der
sollte auf jeden Fall Sanlitun einen Besuch abstatten.
Hinweis: Um etwas abzukürzen, habe ich den gesamten Barbezirk
als Sanlitun bezeichnet. Einige der erwähnten Orte befinden
sich eigentlich weiter weg von der eigentlichen Straße mit
dem Namen. Sämtliche Kneipen und Bars lassen sich aber in
lokalen englischsprachigen Magazinen mit genauer Adresse finden.
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