Ein US-Amerikaner als Diener des chinesischen Volks
Von Tang Rong
David Deems hat einen chinesischen Namen: Ding Dawei. Er wird
in China der Lei Feng* der USA genannt, weil er in
die kleine Kreisstadt Dongxiang, nordwest-chinesische Provinz
Gansu, ging, um als Lehrer das lokale Bildungswesen zu unterstützen.
Mit einem derartigen Leben ist er sehr zufrieden.
In Dongxiang gibt es ein ca. 13 m2 großes ebenerdiges Zimmer
mit einem Schreibtisch, einem Computer, einem Sofa, zwei Aktenschränken
und einem Bett. Tagsüber dient es als Büro des Versuchsprojektes
für zweisprachigen Unterricht, das von der Ford-Stiftung
finanziell unterstützt wird; abends ist es das Schlafzimmer
von Ding Dawei. Das Bett ist ein ganz normales Einzelbett und
kürzer als Ding Dawei, der 1,93 m groß ist. Ding Dawei
sagt, er sei daran schon gewöhnt, weil er während seines
bis jetzt 10 Jahre dauernden Aufenthalts in China fast kein einziges
Bett hatte, welches für ihn lang genug gewesen wäre.
Darüber hinaus benutzt er immer zwei Bettdecken gleichzeitig,
weil eine normale Decke in China nicht lang genug ist.
Viele Einwohner von Dongxiang kennen Ding Dawei, ein großer
Ausländer, der oft hin und her geht. Seit 2000 ist
Ding Dawei hier als Freiwilliger in der Elementarerziehung tätig.
Die Kinder in der Schule lieben ihn sehr. Sie sind begeistert,
wenn sie diesen Riesen sehen, weil sie es gern haben,
dass er sie in die Luft hebt, um sie auf den Kopf zu drehen. Die
Kinder umringen Ding Dawei auch gern, um ihm den Basketball, den
er auf seinem Finger drehen kann, wegzunehmen. Ding Dawei spielt
seinerseits auch sehr gern mit den Kindern. Dabei ist er in bester
Stimmung und besonders ausgelassen.
Wo Lehrer am dringendsten gebraucht werden
Ding Dawei stammt aus einer mittelständischen Familie in
Cleveland, USA. Im dritten Jahr seines Studiums hielt er sich
ein Jahr als ausländischer Student an der Peking-universität
in China auf. Wie alle anderen ausländischen Studenten in
China reiste er durch dieses Land und probierte verschiedene chinesische
Delikatessen. Nach der Rückkehr in die USA erhielt er am
Asbury Theological Seminary in Kentucky den akademischen Magister-Grad
für klassische Literatur. Inzwischen hatte er herausgefunden,
dass er lieber Lehrer werden möchte. Nach Abschluss seines
Studiums arbeitete Ding Dawei ein Jahr in Japan. 1994 ging er
in die südost-chinesische Küstenstadt Zhuhai. Nach wie
vor ist er der Meinung, dass man, wenn man Lehrer werden will,
dorthin gehen soll, wo Lehrer am dringendsten gebraucht werden.
Aus diesem Grund verließ er Zhuhai später wieder und
nahm einen Zug nach Lanzhou, Hauptstadt der nordwest-chinesischen
Provinz Gansu.
In den Sommerferien des Jahres 1995 ging Ding Dawei an die Nationalitätenhochschule
Xibei (Nordwesten). In seinem Lebenslauf gab er als Hobby in ordentlicher
und sauberer Schrift an: Ich diene dem Volk gern.
Bis heute hat Ding Dawei dem Volk von Gansu schon 12 Jahre gedient.
Als ausländischer Lehrer erhielt Ding Dawei von der Nationalitätenhochschule
Xibei ein Monatsgehalt von 1200 Yuan. Aber nachdem er erfuhr,
dass er mehr verdiente als die einheimischen Lehrer, ging er zur
Hochschulverwaltung, um zu verlangen, dass sein Gehalt auf monatlich
900 Yuan auf die Höhe des Gehalts der anderen Lehrer
reduziert werde. Die Hochschulverwaltung war damit nicht
ganz einverstanden und schlug vor, dass sein monatliches Gehalt
1000 Yuan betragen soll. Aber Ding Dawei fand es noch zu hoch.
Nach mehrmaligen Verhandlungen wurde sein Gehalt schließlich
auf 950 Yuan festgelegt. Bereits im Jahr 1994, als Ding Dawei
als Lehrer an der privaten Enyi-Grundschule in Zhuhai tätig
war, hatte er auch eine Auseinandersetzung mit dem
Vorstandsvorsitzenden der Schule, weil er das gleiche Gehalt wie
die anderen Lehrer haben und ebenfalls in einem Zimmer ohne Klimaanlage
wohnen wollte.
Ding Dawei war an der Fakultät für Fremdsprachen der
Nationalitätenhochschule Xibei dafür bekannt, im Unterricht
viele Fragen zu stellen und auch viele Hausaufgaben zu geben.
In sieben Jahren korrigierte er jede Hausaufgabe Wort für
Wort, Satz für Satz. Er sagte den Studenten: Wenn ich
eure Hausaufgaben nicht korrigiert habe oder sich darauf nur ein
einfaches Zeichen, welches bedeutet, dass ich die Hausaufgaben
gesehen habe, finden lässt, braucht ihr zum nächsten
Mal keine Hausaufgaben mehr zu erledigen. Denn ich habe kein Recht
darauf, etwas von euch zu verlangen, wenn ich meinen Pflichten
nicht nachkomme.
Ding Dawei hat ein ungewöhnliches Können.
Im Unterricht verlese ich die Namensliste nie, weil ich
jeden Studenten kenne, sagt er stolz, ich brauche
nur einen Blick, um zu wissen, wer nicht zum Unterricht gekommen
ist. Dann fragt er einen Studenten, der mit dem Abwesenden
befreundet ist: Warum kommt dein Freund nicht? Ist er krank?
Bei jeder Gelegenheit fragte Ding Dawei, wo Lehrer noch dringender
gebraucht werden. In einem Gespräch mit einem Fahrer der
Nationalitätenhochschule Xibei erfuhr er vom rückständigen
Zustand des Bildungswesens der kleinen Kreisstadt Dongxiang. So
entschied er sich, nach Dongxiang zu gehen, weil er meinte, dass
man dort seine Hilfe besser gebrauchen kann. Aus demselben Grund,
aus dem er sein Heimatland, die USA, verlassen hatte, verließ
er diesmal Lanzhou. In der Hochschulbildung sind schon viele
Menschen beschäftigt, worauf der Staat auch großen
Wert legt. Zur Zeit sind an der Nationalitätenhochschule
Xibei bereits sieben ausländische Lehrer tätig. Im Gegenteil
dazu ist die Elementarerziehung aber viel schwächer besetzt,
sagt Ding Dawei und fährt fort: Dass die Analphabetenrate
in Dongxiang so hoch liegt, zeigt schon deutlich, wie dringend
notwendig die Entwicklung der dortigen Elementarerziehung ist.
Wenn ich aufgrund der viel besseren Bedingungen in Lanzhou bliebe,
dann wäre es sicherlich angemessener, gleich in die USA zurückzukehren.
Ich bin in China
Bei jeder Abreise in eine andere chinesische Stadt nahm Ding
Dawei immer eine Segeltuchtasche mit seinem ganzen Besitz mit.
Dazu gehören eine Mütze der Fußballmannschaft
seiner Heimat, die er gerne und voller Stolz trägt, um sie
anderen zu zeigen; ein Fotoalbum mit Bildern von seinen Familienangehörigen,
Freunden und Schülern, die er unterrichtet hat; ein edel
gerahmtes Familienfoto; zwei Anzüge, davon eine Militärjacke,
die sein Vater vor gut 40 Jahren als Soldat trug; ein Paar Sportschuhe;
einige alltägliche Bedarfsgegenstände wie Essbehälter,
Becher, Zahnbürste und Rasiermesser sowie schließlich
eine rote Fahne mit fünf gelben Sternen (Nationalflagge der
Volksrepublik China). Ding Dawei sagt: Ich nehme die Fahne
immer mit, um mich daran zu erinnern, dass ich in China bin und
möglichst viel schönes Chinesisch sprechen soll. Wenn
jemand in mein Zimmer tritt und sie an der Wand sieht, kann der
Abstand zwischen uns sofort kleiner werden. Außerdem, jedes
Mal, wenn ich diese chinesische Flagge sehe, ermahne ich mich
selbst, dass ich jetzt ein Lehrer in China und darum verpflichtet
bin, für China möglichst viel Wissen zu vermitteln und
dabei die Menschen zu erziehen.
Ding Dawei sagt, dass er im Jahr des Affen geboren wurde. Nach
der lokalen Rechenmethode von Dongxiang ist er jetzt 38 Jahre
alt. Aber nach Angaben seiner Mutter soll er erst 36 Jahre alt
sein, weil er seinen 37. Geburtstag noch nicht gefeiert hat. Manchmal
stellt Ding Dawei Fragen chinesischer Prägung,
wie z. B.: Hast du in Beijing eine Aufenthaltsgenehmigung?
Davon ist man dann sehr überrascht. Er selbst findet das
aber gar nicht erstaunend: Wenn du in einem Land mehr als
zehn Jahre lebst, würdest du auch solche Fragen stellen.
Der Kreis Dongxiang der Provinz Gansu ist der landesweit einzige
autonome Kreis der nationalen Minderheiten, in dem Angehörige
der nationalen Minderheit der Dongxiang den Hauptteil der Bevölkerung
stellen. Laut dem 5. chinesischen Zensus von 2000 war Dongxiang
die Minderheit in China mit den meisten erwachsenen Analphabeten,
genauer gesagt, 78,10% der Dongxiang im Alter von über 15
Jahren waren zu diesem Zeitpunkt Analphabeten.
So hat Ding Dawei den Wunsch, dass der Kreis Dongxiang eines
Tages nicht mehr diesen ersten Platz einnehmen wird.
Darüber hinaus hofft er, dass er mehr Zeit hat, um seine
Kenntnisse der Sprache der Dongxiang zu verbessern, und seine
Liebe findet. Er möchte dann mit dem Mädchen, das er
liebt, nach Qingdao, Provinz Shandong, reisen, um das Meer zu
beobachten, und auch gerne mit ihm gemeinsam das Taishan-Gebirge
besteigen.
*Lei Feng,
ein chinesischer Soldat der 1960er Jahre, war immer bereit, anderen
zu helfen. Der 5. März ist in China landesweit zum Tag
des Lernens von Lei Feng ausgerufen worden.
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