Männliche Hausangestellte sind gefragt
Von Li Minhui
Frau Liu wohnt bei Xiangshan, dem Duftenden Berg,
in Beijing. Ihr Vater ist schon 85 Jahre alt und sie bemühte
sich vor einiger Zeit um eine Haushälterin, die sich im Alltag
ganztägig um ihren Vater kümmern sollte. Der Sohn von
Frau Liu sagte scherzend: Es ist leicht, eine Ehefrau zu
finden, aber es ist schwer, eine Haushilfe anzustellen.
Eines Tages hörte Frau Liu beim Plaudern mit Nachbarn von
der Geschichte eines Hausangestellten, der Xiao Du (Kleiner Du)
genannt wird. In der Tat ist Xiao Du bereits über 50 Jahre
alt und hat einen über 90-Jährigen gepflegt. Außer
seinem Lohn erhielt er vom Arbeitgeber, dem Sohn des alten Mannes,
täglich nur zehn Yuan als Unkostenbeitrag für die Verpflegung
beider. Damit der gepflegte Alte möglichst gut essen konnte,
aß er selbst nur Grünkohl und Rüben, während
er für den alten Mann gedörrte Chinesische Datteln und
Judasohr kaufte, um etwas für dessen Gesundheit zu tun. Vor
kurzem starb der Alte an Altersschwäche, ohne zuvor eine
Krankheit gehabt zu haben, und Xiao Dus gute Betreuung hat sich
inzwischen herumgesprochen.
Frau Liu war der Meinung, Xiao Du sei genau die Person, nach
der sie gesucht hat. So beauftragte sie schnell jemanden, um Kontakt
mit Xiao Du aufzunehmen. Aber es gab noch einige andere Familien,
die Xiao Du anstellen wollten. Das machte Frau Liu wirklich nervös.
Sie telefonierte jeden Tag mit Xiao Du, um ihn dazu zu überreden,
ihren Vater zu betreuen. Um ihre Aufrichtigkeit zum Ausdruck zu
bringen, fuhr sie in die Heimat von Xiao Du, die in der Provinz
Shandong liegt. Schließlich sagte Xiao Du sein Kommen zu.
Nun steht der arbeitsame Xiao Du jeden Tag um 5.30 Uhr auf. Anschließend
hilft er dem Vater von Frau Liu, sich aus dem Bett zu wälzen
und sich anzuziehen. Danach stützt er den alten Herrn und
geht mit ihm zum Balkon, damit dieser reine, frische Luft atmen
kann. Währenddessen geht Xiao Du Fleisch, Gemüse o.
ä. für den ganzen Tag einkaufen. Nach dem Frühstück
gehen beide spazieren und er schiebt den Rollstuhl, in dem der
alte Herr sitzt.
Nach Aussage eines Geschäftsführers eines Vermittlungsbüros
für Hausangestellte hat seine Firma zur Zeit einige hundert
Frauen zu vermitteln. Im Gegenteil dazu gab es früher keinen
einzigen männlichen Hausangestellten. Aufgrund der Kundennachfrage
ist die Zahl der durch die Firma vermittelten Männer schon
auf zehn gestiegen. Die männlichen Hausangestellten haben
ihre Vorteile: Sie sind beispielsweise kräftiger als Frauen.
So ist es für sie keine nennenswerte Schwierigkeit, für
Gelähmte zu sorgen, einen Gasbehälter auf der Schulter
zu tragen usw. Männliche Hausangestellte sind also zunehmend
gefragt. Dies kann mit der Alterung der Gesellschaft im Zusammenhang
stehen.
Die Zeitung Peoples Daily hat Li Bengong, den
stellvertretenden Bürochef des Allchinesischen Arbeitskomitees
für alte Bürger interviewt. Bei dieser Gelegenheit gab
Herr Li die jüngsten Zahlen bekannt: Gegenwärtig gibt
es in China schon 143 Mio. Menschen, die über 60 Jahren alt
sind, was 11% der Gesamtbevölkerung Chinas entspricht. Dieser
Prozentsatz wird 2020 bei 17,2% und 2050 bei 31% liegen. Nach
der absoluten Zahl der alten Menschen nimmt China den ersten Platz
in der Welt ein. Die alten Chinesen machen 20% der Weltbevölkerung
hohen Alters und 50% derjenigen Asiens aus. 2050 wird es in China
mehr als 400 Mio. Menschen in hohem Alter geben.
Nach den Bestimmungen der UNO kann ein Land bzw. ein Gebiet als
überaltert bezeichnet werden, wenn die Einwohner über
60 Jahren dort mehr als 10% der Gesamtbevölkerung oder die
Einwohner im Alter von 65 Jahren aufwärts über 7% der
Gesamtbevölkerung ausmachen.
Als der Journalist zu Xiao Du kam, saß er mit dem von ihm
gepflegten Alten plaudernd in der Herbstsonne vor der Hoftür.
Der vollständige Name von Xiao Du lautet Du Youtian. Er stammt
aus Linyi, Provinz Shandong, und kam 2003 nach Beijing. In seiner
Heimat war er Koch in einem Restaurant. Weil er damals immer viele
Überstunden machen und bis spät in die Nacht aufbleiben
musste, konnte er das körperlich nicht aushalten. So beschloss
er, in Beijing als Hausangestellter tätig zu werden. Ich
will ein geregeltes Leben führen. In Bezug auf die
neue Arbeitsstelle war Xiao Du voller Zuversicht: Anfangs
war ich nur ein Kellner. Jetzt kann ich gut kochen. Außerdem
kann ich gut putzen bzw. aufräumen.
Aber aller Anfang ist schwer. Man stellt eine männliche
Haushilfe hauptsächlich deshalb an, weil kranke oder alte
Familienangehörige Betreuung brauchen. Die Haushilfen müssen
die Nacht über Bereitschaftsdienst leisten, körperlich
schwere Arbeit ausüben und für Kranke sorgen können.
Wenn es nicht darum ginge, einen Kranken zu betreuen, würden
wir keine männliche Haushilfe wollen, weil eine Frau besser
kochen und putzen kann, so wurde Xiao Du gesagt.
In dieser Situation entschied sich Xiao Du nun, Hauspfleger zu
werden, weil nach seiner Erfahrung das Angebot an männlichen
Pflegekräften die Nachfrage nicht befriedigen kann. Einerseits
brauchen die alten Leute, die zu Hause bettlägerig sind,
eine besondere Betreuung, andererseits brauche ich selbst Arbeit.
Der erste alte Herr, den Xiao Du betreute, hatte gelähmte
Beine. Aufgrund einer Geisteskrankheit versuchte er oft, andere
zu schlagen, was für die vier Haushälterinnen, die vor
Xiao Du die Betreuung übernommen hatten, unerträglich
war, so dass sie mit der Zeit alle auf diesen Job verzichteten.
Als Xiao Du den alten Mann sah, der unordentlich gekleidet und
schwunglos in seinem Rollstuhl saß, war er entschlossen,
ihn zu pflegen. Zwar bin ich ein Mann, aber ich glaube,
dass ich so gut wie eine Frau arbeiten kann. Ich verlange von
mir selbst, nicht nur noch geduldiger, sondern auch sorgfältiger
zu sein. Xiao Du weiß, dass alte Leute wie Kinder
sein können. Wenn man auf ihre Bedürfnisse eingeht,
sind sie zufrieden. Er unterhielt sich oft mit Familienangehörigen
des alten Mannes, um zu erfahren, was ihm gefällt und was
ihm nicht gefällt. Jeden Tag schaute Xiao Du Nachrichten,
um dem Alten etwas Interessantes erzählen zu können.
Darüber hinaus hatte er Massage gelernt. So massierte er
den alten Herrn häufig, was dazu führte, dass dieser
allmählich wieder ein Gefühl in den Beinen und Füßen
entwickelte. Das ermutigte Xiao Du, dem alten Mann weiter dabei
zu helfen, körperliche Ertüchtigung zu betreiben. Auch
dank der medizinischen Behandlung konnte der alte und kranke Mann
ein Jahr später wieder aufstehen, was vielen wie ein Wunder
schien.
Diese Nachricht wurde bald durch Straßen und Gassen verbreitet.
Bereits bevor der alte Mann wieder gesund wurde, wollten ein paar
Leute Xiao Du anstellen, weil sie auch Familienangehörige
hohen Alters zu Hause haben, die normalerweise niemand betreuen
will.
Ein anderes Mal wurde Xiao Du angestellt, um für einen alten
behinderten Menschen zu sorgen, der im 5. Stock wohnte. Früher
musste er die ganze Zeit beim Ofen hocken. Nun, wenn Xiao Du Zeit
hatte, begleitete er den Alten zum öffentlichen Platz des
Wohnviertels, um dessen Langeweile zu vertreiben. Es ist natürlich
nicht leicht, einen Behinderten aus dem fünften Stock hinunter
und anschließend wieder herauf zu bringen. Jedesmal musste
Xiao Du zuerst den Rollstuhl vom 5. Stock ins Erdgeschoss transportieren
und dann den Alten auf dem Rücken nach unten tragen. Bei
der Rückkehr nach Hause war wieder entsprechender Aufwand
nötig.
Normalerweise meint man, dass Männer nicht so sparsam wirtschaften
wie Frauen. Xiao Du ist aber eine Ausnahme. Jeden Tag geht er
ganz früh zum Gemüsemarkt des Wohnviertels und bummelt
hin und her, um die Preise zu vergleichen und Gemüse möglichst
frisch wie auch billig zu kaufen.
Der Vater von Frau Liu ist auch sehr sparsam. Dem Friseur, der
zu ihm kam, zahlte er jedesmal 15 Yuan. Der Alte ließ sich
die Haare immer sehr kurz schneiden, damit das Frisieren erst
wieder nach zwei bis drei Monaten notwendig war. Xiao Du hat das
bemerkt. So stand er jedesmal nah beim Friseur und beobachtete
dessen Arbeit sorgfältig. Mit der Zeit hat er das Frisieren
im Großen und Ganzen gelernt. Nun kann er dem alten Mann
schon selbst die Haare schneiden. Darüber freut er sich sehr:
Das Geld für das Frisieren wird gespart. Außerdem
besitze ich nun eine Handfertigkeit mehr.
Dank des fleißigen Xiao Du ist das Familienleben von Frau
Liu nun in bester Ordnung. Xiao Du hat sich noch etwas Zeit genommen,
um Blumen auf dem Balkon und im Korridor zu pflanzen. Es
ist selbstverständlich sehr anstrengend, einen alten Menschen
zu pflegen. Aber das, was mich am traurigsten macht, ist, wenn
mein Arbeitgeber sagt, dass ich nicht sorgfältig genug bin.
Außerdem sind Familien, in denen es nur weibliche Familienangehörige
gibt, sehr vorsichtig, wenn es um männliche Hausangestellte
geht, sagt Xiao Du.
Heute kommen ab und zu Haushälterinnen zu Xiao Du, um ihn
nach einem Rat zu fragen. Und es gibt immer mehr Leute, die von
der Geschichte von Xiao Du gehört haben und ihn anstellen
wollen. Xiao Du kann natürlich nicht jede Arbeit annehmen.
So empfiehlt er andere Hauspfleger. Xiao Du sagte dem Journalisten:
Ich habe vor, in absehbarer Zukunft gemeinsam mit meinen
Verwandten eine kleine Firma für Haushaltshilfe speziell
für alte Leute aufzumachen. Ich glaube, dass wir das gut
machen können. Zwar bin ich nicht gebildet, aber ich behandele
alte Menschen aufrichtig und aus ganzem Herzen. Wenn man andere
herzlich behandelt, kann man auch herzlich behandelt werden.
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