Gesichtsmaskentypen der Peking-Oper

Von Liu Jilin

 

Als ich noch ein Kind war, ging ich oft mit den Erwachsenen in die Peking-Oper. Mir gefielen besonders die farbenreichen, prunkvollen Kostüme und die bemalten Gesichter. Die Darsteller der Dan-Rolle sahen hübsch aus, die Xiao Sheng charmant, während die Lao Sheng sich würdevoll und kultiviert benahmen und die Chou, die Spaßmacher, voller Humor waren. Insbesondere interessierten mich die mit prächtigen Farben und wunderschönen Mustern bemalten Gesichtsmasken der Jing. Diese Gesichtsmaskentypen sind das besondere kosmetische Mittel der chinesischen traditionellen Oper.

Der Ursprung der bemalten Gesichter der chinesischen Opern reicht ins 6. Jahrhundert, in die Zeit der Südlichen und Nördlichen Dynastien, zurück. Der Überlieferung nach entwickelten sie sich aus den "Dai Mian" (Ersatzgesicht), die später "Masken" genannt wurden. In dem Werk Geschichte der Tang-Dynastie ist vermerkt, dass es Dai Mian bereits in den Südlichen und Nördlichen Dynastien gab. Zur Zeit der Nördlichen Qi-Dynastie gab es einen König namens Lan Lin. Er war der vierte Sohn des Kaisers Gao Zhan und ein gutaussehender und talentierter Mann, der zu kämpfen verstand. Um seinen Feinden Angst einzuflößen, trug er auf dem Schlachtfeld eine schrecklich aussehende Maske. Die feindlichen Soldaten hielten ihn für einen Gott vom Himmel und flüchteten bei seinem Anblick Hals über Kopf. Später wurde ein Gesangs- und Tanzdrama über diese Geschichte Die Gefechtsformation des Lan Lin-Königs verfasst.

Mit der Entwicklung der Opernkunst wurden die dargestellten Rollen und die Episoden immer inhaltsreicher und komplizierter. Da die Dai Mian den Anforderungen solcher Darstellungen nicht mehr entsprechen konnten, entstand eine andere Methode: Man malte die Muster direkt auf das Gesicht. Gemäß den langjährigen Erfahrungen der Schauspieler wurden die Muster der Gesichtsmaskentypen zum ersten Mal geordnet und in einem Handbuch zusammengefasst, das für die späteren Generationen aufschlussreich ist. Da die Gesichtsmasken von den Schauspielern selbst gemalt werden, unterscheidet sich jede von den anderen, auch wenn sie für die gleiche Rolle gedacht ist. Im Großen und Ganzen sehen sich die bemalten Gesichter verschiedener Darsteller für eine Rolle ähnlich, doch weisen sie gewisse kleine, jedoch charakteristische Unterschiede auf. Diese Darstellergruppen halten an ihrem eigenen traditionellen Stil fest.

Für jede Rolle gibt es eine entsprechende Gesichtsmaske. Die jeweiligen Gesichtspartien werden nach der Charakteristik der Rolle farblich mehr oder weniger hervorgehoben. An den Gesichtsmasken lassen sich Charakter, Moral, gesellschaftliche Stellung und das Alter sowie besondere Fähigkeiten einer Figur erkennen. Die bemalten Gesichter sind nicht nur Ausdrucksmittel darstellerischer Art, sondern auch von symbolischer Bedeutung. Nicht zuletzt besitzen sie eine stark dekorative Wirkung und zeigen positive oder negative Charakterzüge jeder Rolle.

In der chinesischen traditionellen Oper unterscheidet man zwischen vier Rollentypen: Sheng, Dan, Jing und Chou. Mit Sheng werden die Darsteller männlicher Hauptrollen bezeichnet; Dan sind die Frauenrollen. Die Jing sind die bemalten Gesichter-Rollen, die Chou schließlich die Spaßmacher. Die Gesichter der Sheng- und Dan-Rollen sind relativ einfach bemalt, während die Gesichter der Jing-Rollen kompliziert und sehr bunt geschminkt sind. Die Jing werden auch Buntgesicht (Hua Lian) genannt. Wie bei Kostümen gibt es auch eine Farbsymbolik der Masken. Jede Farbe hat eine bestimmte Bedeutung. Rot zeigt einen loyalen Charakter, Weiß zeugt von List, Gelb bedeutet Tapferkeit, Grün und Blau stehen meistens für Edelräuber und Geister, Schwarz für Unbestechlichkeit und Gerechtigkeit. Goldene und silberne Masken tragen die Göttinnen und Götter.

Die Bemalung der Gesichter kann in mehrere Gruppen eingeteilt werden: die vollständige Bemalung des Gesichts, die dreiteilige, die kreuzförmige, die scherbenförmige sowie die symbolische Bemalung.

Die vollständige Bemalung des Gesichts ist dadurch gekennzeichnet, dass die Maske hauptsächlich in einer Farbe getönt ist. Z. B. Guan Yu, ein General zur Zeit der Drei Reiche, wurde ganz rot bemalt. Im historischen Roman Die Drei Reiche wird geschildert, dass Guan Yu ein dattelrotes Gesicht hatte, was seinen loyalen, tapferen und gerechten Charakter zeigt. Die Chinesen respektieren ihn sehr. Man glaubte, er sei nach seinem Tode ein Gott geworden. So wurde seiner Maske etwas Geheimnisvolles hinzugefügt. Auf seinem Gesicht befinden sich außerdem sieben Muttermale, die sein ganzes Schicksal symbolisieren.

Die dreiteilige Bemalung des Gesichtes ist dadurch gekennzeichnet, dass es auf der Stirn und auf beiden Wangen drei augenfällige Farben gibt, die wie drei Dachziegeln aussehen, wobei die Lage der fünf Sinnesorgane angegeben werden soll. Diese Bemalung wirkt plastischer als die vollständige Bemalung. (Siehe Bild Dou Erdun und Dian Wei!)

Die kreuzförmige Bemalung des Gesichtes entwickelte sich auf der Grundlage der dreiteiligen Bemalung. Auf den Nasenrücken wird ein Streifen gezeichnet, der sich mit den Augenhöhlen kreuzt. So entsteht in der Mitte des Gesichts ein Kreuz. (Siehe Bild Meng Liang!)

Die scherbenförmige Bemalung des Gesichtes resultiert aus einer Veränderung der dreiteiligen Bemalung. Statt mit einer Hauptfarbe werden die beiden Wangen mit komplizierten Mustern und bunten Farben getönt. Nur an der Stirn bleibt ein einfarbiger Fleck zurück wie bei der dreiteiligen Bemalung. (Siehe Bild Xu Shiying!)

Die symbolische Bemalung des Gesichtes wird meistens für Geister und Gespenster angewandt, wobei die verschiedenen charakteristischen Muster Gesichter von Vögeln, Raubtieren, Fischen und Würmen u. a. symbolisieren. (Siehe Bild Sun Wukong, der Affenkönig!)

Die Masken der Unsterblichen werden hauptsächlich nach bekannten Vorlagen von Göttergesichtern gemalt, und zwar in Gold und Silber, z. B. die Buddhisten im Tempel, die Ehrfurcht erzeugen. (Siehe Bild Di Sha und Xiang Jian!)

Darüber hinaus gibt es noch eine sechsteilige und eine schuhförmige Bemalung des Gesichtes u. a. Manche Masken besitzen eine tiefe Symbolik, wie z. B. die interessante schwarz bemalte Maske von Bao Zheng, bekannter Präfekt aus der Song-Dynastie, die seine Rechtschaffenheit verdeutlichen soll. An seiner Stirn gibt es einen Halbmond, der seine Unbestechlichkeit andeutet. Er sei so klar wie der am Himmel hängende, helle Mond. Die eng zusammengezogenen Brauen symbolisieren, dass er um Land und Volk besorgt war. Man sagte ihm sogar nach, er könne sich der Fälle der Geister in der Unterwelt annehmen. Bei Tag - der Tag wird von der Sonne symbolisiert - verschwinden die Geister.

Manchmal gilt die Maske als Symbol einer bestimmten Fähigkeit; wie z. B. Meng Liang, ein General aus der Song-Dynastie, verstand sich besonders darauf, seine Feinde in Brand zu setzen, und besaß einen geheimen Feuerflaschenkürbis. So wurde auf seine Stirn immer ein roter Flaschenkürbis gezeichnet, Symbol eben dieser speziellen Fähigkeit.

Manche Gesichtsmasken sind von anderer tiefer Bedeutung. Xiang Yu, der König von Chu (Der König nimmt Abschied von seiner Lieblingsfrau) trug eine gabelförmige Maske, die zur kreuzförmigen Art gehört. Daraus ist abzuleiten, dass er ein eigensinniger und harthäckiger Herrscher war. Er lehnte alle Vorschläge ab. Nach seiner Niederlage schnitt seine Lieblingsfrau sich selbst die Kehle durch, und er warf sich in den Fluss, weshalb sein Gesicht mit länglichem und traurigem Ausdruck dargestellt wird. Das Wort "?" (Langlebigkeit) auf den beiden Seiten seiner Stirn und in der Mitte des Gesichtes bedeutet, dass er nur ein kurzes Leben hatte. Dazu kommt noch ein Beispiel: Cao Cao, die Hauptfigur zur Zeit der Drei Reiche, wird ganz weiß geschminkt, was seine Hinterlist charakterisieren soll. Andererseits war Cao ein hervorragender Stratege und hochgebildeter Gelehrter mit umfangreichen Wissen und Kenntnissen. Seine dünnen Augenbrauen sollen sein literalisches Talent darstellen. Die beiden immer lächelnden Augen zeigen, dass er talentierte Personen schätzte und alle seine Untergebenen höflich behandelte. Doch hinter seinem Lächeln war ein "Dolch" versteckt. Mann soll als Zuschauer wissen, dass man sich vor ihm in Acht nehmen muss.

Mit der Zeit ist die Gesichtsmaske eine neue, spezielle Kunstart geworden, die sowohl in der Malerei, als auch bei den Scherenschnitten und anderen Kunsthandwerken weit und breit angewandt wird und sehr beliebt ist.

Aus China im Aufbau, Nr. 9, 1986




 
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