Die
chinesische Sprache - eine neue Mode
Von Liu Renjie
Marie ist Reiseführerin an der Cote d'Azure in Frankreich.
Sie verschwendete keine Minute ihrer 20-tägigen Chinareise.
Zusätzlich zur gewöhnlichen Besichtigung von Sehenswürdigkeiten
und dem Essen in Restaurants nahmen sie und ihre Kollegen an einem
Chinesisch-Intensivkurs teil. Marie will in ihrem Heimatland eine
chinesischsprachige Reiseführerin werden. Sie denkt, ihre
Sprachkenntnisse werden ihr einen besseren Job verschaffen, weil
Frankreich immer mehr chinesische Touristen anzieht.
Der heutige Trend zum Chinesischlernen wurde nicht einfach durch
die alte Kultur des Landes ausgelöst. Das Hauptziel der meisten
Ausländer, die Chinesisch lernen wollen, ist, eine interessantere
Arbeit zu bekommen. Handelschinesisch und Sprachkurse für
Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) sind beliebt bei Ausländern,
die länger in China bleiben, diejenigen, die sich nur kurzfristig
in China aufhalten, bevorzugen Sprachkurse für Touristik,
laut Dr. Lou Tianyang, Chinesisch-Lehrer an der Zweiten Beijinger
Fremdsprachenhochschule (Erwai). Nach dem Studienabschluss finden
manche Studierende Arbeit bei internationalen Firmen in China,
andere kehren nach Hause zurück und verstärken dadurch
die Beziehungen zwischen China und ihren Heimatländern. Jean,
ein Jurastudent der Université de Lyon III, kam nach dem
Studienabschluss nach China und studiert zur Zeit an der Erwai
in Beijing. Er hat vor, nächstes Jahr den HSK (Leistungstest
Chinesisch) zu machen und nach Frankreich zurückzukehren,
um für die nationale Luftlinie im Bereich China zu arbeiten.
Alle vier Klassenzimmer im Jia Jia-Trainingszentrum sind voll.
Einige Studierende lernen Englisch, andere lernen Mittelschulmathematik
und -physik. Die meisten sind Koreaner. Zur Zeit leben schätzungsweise
20 000 Koreaner in Wangjing in Nord-Beijing und die Gemeinschaft
wächst jedes Jahr. China hat die USA überholt und ist
nun der größte Handelspartner Südkoreas. Immer
mehr Südkoreaner kommen nach China, um zu arbeiten und zu
studieren und heizen damit den Trend zur chinesischen Sprache
an.
Frau Kim kam mit ihrem Mann geschäftlich nach China und
nach nur sechs Monaten haben ihre Sprachkenntnisse einen großen
Fortschritt gemacht. Nachdem ihr Sohn so viele andere junge Koreaner
sah, die auch Chinesisch lernten, entschloss er sich, es ihnen
gleichzutun. Nun lernt die ganze Familie Kim Chinesisch.
Der Chinesisch-Trend
Dr. Lou nahm an der ersten Weltkonferenz für Chinesisch
im letzten Juli in Beijing teil. Er sagt: "Die Konferenz
wurde von Vertretern aus 70 Ländern besucht. Das zeigt die
zunehmende Popularität der chinesischen Sprache unter Sprachstudierenden
in der ganzen Welt." Zhang Xinsheng, Vizeminister für
Bildungswesen und Vorsitzender der staatlichen Führungsgruppe
für Chinesisch als Fremdsprache, kann Dr. Lous Meinung nur
bestätigen. Er sagt, dass sich die Nachfrage nun vom akademischen
und Unterrichtsbereich auf Einzelpersonen und Regierungen ausgeweitet
hat.
Entwicklungsländer und entwickelte Länder haben gleichermaßen
den Standard des Chinesischunterrichts den Bedürfnissen verschiedener
Gesellschaftsgruppen angepasst. Zhang sagt, dass die USA Ende
2003 das AP (Advanced Placement)- Chinesischprojekt begonnen haben,
bei dem die Noten des Faches Chinesisch an den Mittelschulen von
den Universitäten anerkannt werden. Ungefähr 2500 amerikanische
Schulen bieten in der Zwischenzeit den AP-Chinesischkurs an, ein
großer Sprung von den früheren 200 Schulen.
In Südostasien gibt es ca. 20 000 Chinesisch-Lehrer und
eine Fülle von Schulen, die Chinesischkurse anbieten, doch
die Region hat noch immer Mühe, mit der Nachfrage Schritt
zu halten. Das Bildungsministerium Indonesiens hat z. B. den Plan
bekannt gegeben, zwischen 2004 und 2007 in 8039 Mittelschulen
Chinesischkurse anzubieten und Südkorea hofft bis 2007 in
allen Grund- und Mittelschulen Chinesischkurse durchführen
zu können. In Südkorea sind die HSK-Zeugnisse heute
ein Kriterium für die Beförderung in vielen großen
Firmen. Die Zahl der koreanischen Universitäten, die Chinesischkurse
anbieten, ist von 20 in den 80er Jahren auf die heutigen 347 gestiegen.
Ist Chinesisch schwierig?
Tim ist ein kanadischer Student, der seit drei Jahren in China
lebt. Die chinesische Grammatik bereitet ihm keine Probleme mehr,
doch das Schreiben und die Aussprache findet er schwierig. Tims
Landsmann Peter hat die gleichen Schwierigkeiten, besonders mit
den vier Tönen, doch meint er, dass, wenn er einmal Pinyin
(die alphabetische Zeichenumschrift) gemeistert hat, auch seine
Aussprache der Töne besser wird. Die Chinesisch-Lehrer wissen,
dass die Schrift den westlichen Studierenden mehr Kopfzerbrechen
bereitet als den koreanischen und japanischen Studierenden, die
sie leichter aufnehmen können wegen der Gemeinsamkeiten mit
ihren eigenen Sprachen. Die westlichen Studierenden haben auch
Probleme mit der Aussprache, da Sprachen, die sich von Latein
ableiten, keine Töne haben.
Doch die Schwierigkeiten des Chinesisch-Spracherwerbs wurden
lange Zeit übertrieben. Pofessor Joel Bellassen vom französischen
Bildungsministerium sagt: "Chinesisch zu lernen ist nicht
schwierig, wenn man die richtige Umgebung und Interesse daran
hat. Der Schritt vom Alphabet zu den chinesischen Schriftzeichen
ist auf jeden Fall eine Herausforderung für unsere Denkweise
und eine Trainingsaufgabe für unser Gedächtnis."
Monique ist eine Rentnerin, die mit ihrem Mann nach China kam,
um die chinesische Sprache zu erlernen. Sie sagt, dass ihr Mann
und sie so von der einzigartigen chinesischen Kultur, die sie
während des französisch-chinesischen Jahres der Kultur
kennen lernten, fasziniert waren, dass sie beschlossen, Chinesisch
zu lernen. Ihr starkes Interesse an der Sprache lässt Monique
darauf vertrauen, dass sie sie auch einmal beherrschen wird.
Die Zukunft der chinesischen Sprache
Das rasch zunehmende Interesse an der chinesischen Sprache regte
Experten zu der Vorhersage an, dass Chinesisch eines Tages Englisch
überholen könnte, was die Anzahl der Sprachstudierenden
angeht. Dem stimmen aber nicht alle zu. Ein erfahrener Chinesischlehrer
sagt, dass Chinesisch sich ohne Frage rühmen kann, die Sprache
mit den weltweit meisten Sprechern zu sein, doch was die Popularität
betrifft, fällt Chinesisch weit hinter Englisch zurück.
Ein Trend existiert sicherlich in Ländern wie Japan und Südkorea,
aber das gilt nicht für den Rest der Welt.
Die französische Touristin Lina meint, dass zwar immer mehr
Franzosen Chinesisch lernen, es aber nicht so populär wie
Englisch, Deutsch oder Spanisch ist. Chinesisch und Italienisch
nehmen den dritten Platz in der Liste der am meisten gelernten
Sprachen in Frankreich ein.
Ob global oder nicht, die Zunahme des Trends zum Chinesisch-Studium
ist offensichtlich und die chinesische Regierung fördert
diesen Trend aktiv im Ausland. Letztes Jahr stimmte der Staatsrat
dem "Chinese Bridge"-Projekt zu, das darauf abzielt,
die Verbreitung der "Konfuzius-Institute" (chinesische
Sprachschulen im Ausland) und des "Great Wall Chinese"
(Internet-Lehrmaterialien) zu beschleunigen. Mit der rapiden Entwicklung
des Landes wird Chinesisch Englisch in der Zukunft in mancher
Hinsicht vielleicht wirklich einmal überholen.
HSK:
HSK (Hanyu Shuiping Kaoshi) ist ein standardisierter
Test, der entwicklet wurde, um die Chinesisch-Sprachkenntnisse
von Ausländern, Überseechinesen und Angehörigen
chinesischer ethnischer Minderheiten beurteilen zu können.
Der Test besteht aus drei Stufen: HSK-Grundstufe, HSK-Mittelstufe
und HSK-Oberstufe. Prüfungen werden regelmäßig
in China und anderen Ländern abgehalten. Bis Juni 2005 haben
mehr als 400 000 Ausländer in 154 Prüfungsstätten
in 37 Ländern an dem Test teilgenommen.
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