Traditioneller
Handel in Tibet (2)
Handel durch Klöster
Auch tibetische Klöster treiben traditionell Handel. Größere
Klöster haben sogar spezielle Handelseinrichtungen. Vor den
50er Jahren des vorigen Jahrhunderts gab zum Beispiel im Qambaling-Kloster
insgesamt neun Geschäftsräume: den des Klosters, den
des Lebenden Buddhas sowie sieben für die Chagcangs (buddistischen
Kollegien). Dort waren 49 Leute ausschließlich mit dem Handel
beschäftigt. Die Handelseinrichtungen verfügten über
ein Kapital von mehr als einer Mio. Silberdollar. Gehandelt wurde
vor allem mit Salz, mit Tee aus Sichuan, mit Hadas, Stoffen, Wolle
und anderen einheimischen Produkten. Das Cernyi-Chagcang mit einem
Kapital von 100 000 Silberdollar war auf den Handel mit indischen
Waren spezialisiert. Wichtige Handelsstädte waren Qamdo und
Lhasa. Der jährliche Reingewinn des Chagcangs betrug etwa
3000-4000 Silberdollar. Das zeigt, dass von den Klöstern
lange Zeit Handel getrieben wurde.
Der Handelsbetrieb machte aber nur einen Teil der Klosterwirtschaft
aus. Die Klöster betrieben auch Vieh- und Landwirtschaft
und hatten eigene Handwerker. Vor den 50er Jahren waren die tibetischen
Klöster eine wirtschaftliche Macht. In den 2670 größeren
und kleineren Klöstern lebten 120 000 Mönche und Nonnen.
Das waren etwa 10% aller Einwohner Tibets. Die Klöster besaßen
36,8% der Äcker und knapp die Hälfte aller Haustiere.
80% der Kreditgeschäfte wurden von den Klöstern getätigt.
Die Klosterwirtschaft spielte eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft
wie in der Wirtschaft Tibets. Die Klöster schmarotzten aber
nicht von der weltlichen Wirtschaft, vielmehr stellte ihre Wirtschaft
ein relativ selbständiges System dar und mischte sich sogar
in die weltliche Wirtschaft ein. Der Kapitalzustrom förderte
gleichsam unausweichlich den Klosterhandel. Die größeren
Klöster strebten sogar Monopolstellungen in verschiedenen
Handelsbereichen an und erhielten sie auch für einige wichtige
Waren zugestanden.
Im Ergebnis der demokratischen Reform verloren die Klöster
ihre feudalen Sonderrechte, ihre riesigen Weidegebiete und Äcker.
Sie durften nun nicht mehr den Bauern und Hirten Frondienste abverlangen
und Kredite zu Wucherzinsen vergeben. Man verlangte nun, dass
sich die Klöster selbst zu versorgen hatten.
In den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts gründete das Tashilhunpo-Kloster
die Handelsfirma Gangjian, deren heutiges Kapital 10 Mio. Yuan
beträgt und die damals unter anderem Wege zur Selbstversorgung
der Klöster erkundete. Tatsächlich war es ja schon lange
üblich, dass die Klöster handelten und Geschäfte
machten. Der Frage der Selbstversorgung schenkte der verstorbene
zehnte Panchen große Aufmerksamkeit. 1987 fasst er die Besonderheiten
der Verwaltung des Tashilhunpo-Klosters unter sozialistischen
Bedingungen zusammen. Er unterstützte die Klöster bei
der Selbstversorgung, indem er sie ermunterte, ihre Land-, Vieh-
und Forstwirtschaft sowie den Handel zu entwickeln. Die Klöster
wurden aufgefordert, daraus Einnahmen zu erzielen, was den Staat
und die Volksmassen entlasten sollte. Dadurch leisten die Klöster
ihre Beiträge für die Gesellschaft, was große
Anerkennung beim Panchen Lama fand. Natürlich brauchten die
Klöster zur Selbstversorgung eine gewisse wirtschaftliche
Grundlage und mussten notwendigerweise Geschäfte tätigen.
Heute sichern die Klöster mit ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit
nicht nur die eigene Versorgung, sondern fördern dadurch
auch die wirtschaftliche Entwicklung in den ortsansässigen
Bauern- und Hirtenfamilien. Als Beispiel für eine Klosterbewirtschaftung
sei hier das Sera-Kloster angeführt. Es hatte im Jahre 1992
860 000 Yuan Einnahmen; diese setzten sich zusammen aus: ca. 400
000 Yuan Almosen, 52 211 Yuan aus Transporten, 121 188 Yuan aus
den Obstgärten, 25 000 Yuan aus den Läden, 34 000 Yuan
aus den Restaurants, 9911 Yuan aus der Viehwirtschaft, 54 445
Yuan aus Eintrittskarten für das Kloster einschließlich
Fotoerlaubnis, 6000 Yuan für Näharbeiten und 45 702
Yuan aus sonstige Quellen. Ein anderes Beispiel ist das Qambaling-Kloster
in Qamdo. Es besitzt gegenwärtig zwei Fabriken für Getreideverarbeitung,
eine für Holzverarbeitung sowie zwei Läden, die Gebrauchsartikel
wie Buddhastatuen, Butteröl, Weihrauchstäbchen und Kerzen
führen. Acht Zoibas (Sachwalter) sind zuständig für
Wirtschaft und Verwaltung. Außerdem besitzt das Kloster
Obstgärten sowie sechs LKW der Marke Dongfeng. Das Mingzhoiling-Kloster
in Shannan hat vor kurzem mit einer Investition von 10 000 Yuan
einen kleinen Laden eröffnet. Der tägliche Nettogewinn
daraus beträgt mehr als 160 Yuan, was für ein Kloster
in einem entlegenen Berggebiet ein beachtliches Einkommen darstellt.
Mit eigenen Kräften die bisherigen Geschäftsfelder auszuweiten,
ist eine wichtige Methode der Klöster, um ihre Einnahmen
zu steigern. Das Samye-Kloster hat sich eine Betriebsabteilung
geschaffen, die Transport und Fähren betreibt. In vielen
Klöstern ist es üblich, dass Mönche an Ständen
etwas verkaufen. Und bei festlichen Veranstaltungen sieht man
unter den lokalen Händlern oft auch Mönche in purpurnen
Mönchskutten, die Getränke wie Coca Cola in Dosen, Pepsi
in Flaschen sowie Jianlibao, Bonbons, Instandnudeln, Obstkonserven,
Erdnüsse, Äpfel, kondensierte Sojasoßen und Sonnenblumenkerne
verkaufen.
Heute ist das Kloster, der heilige Ort, im Bewusstsein
der Anhänger des tibetischen Buddhismus längst untrennbar
mit seinen Geschäftstätigkeiten verbunden. Die von den
Klöstern gegründeten Betriebe mit einem Lebenden Buddha
als Manager und Lamas als sprachkundige Reiseführer kennzeichnen
eine Entwicklungstendenz bei den tibetischen Klöstern.
Almosen: Austausch von Naturalien gegen geistlichen Trost
Almosen kann man als einen materiellen wie geistigen Austausch
interpretieren.
Fromme Gläubige beten im Kloster vor Buddhastatuen, drehen
Gebetsmühlen und spenden Geld oder Dinge. Almosen sind die
Mittel, mit denen die Gläubigen dem Gebot der Wohltätigkeit
nachkommen. Naturalien werden gespendet, um dafür geistlichen
Trost zu erhalten; wer von seinem diesseitigen Vermögen etwas
abgibt, wird im nächsten Leben mit einer besseren Existenz
belohnt. Die Almosengeber tauschen also materielle Güter
gegen ein ideelles Wohl. Beim Almosengeben muss man darum ganz
ehrlich sein. Zwar hängt die Größe der Spende
mit der Zahl der geleisteten Wohltaten zusammen, aber die eigentliche
Bedeutung liegt darin, dass der Almosengeber eine gewisse psychische
Befriedigung erfährt - und das Kloster im Gegenzug Geld und
Sachwerte erhält. So gewinnen beide Seiten bei diesem Tausch.
Almosen sind nach wie vor eine wichtige Einnahmequelle der Klöster;
in der Regel stammt der überwiegende Teil der Einkünfte
eines Klosters auch heute aus diesen Spenden. Z. B. stammt fast
die Hälfte der Einnahmen des Sera-Klosters aus Almosen. Nach
einer Untersuchung im Jahre 1998 erhielt jeder Mönch eines
Klosters in Lhasa 1000 bis 1300 Yuan Almosen. Natürlich hängt
die Größe der Spende von den wirtschaftlichen Bedingungen
der Almosengeber ab. Mit verbesserter wirtschaftlicher Situation
der Bauern und Hirten werden auch mehr Almosen gegeben. Im Jahr
1994 gaben von 45 Haushalten in Lugu, Lhasa, 37 Almosen. Das gespendete
Geld und der Geldwert der gespendeten Naturalien dieses Jahres
betrugen 33 292 Yuan, was 5,26% der Familienausgaben ausmachte.
Davon erhielten die Klöster und Mönche 31 122 Yuan,
die restlichen 2170 Yuan bekamen die Bettler, denen die Spender
auf dem Umwanderungsweg begegneten. Bei diesem materiell-ideellen
Tausch sind die Klöster als heilige Träger des Glaubens
und die Mönche als dem Buddha nächste Menschen selbstverständlich
direkte Nutznießer der Almosen.
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