Das fröhliche Leben der alten Leute

Von Lu Rucai

Bis zum Ende 2005 erreichte die Zahl der Chinesen, die älter als 60 Jahre sind, 143 Mio. – das sind 10% der gesamten Bevölkerung. Ihrem Leben schenkt die Gesellschaft immer größere Aufmerksamkeit. Für die meisten städtischen Rentner ist das Leben jedoch nicht eintönig. Im Vergleich zum Leben der Senioren einige Jahrzehnte zuvor ist der Lebensabend von heute reichhaltiger geworden, denn die alten Menschen treiben heute Sport, lernen und reisen. Fast jeder von ihnen hat seine Art und Weise, die Freizeit zu gestalten und sich zu vergnügen.

Sportarten und Vergnügungsweisen: von der Tradition bis zum Zeitgeschmack

Nicht nur in den Großstädten – wie in Beijing und Shanghai –, sondern auch in den entlegenen Kreisstädten Chinas sieht man ältere Leute auf freien Plätzen und in Parks, wo die Luft frisch ist, den traditionellen chinesischen Yangge- oder Standardtanz tanzen, ein Schwert schwingen oder das Schattenboxen üben. Sie bilden eine sehenswerte Szenerie im Alltagsleben der Chinesen.

Der 80-jährige Zhang ist seit mehr als 20 Jahren im Ruhestand und wohnt nun im Wohnheim für pensionierte chinesische Revolutionsteilnehmer. Er steht jeden Tag um sechs Uhr auf, joggt eine Stunde lang und übt dann das Schattenboxen. Nach dem Frühstück übt er mit dem Taiji-Schwert oder tanzt mit seiner Frau einen Diskotanz, dessen Choreographie speziell für ältere Leute bestimmt ist. Nach dem Abendessen wird gewöhnlich ein zweistündiger Spaziergang gemacht. Seine Enkelin Sun Wenting sagt: „Meine Großeltern treiben seit einigen Jahrzehnten Sport, nichts kann sie daran hindern. Wir jungen Leute haben selten die Ausdauer.“

Anders als Lao Zhang, härten viele alte Leute in Parks oder auf öffentlichen Plätzen ihren Körper ab, anstatt dies im Wohnviertel zu tun. Auch der grauhaarige Liu ist ein Stammgast im Park des Himmelstempels in Beijing. Jeden Morgen ist er um sechs Uhr dort zu finden, seine Sportart ist das Schattenboxen. Viele ältere Leute kommen in den Park des Himmelstempels, um bei ihm kostenlos das Schattenboxen zu lernen. „Ich hoffe, dass immer mehr ältere Leute an den körperlichen Ertüchtigungen teilnehmen. Es ist mir eine große Freude, wenn viele Leute in meinem Alter mit mir zusammen trainieren und wir uns dabei unterhalten.“ Lao Liu genießt diese Art zu leben. Seine Frau war eine Tänzerin und gibt den älteren Anwohnern Standardtanz-Unterricht. Das macht dem alten Ehepaar Freude. Für ihre in die Jahre gekommenen Schüler ist das Trainingsprogramm im Park vielfältig und darüber hinaus brauchen sie fast nichts auszugeben, was der sparsamen Lebensgewohnheit der chinesischen Senioren entspricht.

Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung ergab, dass körperliche Ertüchtigungen bei älteren Chinesen sehr verbreitet sind, 55,8% der Chinesen halten sich in hohem Alter damit fit. Einige typisch chinesische Trainingsarten, wie das Schattenboxen und das gesundheitsfördernde Qigong, erfreuen sich bei den Senioren allgemeiner Beliebtheit; der Yangge-Tanz, Gesang und andere Tänze sind vor allem bei älteren Frauen beliebt. Die 54-jährige Frau Meng steht kurz vor dem Ruhestand, sie sagt: „Wenn ich in den Ruhestand trete, werde ich mich anfangs bestimmt einsam fühlen und mich nicht an das Leben im Ruhestand gewöhnen können. Aber ich habe mir schon gut überlegt, dass ich an einem Senioren-Chor teilnehmen werde. Der Tuanjiehu-, Chaoyang- und Xiangshan-Park sowie viele andere Parks haben jeweils einen eigenen Senioren-Chor. Ich habe gehört, das der Chor des Jingshan-Parks relativ groß ist. Für diese Art, sich zu vergnügen, braucht man nicht viel auszugeben. Sie kann aber das Leben der im Ruhestand stehenden Leute bereichern und wird von Leuten aus verschiedenen Einkommensschichten akzeptiert.“

Die Sportarten und Vergnügungsweisen, die zu den Leuten in hohem Alter passen, erfahren heutzutage auch Veränderungen. 2003 begann der Stepptanz, sich in China zu verbreiten. Ein Jahr später ist der von Tanzliebhabern aufgeführte Stepptanz bereits oft auf vielen öffentlichen Plätzen, in Parks oder in Wohnvierteln zu bewundern. Im Beihai-Park gibt es bereits über 200 Senioren-Stepptänzer. Einer von ihnen meint: „Es gibt im Beihai-, Jingshan-, Botanischen und Taoranting-Park Senioren-Stepptanz-Aufführungen. In Wohnvierteln lernen noch mehr Leute in hohem Alter den Stepptanz.“ Dank der wachsenden Stepptanz-Popularität ist die Nachfrage nach Tanzschuhen entsprechend gestiegen. In den Läden für Theater- und Tanzartikel findet man die Stepptanzschuhe oft auf den ersten Blick, sie werden inzwischen sogar in Supermärkten verkauft.

Einige Fitnessstudios haben das Marktpotential erkannt und Trainingsprogramme für Senioren ausgearbeitet. Das Jingti-Fitnessstudio ist eins davon. Zhou Min, leitende Trainerin des Fitnessstudios, äußert in diesem Zusammenhang: „Wir möchten versuchen, Menschen mittleren und gehobenen Alters einen Raum für den Hallensport anzubieten.“ Sie treiben Sport bisher meistens im Freien, doch soll es für diese Altersgruppen auch Fitnessräume geben. Für ältere Leute werden verschiedene Kurse für Geräteturnen oder Tanzen veranstaltet, wofür monatlich ungefähr 200 Yuan bezahlt werden müssen.

Ältere Leute können auch online surfen

Für den 73-jährigen Cheng ist der Computer bereits ein unentbehrlicher Teil seines Lebens geworden. Den ersten Kontakt hatte er mit einem gebrauchten Computer seines Sohnes. Durch die Möglichkeiten – Eintippen von Texten, Teilnahme an Internetspielen sowie Online-Lesen und Bloggen – hat der Computer Chengs Leben völlig verändert. Mittlerweile genügt der alte Computer Herrn Cheng nicht mehr. Da er sich einige Kenntnisse über die Hardware angeeignet hatte, ließ er sich beim Elektro-Markt einen neuen Rechner zusammenbauen. Dies hat seinen Sohn, der im IT-Bereich tätig ist, sehr erstaunt.

„Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass mein Vater einen so großen Fortschritt im Computer-Wissen gemacht hat. Früher ließ er mich oft für seinen Computer eine Software installieren oder die Viren entfernen. Jetzt kann er kleine Probleme schon alleine lösen.“ Sein Sohn Cheng Fan hat beruflich sehr viel zu tun und kommt deshalb nicht oft nach Hause. Aber das große Interesse seines Vaters für Computer und seine Lernfähigkeit haben ihn überrascht.

Nach statistischen Angaben des China Internet Network Information Centre (CNNIC) stieg der Anteil von Internetnutzern im Alter von über 60 Jahren zwischen 2001 und 2005 von Jahr zu Jahr. Die Zahl der Internetnutzer in hohem Alter betrug 2005 landesweit 1,218 Mio., eine Zunahme um das vierfache gegenüber 2001.

Mit der Verbreitung von Computern wird die Zahl der Internetnutzer im Seniorenalter weiter wachsen. Eine kürzlich von der Firma „Horizon Research“ in China durchgeführte Untersuchung zeigt, dass 60% von den 2379 Befragten im Alter von über 60 Jahren gewillt sind, sich Computerkenntnisse anzueignen; über 70% glauben, dass sie mit Hilfe des Computers Kontakte mit der Gesellschaft pflegen und sich besser über die Welt informieren können; über 40% der Befragten meinen, dass der Computer ihnen eine Annäherung an ihre Kinder ermöglicht. Nach der Untersuchung besitzen 24,7% der befragten Familien älterer Leute einen Computer, ihn benutzen können aber lediglich 6,7%.

Die Computer-Begeisterung älterer Leute hat die Aufmerksamkeit kluger Netzbetreiber auf sich gezogen. Im Jahr 2000 begann Wu Hanzhang, der die Fudan-Universität Shanghai in der Fachrichtung Informatik absolvierte, mit einem Freund eine Website einzurichten. Wu war zu der Auffassung gelangt, dass ältere Leute eine von Netzbetreibern vernachlässigte Gruppe bilden, seiner Meinung nach eine Marktlücke. Er und sein Freund ließen ihre Firma, die Website „alte Kinder“ (www.oldkids.com.cn), umgehend registrieren, so dass diese bereits im August des gleichen Jahres online aufgerufen werden konnte. Bereits zu seiner Studienzeit war Wu ein aktives Mitglied des Altenhilfe-Verbands. Diesmal wollte er den Alten erst einmal beim Umgang mit dem Computer helfen. Daher bestand das Geschäft seiner Firma zunächst im Wesentlichen darin, diese „alten Kinder“ für den Online-Besuch zu schulen. Da dieser Service bei Rentnern auf reges Interesse stößt und ihren Lebensabend bereichert, ist er besonders gefragt.

Heutzutage hat die Firma mehr als 20 Computer-Kurse in allen wichtigen Bezirken und Kreisen Shanghais. Mit den Computer-Kursen hat die Firma 2005 insgesamt 250 000 Yuan erwirtschaftet, 1/4 der gesamten Einnahmen der Website. Da die Website relativ früh gegründet wurde, hat sie an Bekanntheit gewonnen. Die Teilnehmerzahl ist beachtlich. Der Computerriese IBM hat über das Arbeitskomitee für Senioren der Stadt Shanghai ihren Wunsch nach der Zusammenarbeit mit der Firma „Alte Kinder“ ausgedrückt. Die Firma liefert IBM für dessen – in Bezug auf die Internetnutzer in hohem Alter entwickelten – Online-Hilfsmittel und Produkte Meinungen und Daten der Internetbenutzer. Die Firma „Alte Kinder“ wurde auch dazu ausgewählt, die Website sh.chinavnet.com für Shanghai Telecom zu erstellen und zu betreiben.

Hou Tao, Vizedirektor für Forschung der Beratungsfirma iResearch, meint: „Zur Zeit sind die Internet-Produkte und der Service für ältere Leute noch eingeschränkt. Der Markt für Internetnutzer im Seniorenalter ist ein noch unerschlossenes Gebiet.“ Ab März 2005 war dann das Portal chelder.com.cn online. Damit zielt das in Beijing liegende Hauptquartier des Portals auf die Chinesen gehobenen Alters in aller Welt und bietet ihnen online umfassende Dienstleistungen – von der kostenlosen Mailbox und Suchmaschinen bis zu Bloggen, Ehevermittlung und Freundschaftsschließung – an. Es war der Gründer Xu Yimeng, der die Marktlücke im Internet ebenfalls erkannte und deshalb für Senioren diese Website einrichtete.

„Grauhaarige Reisegruppen“ gedeihen

„1000 Alte gehen ins Landschaftsgebiet Zhangjiajie“, „10 000 Alte reisen nach Anji“... Das sind keine Parolen von irgendeiner Firma, sondern Angebote für ältere Leute, die von einigen Reisebüros Shanghais gemeinsam ausgearbeitet wurden. Tausende und Abertausende Senioren aus den umliegenden Gebieten Shanghais haben an derartigen Reisen teilgenommen.

Der 68-jährige Herr Li und seine Frau haben sich für eine Reise auf die Insel Hainan angemeldet. Da die Reiseroute speziell für ältere Leute geplant ist und die Reisegruppe von Ärzten, die sich um teilnehmende Herz- oder Kreislaufpatienten bzw. Patienten mit Blutkrankheiten kümmern, und von Osteologen begleitet wird, machen sich die Kinder gar keine Sorgen um die Gesundheit ihrer Eltern, wenn sie an einer solchen Reise teilnehmen. „Früher kontaktierten unsere Kinder für uns ein Reisebüro und bezahlten die Reisen. Jetzt nehme ich alles von der leichten Seite. Meine Frau und ich haben unsere Renten und genügend Spareinlagen. Warum machen wir das alles nicht selber?“ Herr Li gibt zu, dass er früher althergebrachte Auffassungen vertrat und die Reisen zu kostenspielig fand. Nach ein paar Reisen schwärmt er nun für diese Art, sich zu vergnügen. Jährlich geht das alte Paar mindestens zwei- bis dreimal auf eine Reise. Sie haben bereits viele Städte und Sehenswürdigkeiten besichtigt. „Wenn es uns unser Gesundheitszustand erlaubt, möchte ich für die nächste Reise mit dem Zug nach Tibet fahren.“

Nach Angaben einer vom Chinesischen Arbeitskomitee für Senioren durchgeführten Untersuchung sind 20% der in einem Jahr reisenden chinesischen Touristen Menschen gehobenen Alters. Informationen aus dem – vom Fachkomitee für Senioren-Reisen beim Senioren-Verband der Stadt Shanghai veranstalteten – „3. Symposium für Senioren-Reisen 2005“ zufolge machen zur Zeit die Touristen im Alter von über 50 Jahren 30–40% der reisenden Einwohner Shanghais aus, das wären über 10 Mio. Menschen, wobei 75% von ihnen an ein- bis dreitägigen Reisen teilgenommen haben und 23,75% von ihnen ins Ausland reisten. Nun bieten landesweit fast alle Reiseagenturen speziell für ältere Leute ausgearbeitete Reiserouten an. Allein in Shanghai gibt es schon etwa 100 Reisebüros, die mit ihrem Reise-Angebot den Senioren zur Verfügung stehen.

Einem für diesen Bereich verantwortlichen Mitarbeiter von China Overseas Travel Service zufolge wird der Markt für spezielle Reiseangebote für Senioren noch wachsen. Außerhalb der Reisesaison machen die Reiseangebote für Senioren zur Zeit 50% des Fremdenverkehrsmarktes aus. Gegenwärtig gehen Frauen im Alter von 50 oder 55 Jahren in den Ruhestand und Männer im 60. Lebensjahr. Sie können dann jederzeit verreisen, wann sie wollen. Außerdem sind sie in einem bestimmten Maße bereit und fähig, zu konsumieren. Aber die meisten älteren Leute bevorzugen preiswerte Reisen, daher werben viele Reiseagenturen mit Billig-Reisen. Experten weisen jedoch darauf hin, dass immer weniger Touristen gehobenen Alters Wert auf niedrige Preise legen.

Einer Untersuchung nach sind 45% der Stadtbewohner im Alter von 60 bis 65 Jahren immer noch berufstätig. Zusätzlich zu den Renten beziehen sie noch ein Nebeneinkommen. Eine vom Chinesischen Wissenschaftlichen Forschungszentrum für Senioren durchgeführte Untersuchung zeigt auch, dass 42,8% der städtischen Senioren über Spareinlagen verfügen. Allein die Renten werden bis zum Jahr 2010 auf 838,3 Mrd. Yuan, 2020 auf 2,8145 Billionen und 2030 auf 7,3219 Billionen Yuan steigen. Diejenigen Wirtschaftszweige und Dienstleistungsbereiche, die direkt oder indirekt Angebote für Senioren anbieten, können zukünftig mit großen Geschäftschancen rechnen.

 
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