Kung-Fu-Tanztheater
aus dem Shaolin-Tempel
Von Zhang Xueying
Shaolin in the Wind ist ein Zusammenspiel von Kampfkunst,
Volksmusik und Tanzaufführung der Mönche aus dem Shaolin-Tempel,
der Heimat der chinesischen Kampfkünste, und dem besten,
was das Zhengzhouer Gesangs- und Tanzensemble zu bieten hat. Das
Stück ist Chinas neuester Schauspielexport nach Nordamerika.
Die Vorbereitungen, in Gestalt eines überarbeiteten Skriptes
und der entsprechenden Darbietung, für die mit 800 Auftritten
geplante US-Tour, die dieses Jahr startet, laufen derzeit.
Chinas künstlerische Darbietungen haben sich auf den Bühnen
in Übersee bekannt gemacht, aber nur zwei davon sind in Nordamerika
bisher gut aufgenommen worden: Along the Silk Road, ein
Schauspiel, dessen Stoff aus den Gemälden der Mogao-Grotten
der Tang-Dynastie (618907) entnommen ist, und die Bühnenversion
von Zhang Yimous Raise the Red Lantern. Da das Stück
Impressions of Yunnan, ein Bühnenstück, das auf der
Kultur der nationalen Minderheiten in der Provinz Yunnan beruht,
in den USA zu einem Misserfolg wurde, obwohl der Zuspruch im eigenen
Land sehr hoch war, setzt man nun große Hoffnungen auf einen
Erfolg von Shaolin in the Wind.
Eine alte Geschichte modern erzählt
Shaolin in the Wind ist eine ergreifende Liebesgeschichte.
Die Protagonisten sind Tianyuan und Sushui, die während einer
Militärinvasion voneinander getrennt werden. Tianyuan wird
dabei schwer verletzt und von Mönchen im Shaolin-Tempel wieder
gesund gepflegt. Sich unendlich nach seiner großen Liebe
sehnend, die sich in den Händen des Feindes befindet, zwingt
er sich zu einem Studium der Kampfkünste, welches er geradezu
fanatisch verfolgt. Erst Jahre später werden die sich Liebenden
wieder vereint, aber auch nur kurz, da Sushui ihr Leben opfert,
um Tianyuan vor den Feinden zu retten. Von Wut und Trauer getrieben,
führt Tianyuan nun die Shaolin-Mönche an, um die Feinde
in die Flucht zu schlagen. Danach widmet er sich selbst dem Studium
des Buddhismus und der Kampfkunst.
Das Bühnenstück kombiniert chinesisches Kung-Fu mit
den Tanzkünsten der 3600 Jahre alten Kultur Zentralchinas,
dessen Zentrum in der Provinz Henan liegt. Die Choreografie wird
inspiriert durch traditionelle Volkstänze, Volksmusik, kleine
Lieder und Lokalopern. Die Volksmusik wird auf für die Region
typischen Instrumenten wie z. B. der Suona, eine Art Holzrohrtrompete,
und der Sanxian, eine Art Zupfinstrument mit drei Saiten, gespielt.
Auf seine ganz eigene Art und Weise bringt der Bühnendesigner
Huang Kaifu in seinen Szenarien seine Verehrung des Shaolin-Tempels
zum Ausdruck. Auf der Bühne sind die Reproduktionen der Steinlöwen
am Tempeleingang in Originalgröße, Pagoden, die die
Ruhestätten der ehrwürdigen Mönche kennzeichnen,
sowie Trommel und Glocke, welche die Mönche morgens und abends
zum Gebet rufen, zu sehen. Der Bühnenhintergrund wird von
einem riesigen Bildnis eines selig dreinschauenden Buddhagesichts
geschmückt. Die Shaolin-Mönche präsentieren ihre
hervorragende Kampfkunst sogar an einer Felswand, die auf der
hinteren Bühne aufgebaut ist. Die Stimmung der Kämpfe
wird farblich durch gekonnte Lichtspiele in unterschiedlichen
Rottönen übermittelt. Wechselseitig unterstreichen rote,
gelbe und graue Lichtstrahlen die Emotionen der Protagonisten,
während sich die Handlung entfaltet. Am atmosphärischen
Ende des Stücks zersplittern Felsen, dabei wird ein weißer
Lichtstrahl freigesetzt, der sich zu einem blendenden Leuchten
intensiviert und die Überlegenheit der Sonne über die
Dunkelheit verdeutlichen soll.
Shaolin in the Wind wurde insgesamt 70-mal in China aufgeführt,
sieben Auftritte davon fanden in Taiwan statt. Mit diesem Stück
gewann man außerdem noch den begehrten Lotuspreis, Chinas
höchste Auszeichnung für tänzerische Darbietungen.
Zhang Zongcan, Chefredakteur der Zeitschrift Tanz, definiert das
Stück als das erste Schauspiel, das Tanz und Kampfkunst
miteinander verbindet. Jia Zuoguang, Ehrenvorsitzender des
Verbandes Chinesischer Tänzer und Choreographen lobt das
Stück für seine detaillierte Konzeption, Produktion
und Darstellung.
Zeitgenössische Ambitionen einer Agrarprovinz
Diese Lorbeeren wurden begeistert von dem aus Henan stammenden
Zhengzhouer Gesangs- und Tanzensembles empfangen. Der Kartenvorverkauf
spielte schon 10 Millionen Yuan ein, welche die aufgewendeten
Investitionen deckten. Dies ist sehr erfreulich, da die wirtschaftliche
Effizienz für alle sehr wichtig ist. Zhu Xuan, Mitglied des
Ensembles, erinnert sich daran: Viele zweifelten daran,
ob es vernünftig sei, eine so große Geldsumme in einer
Provinz zu investieren, in der Menschen das Problem haben, sich
selbst zu ernähren. Diese Zweifel wurden mit dem städtischen
verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen von gerade mal 7200 Yuan im
Jahr 2004 begründet. Shaolin in the Wind erhielt dennoch
stets die tatkräftige Unterstützung von der Regierung,
die sich bemüht, das bisherige Image der Region und seiner
Menschen als rückständige Wanderarbeiter nachhaltig
zu verbessern. Zhu sagt weiter: Es ist schwer auszudrücken,
wie stolz wir auf den Erfolg der Tour sind. Shaolin in the
Wind hat gezeigt, dass Henan mehr zu bieten hat als nur seine
historischen Stätten. Die Schauspielkünste aus dieser
Provinz können genauso fesselnd sein wie die von Chinas wirtschaftlich
entwickelten Provinzen und Gemeinden.
Was auch immer aus der neuen Bearbeitung wird
Die Einwohner Henans sind von ihrem neuen Image, das jenseits
Chinas Küsten vermittelt wird, fasziniert. Die Landmark Entertainment
Group hat mehrere andere Veranstalter beim Erwerb der Exklusivrechte
für die Aufführung von Shaolin in the Wind in
den USA mit rund 8 Millionen US-Dollar überboten. Wir
haben Landmark gewählt, da diese ein ausgedehntes Marketing-Netzwerk
und wirtschaftliche Stärke besitzen, erklärt Qi
Anqing, Leiter des Zhengzhouer Gesangs- und Tanzensembles.
Aber Landmarks amerikanische Adaptation hat Kontroversen hervorgerufen.
Das neue Skript legt seinen Schwerpunkt auf die Kampfkünste
und das Zen, für viele westliche Zuschauer den faszinierendsten
Aspekt der östlichen Kultur, was zu Lasten der zentralchinesischen
Kultur geschieht. Viele Kritiker weisen darauf hin, dass die Essenz
des Stücks in der neuen Version unverständlich wird.
Dennoch besteht Landmark auf seiner Adaption.
Dies ist aber keine neue Debatte bei den Versuchen Chinas, die
Bühnen der Welt durch Kampfkunst und künstlerische Darbietungen
zu erobern. Kung-Fu plus Romantik hat sich als Erfolgsrezept für
die Vorverkaufskassen in Übersee bereits bewährt, was
man an den großen Erfolgen von Ang Lees Tiger & Dragon
und Zhang Yimous Hero und House of Flying Daggers erkennt.
Chinas Künstlerkreise zweifeln dennoch daran, ob diese glänzenden
Inszenierungen das wahre Bild Chinas widerspiegeln. Zhang Yimou,
einer der wenigen international erfolgreichen Regiesseure vom
chinesischen Festland, wird häufig dafür kritisiert,
dass er sowohl bei seinen historischen, als auch bei seinen zeitgenössischen
Filmen den Fokus auf das Leben der Armen in den weniger entwickelten
Regionen richtet. Seine Kritiker verstehen jedoch nicht, dass
Zhang durch seine Filme die langwährende Kultur von Humanismus
und Mitgefühl lobt. Der weit verbreitete Glaube, der davon
ausgeht, dass solche Filme ein stereotypes Bild von China in der
Welt abgeben, verkennt diesen Aspekt. Auch Yip Kam Tim, Designer
und Oscarpreisträger, wird in diesem Zusammenhang kritisiert.
Als wir dieses Bühnenstück schufen, behielten
wir die Vorlieben unserer Zuschauer und des Marktes im Auge,
erklärt Feng Shuangbai, der angesehene Choreograf von Shaolin
in the Wind. Dadurch, dass wir den internationalen und
gleichermaßen den heimischen Markt als Zielgruppe haben,
macht es auch aus kommerzieller Sicht Sinn, Kampfkünste mit
modernen Tanztechniken und Pop-Art mit Volkskultur zu kombinieren.
Zusammenstoß und Verschmelzung von Ost und West
Auf die Kritik zu den Änderungen im Stück für
die amerikanische Tour entgegnet Qi Anqing, Leiter der Zhengzhouer
Gesangs- und Tanzensembles: Die chinesische Kultur wird
auch in der amerikanischen Adaption allgegenwärtig sein,
solange es sich bei der Geschichte um eine alte chinesische Erzählung
handelt. Der Hauptunterschied zwischen der heimischen Fassung
und der Überseefassung ist der, dass die letztere eine Erläuterung
von Zen und Kung-Fu, beides Schätze der chinesischen Kultur,
zum Vorteil für das nicht-chinesische Publikum enthält.
Klagen darüber, dass das Stück auf eine Weise dargestellt
wird, die unseren eigenen Gewohnheiten widerspricht, haben keine
Basis, da das amerikanische Publikum nicht den spirituellen Hintergrund
hat, welcher fest in der chinesischen Psyche verankert ist. Ohne
Erläuterungen wären sie vollständig ratlos. Wenn
wir wollen, dass die chinesische Kultur in Form eines Dramas dargeboten
werden und es im Ausland hohe Anerkennung finden soll, so sind
Änderungen am Originalformat eine grundlegende Vorraussetzung.
Qi betont, dass selbst die Volkstänze in der Bühnenversion,
die dem chinesischen Publikum gezeigt wird, keineswegs zu hundert
Prozent authentisch und dass artistische Weiterentwicklungen ein
akzeptierter Aspekt des Theaters sind. Er schlussfolgert: Dass
Adaptionen von Shaolin in the Wind von unterschiedlichem
Publikum in unterschiedlichen Ländern anerkannt werden sollen,
ist in keinster Weise ein Verrat an der Essenz der chinesischen
Kultur, die durch das Stück dargestellt wird.
Der bekannte chinesische Autor Wang Meng sagte einst: Kultur
kann nicht konserviert und isoliert werden. Sie gedeiht durch
den Kontakt mit und den Einfluss von anderen Kulturen, wobei ein
natürlicher Prozess von Zusammenstoß und Verschmelzung
in Gang gesetzt wird. Eine Kultur ist eine organische Einheit,
die sich dadurch entwickelt, dass sie offen für andere ist
und diese bereitwillig aufnimmt.
Von Shaolin in the Wind wird erwartet, dass es ein Teil
der Eröffnungszeremonie des Chinesischen Kulturjahres 2007
in Russland sein wird. Dafür wird es wahrscheinlich auch
wieder entsprechend abgeändert werden, aber vielleicht nur
von geringerem Ausmaß.
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