Traditioneller Handel (1)
Salz-Getreide-Tausch
Der Austausch von Produkten zwischen Bauern und Hirten ist die
älteste Form des Handels in Tibet. Dabei kam dem Tausch von
Salz gegen Getreide große Bedeutung zu.
Vor allem die Hirten aus Nordtibet und die Bauern aus den Weizang-Gebieten
(Mittel- und Osttibet sowie der Bezirk Ngari) tauschten Salz und
Getreide. Nach dem Ende der Weidesaison im Herbst brachten die
nordtibetischen Hirten Salz und Butter in die Ackerbaugebiete,
um das dort gegen Getreide, Tee und andere Waren des täglichen
Bedarfs zu tauschen. Es war ein reiner Naturalientausch, bei dem
Qingke-Gerste das wichtigste Äquivalent darstellte. Man tauschte
beispielsweise 1 tibetisches Gramm Salz gegen 1 tibetisches Gramm
Qingke-Gerste (ein tibetisches Gramm = 14 kg!), 1 tibetisches
Gramm Butter gegen 2 tibetisches Gramm Qingke-Gerste, 1 tibetisches
Gramm Schafwolle gegen 1 tibetisches Gramm Qingke-Gerste. Die
jeweiligen Tauschkurse schwankten je nach Nachfrage und Wegstrecke.
Solch Tauschhandel auf Basis der Qingke-Gerste als Verrechnungswährung
ist noch heute in einigen ländlichen und Weidegebieten üblich.
So tauschte man beispielsweise in einem kleinen Laden in der Gemeinde
Chumdoi, Kreis Lhunzhub, im Jahre 1999 noch 1 Jin ( 2 Jin = 1kg)
Salz gegen 1 Jin Qingke-Gerste, 1 Jin Tee gegen 2,8 Jin Qingke-Gerste,
1 Jin Reis gegen 1,9 Jin Qingke-Gerste, 1 Jin Fleisch gegen 5,6
Jin Qingke-Gerste und 1 Jin Butteröl gegen 15 Jin Qingke-Gerste.
Der Teehandel nahm eine wichtige Position im traditionellen tibetischen
Handel ein. Vor den 50er Jahren nutzten die Händler beim
Aufkauf einheimischer Produkte den Tee als Äquivalent. So
tauschte man beispielsweise im Bezirk Qamdo einen Eimer Qingke-Gerste
(13 kg) gegen 0,5 Zeng Tee (ca. 3,2 kg), 1 tibetisches Gramm Butter
gegen 0,2 Zeng Tee und 15 kg Rindfleisch gegen 1 Zeng Tee.
Die Beteiligung von Händlern beim Tauschgeschäft war
ein Fortschritt gegenüber dem bisherigen Tauschhandel zwischen
Produzenten. Die Händler waren mobil und kamen der Saison
entsprechend in die ländlichen und Weidegebiete. In den nordtibetischen
Weidegebieten machte der Tausch Schafwolle gegen Tee den Hauptteil
des Handels zwischen Hirten und Händlern aus. Bei den Händlern
unterschied man zwischen privaten, amtlichen und Klosterhändlern.
Die privaten kamen meist aus der Region Kang. Die Leute aus Kamba
verstanden sich gut aufs Handeln; das ist bis heute so geblieben.
Die amtlichen Händler machten im Namen der Regierungen aller
Ebenen Geschäfte. Das war oft monopolisierter Handel, wozu
die Kontrolle über den Ankauf und Export ländlicher
und tierischer Produkte in großer Menge gehörte. So
beauftragte 1931 der 13. Dalai das Handelshaus Bangda Cang, Schafwolle
aufzukaufen und zu exportieren und schrieb eigenhändig einen
Brief an die amerikanischen Schafwolle-Händler, in dem er
einen direkten Handel mit Schafwolle vorschlug. Bis zur friedlichen
Befreiung Tibets im Jahre 1951 blieb Bangda Cang das größte
Handelshaus in Tibet. Es verfügte über 2000 Maultiere
und Pferde und hatte das Monopol für das Geschäft mit
Schafwolle und auch das Monopol für den Heilkräuterhandel
in ganz Tibet. Die Schellen der Pferdkarawanen der Familie Bangda
klingelten ein halbes Jahrhundert auf der Tee-Pferde-Straße.
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