Das von Kaiser Qinshihuang lebende Dorf
Von Luo Yuanjun
Qin Shi Huang, der erste Kaiser in der chinesischen Geschichte,
hätte sicherlich nie gedacht, dass seine Krieger- und Pferdefiguren,
die man mit ihm zusammen begrub, nach über 2000 Jahren entdeckt
und der lokalen Bevölkerung Reichtum bringen würden.
Im Dorf Qinyong, kleben die Bewohner Türspruchbänder
zum Frühlingsfest: Die KP Chinas machte uns frei; Qinshihuang
macht uns reich; der waagrecht über dem Türrahmen hängende
Spruch schreibt: Sei Lao Yang (dem alten Yang) immer dankbar.
Denn um die Trockenzeit zu bekämpfen, bohrte Yang Zhifa
vor 32 Jahren einen Brunnen. Als er eine Tiefe von 5 oder 6 Metern
erreicht, findet er den Kopf einer Kriegerfigur. Mit Beginn der
archäologischen Forschungen und des Tourismusgeschäfts
brauchen sich die Bewohner des Dorfes nun keine Gedanken mehr
um die Wasserversorgung zu machen. Tourismus ist jetzt Hauptstütze
der lokalen Wirtschaft.
Östlich des Museumsparkplatzes gibt es manche Straßenverkaufsstände,
bei denen Reiseandenken erworben werden können. Yang Juxiang
ist eine der dort tätigen Verkäuferinnen. Sie ist schon
über 50 Jahre alt und begann ihr Geschäft als Freizeitbeschäftigung
mit dem Besuch der ersten Touristen. Anfangs verkaufte sie die
Gurken, die sie anbaute, jetzt verkauft sie Reiseandenken; ihr
Lebenszustand wurde seitdem immer besser. Sie kauft dabei nicht
nur Waren bei Großhändlern ein, sondern fertigt auch
selbst einfache Gegenstände in Handarbeit. Sie hat einen
Webstuhl zu Hause, mit dem sie groben Stoff weben kann. Sie färbt
diesen Stoff, fertigt daraus Stofftiger und verkauft sie anschließend.
Einen großen Stofftiger verkauft sie für fünf
Yuan, einen kleinen für drei Yuan. Yang Juxiang stört
der niedrige Erlös nicht. Sie macht diese Handarbeiten in
der Nacht und verkauft sie dann am Morgen. Für sie ist die
Herstellung fast kostenlos, und sie findet es schon gut, wenn
sie überhaupt verkauft werden.
Yang Juxiang ist ziemlich zufrieden mit ihrem Lebenszustand.
Früher lebten wir in Abhängigkeit vom Wetter.
Gab es eine Naturkatastrophe, dann war die Lebensmittelversorgung
für uns ein Problem. Jetzt ist das Einkommen sehr stabil,
denn über 2 Mio. Touristen besuchen die Krieger- und Pferdefiguren
jährlich. In Zukunft wird das Dorfhotel unser Hauptgeschäft
sein; sollte alles funktionieren, dann wird unser Einkommen weiter
steigen. Yang Juxiang kann durchschnittlich etwa ein paar
Dutzend Reiseandenken am Tag verkaufen und verdient somit rund
100 Yuan als Nettoeinkommen.
Ihr neues Haus hat eine Fläche von 270 m2. Das Geld, welches
sie für die Ausstattung bezahlt hat, eingerechnet, kostete
es fast 200 000 Yuan. Aber die Familie wollte sich kein Geld von
anderen Leuten leihen. Yang Juxiangs Mann arbeitet seit einigen
Jahren als Taxifahrer, ihr Sohn kaufte sich ein Auto und arbeitet
nun auch als Taxifahrer und ihre Schwiegertochter betreibt ein
kleines Restaurant.
Um die Geschäfte im Dorf zusammenzufassen und zu vereinheitlichen,
investierte die lokale Regierung in ein naheliegendes Gebiet,
wo sich die verschiedenen Geschäfte ansiedeln konnten. Der
Preis für einen Laden beträgt hier normalerweise 3000
Yuan/m2, für die Dorfbewohner allerdings nur 1000 Yuan/m2,
der Restbetrag wird von der Regierung getragen. Yang Juxiang überlegt
deshalb, ob sie einen Laden kaufen soll.
Viele von den 152 Familien im Dorf Qinyong haben ähnliche
Erfahrung gemacht wie Yang Juxiang. Sie sind eigentlich Bauern,
doch der Tourismus bietet ihnen wesentlich verbesserte Einkommensmöglichkeiten.
Im Jahr 2002 entschied die Regierung der Provinz Shaanxi, die
Umgebung des Museums den neuen Gegebenheiten anzupassen und ließ
im folgenden Jahr das Dorf Qinyong für umgesiedelte Familien
bauen. Das Dorf liegt laut Plan im schönsten Teil des umliegenden
Gebietes. Die Architektur der Häuser ist aufeinander abgestimmt:
weiße Wände, Spitzdächer, graue Dachziegel, ein
brauner Korridor mit Säulen, Aluminiumtüren und Fenster
in Bronzefarbe. Alles präsentiert sich in einem einfachen
und schlichten Baustil. Diese Villen sind meist zweistöckig,
haben eine Fläche von 220 m2 und sind mit einer Garage mit
Rolltür ausgestattet. Yang Juxiang sagt: So ein Haus
kostet rund 120 000 Yuan, der Umsiedlungszuschuss reicht dafür
aus, möchte man das Haus mit einer feineren Ausstattung versehen,
muss man die Kosten selber tragen.
Um diejenigen Bauern, die durch die Umsiedlung ihre Felder verloren
haben, unterzubringen, plante die Lokalregierung von Anfang an
die Errichtung des Dorfes in diesem Gebiet. Die Regierung investierte
18 Mio. Yuan für die Installierung der notwendigen Anlagen
für Wasser, Strom, Gas, Kommunikation und Kabelfernsehen
sowie die Errichtung eines Straßennetzes. Durch ihre Nähe
zum Geschäftsgebiet und durch ihren besonderen Baustil ist
der Immobilienwert einiger Häuser bereits fast um das zehnfache
gestiegen.
Es gibt im Dorf Qinyong inzwischen über 50 Dorfvillen, welche
zu Hotels umgebaut wurden und mehr als 500 Betten bereitstellen.
Yang Juxiangs Bruder betreibt auch so eine Dorfvilla, wo er sehr
günstige Übernachtungsmöglichkeiten anbietet. Ein
Bett kostet nur 15 bis 20 Yuan für eine Nacht, und man kann
dort Delikatessen zu niedrigen Preisen genießen: Gut für
die Erholung.
Zwar leben die Dorfbewohner nicht mehr von den Erträgen
der Landwirtschaft, doch viele sind an die neue Situation noch
nicht gewöhnt. Yang Juxiang sagt: Ich fühle mich
als eine Bäuerin ohne Feld etwas unsicher.
Die Dorfbewohner haben wie die Stadtbewohner eine
soziale und medizinische Absicherung. Die Verwaltung des Dorfes
ist ähnlich aufgebaut wie in städtischen Gebieten. Sie
haben ein freigewähltes Komitee, welches die Dorfbewohner
vertritt. Ein ehemaliger Leiter vom Dorfverwaltungskomitee sagt:
Viele Bauern können sich nicht daran gewöhnen,
ihr Feld verloren zu haben und in der Stadt zu leben. Die Regierung
hat sich umfassend über das Problem informiert und Vorschläge
gemacht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Ausbildung der Fähigkeiten
der Dorfbewohner. Das Dorfverwaltungsbüro, im letzten Juni
gegründet, hat sich die Ausbildung von Dorfbewohnern im Bereich
Tourismusmanagement zum Ziel gesetzt.
Yang Juxiangs Bruder hat die Oberstufe der Mittelschule abgeschlossen
und zählt zu den gut Ausgebildeten seiner Generation. Um
die Dorfvilla zu betreiben, nimmt er an einem Kurs für Projektmanagement
teil. Er sagt: Im Kurs lerne ich die staatliche Politik
und die Gesetze für den Tourismusbereich kennen und lerne
auf eigene Kosten zu kalkulieren. Ich bin jetzt vollkommen überzeugt
davon, die Dorfvilla betreiben zu können.
Die Lokalregierung hat bereits dreimal einen Besuch anderer touristisch
erschlossener Dörfer für Beamte und diejenigen Dorfbewohner
organisiert, die ihre Dorfvillen als Unterkunftsmöglichkeit
bewerben, um ihnen einen Einblick in das Tourismusgeschäft
zu ermöglichen. Damit sich das Dorf traditionelle kulturelle
Inhalte bewahrt und gleichzeitig als Marke im Tourismusgeschäft
immer bekannter wird, leitete die Bezirksregierung in Zusammenarbeit
mit betreffenden Abteilungen am 28. April die 1. Kundenspezifische
Demonstrationswoche der Shaanxi-Folklore ein.
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