Auch
Cun hat seine Stärke!
Zur wirtschaftlichen
Zusammenarbeit zwischen China und der Schweiz
Von Gao Zhuan
Cun ist eine kleinere Maßeinheit in China.
Im Volk gibt es einen Spruch, der besagt, auch ein Cun hat seine
Stärke. Man kann dies auch so verstehen, dass die Fläche
eines Landes noch lange kein Maßstab für die Beurteilung
seiner Stärke abgibt. Die nur 41 285 Quadratkilometer große
Schweiz, mitten in Europa gelegen, war bereits Mitte des 19. Jahrhunderts
im Chinahandel präsent. Als der aus Basel stammende Kaufmann
Adolf Krayer-Foerster durch Südchina reiste, erwies er sich
nicht nur als erfahrener Seidenhändler, sondern auch als
vorzüglicher Beobachter. Er verstand es schon damals, mit
offenen Sinnen die fremde Kultur wahrzunehmen. Sein genau geführtes
Tagebuch gewährt uns einen guten Einblick in die früheren
Kontakte von Schweizern zur chinesischen Kultur. Während
in der ausgehenden Qing-Dynastie Seiden, Porzellan und Tee den
Export in die Schweiz ausmachten, wurden im Gegenzug Maschinen,
Uhren und chemische Produkte aus der Schweiz importiert.
Nach Gründung der Volksrepublik China wurden die wirtschaftlichen
Verbindungen durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen
beiden Ländern am 14. September 1950 wesentlich gefördert.
Die Schweiz war eines der ersten westlichen Länder, das diplomatische
Beziehungen zu China herstellte. Seither ist mehr als ein halbes
Jahrhundert vergangen, die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden
Ländern entwickeln sich ständig und nehmen an Intensität
zu, insbesondere seit Einführung der Reform- und Öffnungspolitik
1979. Seit der Jahrhundertwende nimmt das bilaterale Handelsvolumen
mit einer zweistelligen Wachstumsrate zu und erreichte 2005 nach
schweizerischer Statistik 6,74 Mrd. CHF (Schweizer Franken), den
Handel der Sonderverwaltungszone Hong Kong nicht eingerechnet.
Dabei lag das Importvolumen bei 3,43 Mrd. CHF, das Exportvolumen
bei 3,31 Mrd. CHF. Die Palette der von China importierten Waren
reicht von Maschinen, Präzisionsinstrumenten, pharmazeutischen
Erzeugnissen und Elektrogeräten bis zu Agrarprodukten. Schweizer
Produkte sind durch Präzision und Perfektion gekennzeichnet.
Sie genießen in China ein ausgezeichnetes Renommee und befriedigen
die steigenden Bedürfnisse chinesischer Kunden. Umgekehrt
werden Textilien, Maschinen, chemische Produkte und Bestandteile
von Uhren aus China mit steigender Tendenz in die Schweiz eingeführt.
Es wird daraus ersichtlich, dass China im Zug seiner Industrialisierung
der Schweiz immer mehr zu bieten hat.
Ein weiteres wichtiges Gebiet in den bilateralen wirtschaftlichen
Beziehungen sind die Schweizer Investitionen in China. Heute sind
über 270 Unternehmen mit über 600 Filialen, bzw. Vertretungen
oder Joint Ventures in verschiedenen Industriezweigen und Wirtschaftsbranchen
in China aktiv. Gegenwärtig betragen die gesamten Investitionen
über 5 Mrd. CHF. Damit hat sich die Schweiz unter die ersten
fünfzehn Investitionsländer in China eingereiht. Wegen
des Wachstums seines Bruttoinlandsprodukts von 9,9% wird China
in Europa als Economic Shangri-La angesehen. Das Investitionsumfeld
in China verbessert sich ständig. Dazu sagt der Schweizer
Botschaftsrat, Edgar Doerig, Leiter der Wirtschaftssektion: Bei
den von Schweizer Unternehmen in China getätigten Investitionen
handelt es sich um Arbeitsplätze schaffende Investitionen.
Es sind vor allem Faktoren wie marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen,
professionelle Verwaltung, intakte Infrastruktur, ausreichende
Arbeitskräfte und niedrige Produktionskosten, die die Schweizer
Investoren anziehen und zu ihrem Erfolg in China beitragen. Dabei
sind wichtige Bereiche wie der Schutz des geistigen Eigentums
sowie Transparenz und Rechtssicherheit noch verbesserungsfähig.
Für erfolgreiches Wirtschaften in China gibt der Schweizer
Fahrstuhlhersteller Schindler ein leuchtendes Beispiel. Als China
1979 gerade begonnen hatte, die Reform- und Öffnungspolitik
zu praktizieren, hat die Schindler Group unter Federführung
ihres Vertreters in China, Dr. Uli Sigg, der später Schweizer
Botschafter in China wurde und heute als Berater für wirtschaftliche
Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und China tätig ist,
das erste Joint Venture in der industriellen Produktion mit einem
chinesischen Partner gegründet. Das war eine bahnbrechende
Unternehmung in China vor mehr als einem Vierteljahrhundert, als
die chinesische Wirtschaft nach der Kulturrevolution noch ziemlich
marode war, zumal die Planwirtschaft immer noch dominierte. Die
damaligen Schwierigkeiten sind heute kaum vorstellbar. Rückblickend
sagte Dr. Sigg in einem Interview mit der Zeitschrift Persönlich:
Wir wussten bei der Neugründung zum Beispiel noch nicht,
ob das nun eine Aktiengesellschaft oder eine GmbH werden würde
und welcherart unser Eigentum sei. Wir mussten auch aushandeln,
wie man einen Gewinn ermittelt und wie hoch man ihn in der Folge
zu versteuern hat. Der Technologietransfer mit tausenden von Dokumenten
in mehreren Fabriken war sehr komplex. Gerade durch die
Gründung des ersten Joint Ventures, deren epochaler Bedeutung
die führenden Persönlichkeiten im Außenhandel
in China heute noch Anerkennung zollen, zeigten die Schweizer
Unternehmer ihren politischen und wirtschaftlichen Weitblick.
Dieser wurde dann in Verbindung gebracht mit dem Transfer von
Hochtechnologie und Know-how im Management. Hinzu kam noch ein
tiefes Verständnis von Gesellschaft und Kultur. Darin sind
die unternehmerischen Erfolge begründet. Dazu sagte Dr. Sigg:
Mir wurde etwa bei Schindler klar, dass schon die Art, wie
man Aufzüge bauen muss, viel über die Mentalität
der Kulturen aussagt. Die Amerikaner wollen Effizienz, bei ihnen
müssen Lift und Türöffnung rasant anfahren, das
Tempo spürbar sein. Die Asiaten dagegen möchten weder
Beschleunigung noch Verzögerung des Lifts wahrnehmen, sondern
eine völlig ausbalancierte Bewegung. Es spiegelt dies ein
ganz anderes Zeitgefühl. Auch durch solche präzise
Abstimmung im Detail des Produkts konnte sich das Unternehmen
in China gut entfalten. Heute verfügt Schindler China Elevator
Co. Ltd. in China über landesweite Vertriebsnetze, zwei Fabriken,
ein Fortbildungszentrum und ein Entwicklungsinstitut und ist der
Marktführer der Branche auch in China geworden.
Neben so großen Unternehmen wie Schindler Group ist auch
eine Vielzahl von kleinen und mittelständischen schweizerischen
Unternehmen in China am umfassenden Aufbau einer chinesischen
Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand beteiligt. Die traditionsreiche
Schweizer Firma Geberit-Gruppe ist ein Marktführer auf dem
Gebiet der Sanitärtechnik. 1996 nahm sie ihre Geschäfte
in China auf und gründete zwei Produktionsbasen in Südchina.
Nach einem von der Firmenzentrale aufgestellten, umfassenden Programm
zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit entwickelte Geberit Plumbing
Technology (Shanghai) Co. Ltd. ökoeffziente Produkte zur
Hausentwässerung und Wasserversorgung. Durch die Fortbildung
chinesischer Ingenieure und Techniker und Veranstaltung von Fachsymposien
haben die führenden Ingenieure der Geberit-Gruppe die Technik
wassersparender und geräuscharmer Sanitäranlagen in
China eingeführt. Die Produkte finden großen Absatz
in China. Im Oktober 2005 wurden die Produkte von der hohe Autorität
besitzenden Institution China Standard Certification Center
mit dem Preis für Wassersparen ausgezeichnet.
Die Weiterentwicklung der chinesischen Wirtschaft eröffnet
neue Perspektive für die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen.
Zu deren Entwicklung in Zukunft äußert sich der Schweizer
Botschaftsrat, Edgar Doerig, optimistisch: Im Hinblick darauf,
dass China ein Wachstumsmarkt ist, die Nachfrage in China sich
diversifiziert, die Anforderungen chinesischer Kunden an die Qualität
der Produkte steigen und nicht zuletzt mit steigendem Wohlstand
sich eine neue Anspruchshaltung der Bevölkerung herausbildet,
wird sich das Schweizer Engagement in der chinesischen Wirtschaft
intensivieren; andererseits wird die Schweiz mit dem Fortschreiten
der chinesischen Modernisierung und Globalisierung zunehmend interessant
für chinesische Unternehmen werden.
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