Ang Lee: Verschmelzung chinesischer und westlicher Kultur

Von Wang Lihong

Der Regisseur Ang Lee hat sich durch seine chinesischsprachige Filmtrilogie Father Knows Best: Pushing Hands, The Wedding Banquet und Eat, Drink, Man, Woman großes Renommee in internationalen Filmszenen erworben und begab sich damit auf einen Siegeszug nach Hollywood. Seine Filme zeichnen sich durch beständigen ideellen Gehalt aus, der durch Darstellung der Familienethik im Alltagsleben und Gegenüberstellung chinesischer und westlicher Kultur zum Ausdruck kommt. So wird das Publikum weltweit von seinen Filmen sehr bewegt und der Regisseur selbst hat damit künstlerischen und kommerziellen Erfolg erzielen können. Im Ausland ist z. B. sein Film Tiger & Dragon sehr bekannt. Besonders beachtenswert ist, dass unter seiner Regie produzierte englischsprachige Filme wie Sense and Sensibility, The Ice Storm und Ride with the Devil wegen herausragender Ausführung des Themas sowohl bei Filmkritikern als auch beim Publikum ein positives Echo hervorgerufen haben. Im März dieses Jahres gewann der unter seiner Regie gedrehte Film Brokeback Mountain den Oscar-Preis für Beste Regie.

In den internationalen Filmszenen hat Ang Lee als östliche und westliche Kulturkreise überschreitender Regisseur die meisten Preise gewonnen. Seine größte Stärke ist darin begründet, dass er mit besten Mitteln westliche Filmthemen umsetzt und damit die chinesische und westliche Kultur verschmelzen lässt.

„Die Kenntnisse über die Welt auf östliche verbrämte und friedliche Ausdrucksweise darzulegen“, ist Ang Lees geheimes Erfolgsrezept. In Brokeback Mountain wird ein sensibles und großes Thema – nämlich Homosexualität durch zurückhaltende und nahezu poetische Gefühlsäußerung als rührselige und bewegende Liebe in der Menschheit – behandelt.

Ang Lee ist ein Chinese, der unter Einfluss der traditionellen chinesischen Kultur steht. Seine Filme handeln unausweichlich von Ethik, und all seine Betrachtungsweise ist durch eine Dualität gekennzeichnet. So geht es in Brokeback Mountain zwar um Landschaft und Leben im Westen der USA, doch die zwei ineinander verliebten Männer werden mit dem ethischen Gegensatz zwischen Vernunft und Gefühl konfrontiert.

In The Ice Storm wählt Ang Lee die Figur eines amerikanischen Vaters, der mit seinem Charakter wohl für amerikanische Väter überhaupt steht. Diese sind kalt, unfähig, mit der Frau und den Kindern zu kommunizieren, suchen Trost in einer Liebhaberin und werden schwer gemartert durch inneren Konflikt. Sie sind gescheiterte Väter, denn ihre Familie ist letzten Endes ihre Zufluchtstätte. Wie sollen sie gegenüber sich selbst und ihrer eigenen Familie stehen? Sie müssen im Leben die Antwort für sich selbst finden.

Die Vorfahren von Ang Lee stammten aus der Provinz Jiangxi. Er selbst wurde 1954 in Taiwan geboren und wuchs in einer Familie mit hoher Bildung auf. Sein Vater war ein Mittelschulrektor und führte die Familie nach traditionellen Werten und erzog seinen Sohn so streng, dass in der Familie lange Zeit der Ritus des Kniens auf dem Boden zu großen Festen in der Familie vollführt wurde.

Derartiger Erziehung und des Lebensumfelds zum Trotz entwickelt Ang Lee sein Interesse an Film- und Schauspielkunst. 1973 wurde er durch Bestehen der Aufnahmeprüfung in die Abteilung für Film und Theater der Fachhochschule für Kunst in Taiwan aufgenommen und machte eine Fortbildung in Taibei. In der Fachhochschule wuchs sein Interesse an der Schauspielkunst immer mehr und er gewann einen Preis für die beste Schauspielkunst im Wettbewerb für Theater in der Gruppe von Hochschulstudierenden in Taiwan.

Später hat er ein Studium in der Abteilung für Film der Universität New York absolviert. Mit der fachgerechten akademischen Ausbildung kennt er die Filmsprachen von Hollywood gründlich.

Vor dem Hintergrund der gediegenen Kenntnisse über die traditionelle Kultur und des Auslandsstudiums stellte er tiefgründige Überlegungen über die chinesische traditionelle Kultur an. Für seine aus Pushing Hands, The Wedding Banquet und Eat, Drink, Man, Woman bestehende Filmtrilogie Father Knows Best wurde das Kennzeichen „Vater“ in Figuren gestaltet, wobei die grundlegende traditionelle chinesische Ethik die Ausgangsbasis bildet.

Pushing Hands ist, was die Formulierung des Filmtitels angeht, aus einer Handbewegung des Taijiquans, der oft ungenau als Schattenboxen bezeichneten traditionellen gymnastischen Übung, entlehnt. Behandelt wird im Film die Frage der ausgeglichenen zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Beziehungen zwischen Vater und Sohn müssen auch vor einem anderen kulturellen Hintergrund neu definiert werden, wobei nach Ausgleich gesucht wird. Im Film Eat, Drink, Man, Woman wird die traditionelle chinesische Esskultur gezeigt und es werden die Beziehungen zwischen Vater und Tochter – also zwischen zwei Generationen – betrachtet. Diese Fragen scheinen am Ende des Films bestens gelöst zu sein. Thematisch handelt es sich in Ang Lees Filmen oft um die Gegenüberstellung der chinesischen Familienethik mit der westlichen Wertvorstellung. Die Fragen, mit denen die Figuren der Filme Ang Lees konfrontiert sind, sind auch die Fragen, über die Lee nachdenkt und die er zu lösen versucht.

The Wedding Banquet ist das erste von Ang Lee geschaffene chinesischsprachige Drehbuch. Erst nachdem ihm Pushing Hands gelungen war, wurde es verfilmt. Die Handlung und Behandlung des Films bringen das Thema des Films – nämlich Toleranz, Ausgeglichenheit und umfassende Aufnahmebereitschaft – zum Ausdruck. Dieser geistige Gehalt bedeutet eine weitgehende Verschmelzung von Tradition und Moderne, Osten und Westen, Konservierung und Öffnung, China und den USA, Taiwan und Festland sowie Heterosexualität und Homosexualität.

Der geistige Gehalt in Ang Lees Filmen kommt durch die von ihm geschaffenen Figuren zum Ausdruck: Gao Weitong ist die Schlüsselfigur im Film The Wedding Banquet, an die verschiedene Verbindungen geknüpft sind. Sein Lebenslauf ist ähnlich wie der Ang Lees: Er wuchs in Taiwan auf, absolvierte ein Studium an einer amerikanischen Hochschule und akzeptierte die amerikanische Kultur. Und diese hat ihn auch akzeptiert. Gao Weitong ist ein Homosexueller und hat einen homosexuellen Partner. Da er sich dem Drängen zur Heirat durch seine Eltern nicht entziehen kann, veranstaltet er ein Theater, um den Wunsch der Eltern zu erfüllen und ihre Sorge zu zerstreuen. Gaos Eltern stehen für die traditionelle moralische Wertvorstellung Chinas. Gaos Vater ist ein General, der sich mit der Armee vom Festland nach Taiwan zurückzog. Er behält die traditionelle Wertvorstellung bei und verlangt von seinem Sohn, nach der Heirat einen Sohn zu haben. Das vom Festland stammende Mädchen Gu Weiwei studiert gerade an einer amerikanischen Hochschule. Ihr wird im kritischen Moment der schwere Auftrag erteilt, die Braut zu spielen. Sie wird trotz ihrer Rolle immer wieder von Gao Weitongs Eltern emotional bewegt, weshalb das eigentlich als Vortäuschung gedachte Theater in der Hochzeitsnacht ins reale Leben umschlägt. Sie wird dadurch schwanger und entschließt sich, das Kind auf die Welt zu setzen. Sam ist der homosexuelle Partner Gao Weitongs. Er stimmt dem Theater auch zu, um Gao Weitong zu helfen. Entgegen seiner Erwartung wird jedoch aus dem Theater die Realität. Nachdem Gao Weitongs Vater dies alles erfahren hat, steht er nach langer schmerzlicher Überlegung hilflos vor der Realität. Er muss Sams Stellung anerkennen. Am Schluss wird eine besondere Familie von Gao Weitong, Weiwei, Sam sowie dem Kind gebildet. Ang Lee hat die Figuren in seinem Film konkret und fein charakterisiert.

Der Schluss des Films ist vieldeutig: Gaos Vater geht auf den Flughafen und hebt vor dem Kontrollpersonal seine beiden Hände. Dabei geht es einerseits um eine notwendige Prozedur im Flughafen, andererseits wird durch die beiden Hände eine Geste gemacht, die Toleranz und Verzeihung für die Wahl seines Sohnes bedeutet.

In Ang Lees Film Tiger & Dragon wird ein Ideal seiner Kindheit verwirklicht. In den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts erreichten die Filme Hu Jinquans ihre Blüte. Ang Lee interessiert sich von Kindheit an für Filme über ritterliche Kämpfer, woraus sein Traum von Ritterlichkeit entstand. In der Figur Yu Jiaolong im Tiger & Dragon lässt sich in gewissem Sinne Ang Lees Sehnsucht in der Kindheit erblicken.

In diesem Film hat Ang Lee die traditionelle chinesische Kultur in vollem Maß zur Anschauung gebracht. Das lässt sich besonders in traditionellen moralischen Werten wie Zurückhaltung und Selbsteinschränkung erkennen. Im Film bildet der Ritus eine unüberwindbare Barriere für verschiedene Figuren. Die Figuren im Film wie Li Mubai und Yu Xiulian, Yu Jiaolong und Luo Xiaohu sind charaktervoll gestaltet. Li und Yu können deswegen seit vielen Jahren ganz gelassen und ungekünstelt miteinander umgehen und die Liebe zueinander in ihren Herzen begraben, weil sie den konfuzianischen Kardinaltugenden „Ritus und Rechtschaffenheit“ folgen. Ang Lee hat dem Publikum weltweit den chinesischen Geist und die traditionelle chinesische Schwertkampfkunst zur Anschauung gebracht. In diesem Film werden die traditionellen Wertvorstellungen von Ritus und Rechtschaffenheit präsentiert, die Mannhaftigkeit ritterlicher, die Kampfkunst beherrschender Eremiten dargestellt und der taoistische Gedanke der Vereinigung von Himmel und Menschen interpretiert. Die Schwertkampfkunst der Wudang-Schule und anderer klassischer Schulen wird dem Publikum in westlichen Ländern gezeigt. Dies alles erfüllt das Bedürfnis des Publikums in westlichen Ländern, das für sie in mysteriöse Schleier gehüllte China zu betrachten. Als chinesischsprachiger Film ist Tiger & Dragon zu einem unerklärten Phänomen der amerikanischen Filmgeschichte geworden, denn er wurde der am besten verkaufte fremdsprachige Film in den USA. Nach der Berichterstattung darüber in verschiedenartigen Massenmedien in den USA entstand dort ein Boom von Ang Lees Filmen.

 
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