Sorgen eines Umweltschutzbeamten

Von Zhang Xueying

Tian Weizhao, Leiter des Amtes für Umweltschutz der Provinz Sichuan, konnte sich während der vergangenen Wochen im März nie richtig ausruhen. Er nahm an den Beratungen der diesjährigen Tagung des Nationalen Volkskongresses in Beijing teil. „Ich habe mein Handy rund um die Uhr in Bereitschaft gelassen“, erzählte er.

Das Problem, das ihm Sorgen macht, wurde von einer Phosphatdüngerfabrik in der Stadt Guanghan im Zentralgebiet der Provinz Sichuan verursacht, von der Abwasser mit einem hohen Arsengehalt direkt in einen Fluss eingeleitet wurde. Das führte zur Verschmutzung des Wassers im Flussunterlauf. „Den mit der Überwachung beauftragten Angestellten fiel zunächst auf, dass das Wasser anders als sonst aussah. Nach Untersuchungen aller Flussabschnitte bis zum Oberlauf fanden sie schließlich die Quelle der Verschmutzung“, berichtete Tian Weizhao, „Dank der frühzeitigen Entdeckung waren wir noch in der Lage, die Verschmutzung innerhalb der Zentralregion am Unterlauf einzugrenzen. So konnte eine größere Verschmutzung verhindert werden.“

Nach einem Bericht von Xinhua Daily Telegraph ereignen sich jährlich in China 1500 bis 2000 solche Vorfälle, die zur Umweltverschmutzung führen. Die Zahl der durch gesetzwidriges Tun verursachten Fälle von Umweltschäden liegt bei etwa 20 000. Die meisten Umweltschützer, die bei nichtstaatlichen Organisationen arbeiten, sind der Meinung, dass in Wirklichkeit die Zahl solcher Vorfälle weitaus höher liegt. „Die gegenwärtige Situation bei uns ist so, dass man viel Geld ausgeben muss, um die Gesetze einzuhalten, während Verstöße gegen Gesetze nur geringfügig bestraft werden. Beispielsweise beträgt die gesetzmäßige Geldstrafe maximal 200 000 Yuan, wenn ein Unternehmen durch seine Produktion die Umwelt verschmutzt. Wenn man aber zur Verminderung der Verschmutzungen eine Abwasserreinigungsanlage errichtet oder die Betriebstechnik erneuern will, muss man einige Mio. Yuan, manchmal sogar hundert Mio. Yuan ausgeben“, erklärte Tian Weizhao.

Die Umweltverschmutzung in China hat leider in den letzten Jahren stark zugenommen. Offiziellen Berichten zufolge leben 2/3 der städtischen Bewohner in Gebieten mit einer Luftverschmutzung mittleren oder höheren Grades. Bei 58% aller chinesischen Flüsse sind auch Verschmutzungen mittleren oder höheren Grades festzustellen. Das Grundwasser in über 50% aller chinesischen Städte gilt als schwer verschmutzt.

Anfang 2003 hat die chinesische Regierung „Grundsätze für eine nachhaltige Entwicklung“ angenommen. Im Jahr 2004 hat das Staatliche Amt für Umweltschutz eine groß angelegte Aktion für den Umweltschutz gestartet. Doch dadurch konnten natürlich nicht die Umweltprobleme im vollen Umfang gelöst werden. 2006 verkündete Ministerpräsident Wen Jiabao auf dem Nationalen Volkskongress: „Wir müssen uns beharrlich darum bemühen, den Volksmassen saubere und gute Lebens- und Arbeitsbedingungen zu schaffen und unsere Nachkommenschaft blauen Himmel, klare Flüsse und grüne Berge zu hinterlassen.“ 2007 werden erstmals die Umweltschutzindizes Bestandteil der Kriterien zur Bewertung der Verdienste von Beamten sein.

„Zwei Jahre früher als geplant haben wir ein System eingeführt, nach dem die Verdienste von Beamten mit den Leistungen beim Umweltschutz in Beziehung gesetzt werden sollen“, sagt Tian Weizhao.

Das Amt für Umweltschutz der Provinz Sichuan hat angeordnet, dass an allen Orten bei der täglich zu messenden Luftqualität die durchschnittliche Belastung durch Schadstoffe während des ganzen Jahres die zweite Stufe des staatlichen Luftqualitätsstandards erreichen soll. Die Wasserqualität in 96% aller Gebiete mit zentraler Trinkwasserversorgung soll dem staatlichen Standard entsprechen. Der durchschnittliche Grenzwert für Lärm an den Hauptverkehrsadern liegt bei weniger als 70 dB. Außerdem gibt es zehn weitere Indizes u. a. in Bezug auf den Zustand der Naturschutzgebiete, auf die städtische Abwasserreinigung sowie auf die Emission der wichtigsten industriellen Schadstoffe. Die Zufriedenheit der städtischen Bewohner mit ihrer Umwelt und die Propagierung der Umweltschutzideen in den Grund- und Mittelschulen sind ebenfalls wichtige Indizes bei der Bewertung der Verdienste von Beamten.

„Die von uns ausgearbeiteten Indizes haben eine entscheidende Bedeutung für die Beförderung eines Beamten. Wenn eine lokale Regierung große Erfolge beim Umweltschutz erzielt, wird die Provinzregierung mehr in diesem Ort investieren. Für die lokalen Beamten ist das sehr wichtig“, unterstrich Tian Weizhao, der früher Bürgermeister der Stadt Guang’an war.

Die Provinz Sichuan hat eine Fläche von 480 000 Quadratkilometern und zählt 87 Mio. Einwohner. 70% von ihnen leben auf dem Land. Mit der Industrialisierung der Landwirtschaft, vor allem mit dem zunehmenden Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden ist die Verschmutzung der ländlichen Gebiete einer der Schwerpunkte des Umweltschutzes geworden.

„Jetzt sind wir in großer Bedrängnis. Die Umweltsanierung in der Stadt hält noch nicht Schritt mit der städtischen Entwicklung, außerdem bedrückt uns das Problem der Verschmutzung der ländlichen Gebiete immer stärker“, stellte Tian Weizhao fest.

Zur Zeit werden nur 30% der Abwässer in der Provinz Sichuan gereinigt. Nach dem staatlich festgelegten Standard soll aber die jährliche Ausstoßmenge der wichtigsten Schadstoffe wie Ammoniak und Nitrogen unter 2 Mio. Tonnen liegen. Gegenwärtig seien es aber mehr als 3 Mio. Tonnen. Auch die Emission von Schwefeldioxid nähert sich dem Grenzwert (1 Mio. Tonnen). Nach Ansicht von Tian Weizhao wird sie auch in diesem Jahr das Limit von 2 Mio. Tonnen überschreiten.

Im Amt für Umweltschutz der Provinz Sichuan sind 60 Mitarbeiter in der Umweltbeobachtung und -überwachung tätig, unter ihnen gibt es aber nur sehr wenige beruflich gut ausgebildete, junge oder erfahrene. „Es scheint, als ziehe ein sehr kleines Pferd einen sehr großen Wagen“, sagt Tian Weizhao. Im übrigen seien die Einrichtungen zur Umweltbeobachtung und -überwachung, über die das Amt für Umweltschutz der Provinz verfügt, sehr unmodern. Noch ärger sei die Lage in den Städten und Kreisen, die der Provinzregierung unterstehen. Nachdem Tian Weizhao sein Amt im Jahr 2005 angetreten hatte, ließ er drei mobile Überwachungssysteme für Notfälle in Ost-, Nord- und Südsichuan einrichten. „In den Aufbau eines solchen Systems muss man beinahe 3 Mio. Yuan investieren. Das ist für uns eine große Summe, denn unsere Geldmittel sind sehr begrenzt.“ Früher mussten alle Proben dem Amt für Umweltschutz der Provinz zum Test zugeschickt werden, was einerseits kostbare Zeit kostete, in der Unfälle auf ein Minium reduziert werden konnten, andererseits wurden die Proben auch schnell unbrauchbar.

Tatsächlich hat Sichuan, eine Provinz mit relativ geringen Einnahmen, viel für den Umweltschutz ausgegeben. Im Jahr 2005 hat die Provinzregierung 237 Mio. Yuan in den Umweltschutz investiert. Zusätzlich hat sie weitere 50 Mio. Yuan als Spezialfond für den Umweltschutz bereitgestellt. 237 die Umwelt besonders verschmutzende Fabriken wurden auf einer Liste erfasst. Diese Betriebe wurden unter die schwerpunktmäßige Kontrolle der Provinzregierung gestellt und sollen innerhalb eines festgesetzten Zeitraums saniert werden. In den letzten zwei Jahren hat die Provinzregierung ein Umweltfrühwarnsystem installiert und Notfallplan für Umweltverschmutzung und -zerstörung durch Unfälle ausgearbeitet. In den wichtigsten Regionen, den Einzugsgebieten der Flüsse und den Regionen mit hohem Schadstoffausstoß wird ein Überwachungssystem eingerichtet, um Unfälle rechtzeitig vorhersagen und im Voraus davor warnen zu können.

„Besondere Kopfschmerzen hat mir das Problem gemacht, den Widerspruch zwischen Umweltschutz und wirtschaftlicher Entwicklung zu lösen“, sagte Tian Weizhao.

Die gegenwärtige Transformation der Wirtschaft Chinas ist die schnellste in der Menschheitsgeschichte. Dabei wurden der Aufschwung der Industrialisierung und die Urbanisierung in den Mittelpunkt gestellt. Zwar haben die Schwerindustrie und die chemische Industrie den größten Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung, zur Erhöhung des BIP und der Steuereinnahmen geleistet, aber sie haben auch die Umwelt am schwersten verschmutzt.

„Ich will mein Möglichstes tun, um die vorhandene Umwelt zu erhalten. Die Unternehmen, die die Umwelt schwer verschmutzen, keine Fähigkeit zur technischen Erneuerung besitzen oder nicht rentabel sind, werden geschlossen, um neuen Projekten Raum zu geben.“

Das Amt für Umweltschutz der Provinz hat aus eigener Initiative Maßnahmen ergriffen, um die Lage zu verbessern, in der Betriebe bei Einhaltung der Gesetze gefördert werden können. Das Amt arbeitet mit dem Verkehrsamt zusammen, um die Straßenränder zu begrünen und den Lärm zu reduzieren. Außerdem prüft man in Zusammenarbeit mit der Kommission für Entwicklung und Reform die neuen Projekte, um zu garantieren, dass diese als umweltfreundlich eingestuft werden können. Das Amt kooperiert auch mit Steuerbehörden, um Unternehmen, die die Umwelt verschmutzen, mit drastischen Geldbußen zu belegen. „Wenn ein Unternehmen das von uns entwickelte Online-Überwachungssystem nicht installiert, wird es von den Industrie-, Handels- und Steuerbehörden durch Beschlagnahme seiner Gewerbelizenz, durch Erhöhung der Steuern und durch Rechnungsprüfung gestraft“, erklärte Tian Weizhao.

Trotzdem muss Tian Weizhao eingestehen, dass die Entwicklung des Umweltschutzes in China eine schwierige Angelegenheit ist. Vor uns liegt noch ein langer Weg, bis alle Chinesen ein Umweltbewusstsein entwickelt haben. Erst wenn die wirtschaftliche Entwicklung in der Provinz Sichuan, ja sogar in ganz China, ein bestimmtes Niveau erreicht haben wird und die Volksmassen immer höhere Ansprüche an Gesundheit und Lebensqualität stellen, kann der Umweltschutz allseitig verwirklicht werden.


 
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