Peking
– Beijing Kleine Gebrauchsanweisung
Von Claus Hunold
Endlich China, endlich Beijing. Was für ein Land, was für
eine Stadt ?
So wunderbar alt und so protzig neu. Selten habe ich so viel
Schmutz in den Seitenstraßen gesehen. Und wie oft habe ich
solch freundlich lächelnde Menschen gesehen.
Was für ein Chaos.
Die Freileitungen für die Energie gleichen einem Wunderwerk.
Ein Strommast an einer Straßenkreuzung gleicht einem wild
wuchernden Baum. Aber es funktioniert. Wie? Das wird ein Rätsel
bleiben.
Daneben Glaspaläste. Menschen, Menschen, Menschen. Autos.
Fahrräder. Dazu kommen Transportmittel, die eine Kombination
aus Fahrrad und Schwertransporter darstellen. Die Ausdehnung des
Transportgutes übersteigt oftmals die Größe der
Ladefläche. Erstaunlich der Widerspruch zwischen dem Entstandenen
und den unbeschreiblichen Arbeitsmitteln der Leute.
Viele Autos und keine Parkplätze. Die Fußwege eignen
sich bestens als Ersatz. Die Fahrbahnen sind ja für Fußgänger
breit genug.
Aber niemals Angst zeigen. Vorwärts ist die Devise; so kommt
man über jede Straße. Eigentlich ist jetzt eine schöne
Zeit. Das bezieht sich auf ein sonnendurchflutetes Beijing, wenn
man rings um die nördliche Hauptstadt Beijing
die Berge sehen kann. Ein eindrucksvolles Erlebnis. Die vielen
gestalteten Blumenanlagen leuchten in der Vielfalt der Farben.
Die Zikaden zirpen in den Bäumen. Ein erstaunlich blauer
Himmel. Wunderschön.
Am nächsten Tag traut man seinen Augen nicht. Eigentlich
müsste man im Bett bleiben. Selbstmörderwetter, sagt
man bei uns. Dunkelgrau, tief hängende Wolken, Nebel, Dunst
oder Smog? Die Nasenlöcher sollten jetzt besser verstopft
sein. Alles noch dazu irgendwie feucht. Trotzdem ist es extrem
trocken. Die Hände müssten helfen können, diese
sichtbare Luft zur Seite zu schieben. Aber das Leben geht weiter.
Gehen Sie in ein Kaufhaus, vielleicht nach Sanlitun in den Clothing
Market. Waren über Waren für jede Geschmacksrichtung.
Ein Treffpunkt für Touristen. Und dann die Verkäuferinnen
und Verkäufer. Unzählige, manche freundlich, manche
gelangweilt. Lassen Sie für ein bestimmtes Kleidungsstück
kein sichtbares Interesse erkennen. So nebenbei fragen, was das
Ding kostet. Man erfährt einen Höchstpreis nicht
kaufen jetzt beginnt das Feilschen. Tippen Sie den Preis,
den Sie bezahlen wollen in den Rechner. Das geht eine Weile so
weiter, bis Sie einen gemeinsamen Nenner gefunden haben. Die Zahl
der Zuschauer ist bestimmt auch größer geworden und
das Urteil für den Verkäufer oder für Sie fällt
anerkennend oder missbilligend aus. Oberstes Gebot für jeden
Chinesen Gesicht bewahren.
Das geht im Supermarkt aber nicht. Auch mehr Verkäufer als
Kunden. Man kann alles kaufen, aber finden muss man es. Wenn ich
etwas vergessen habe, habe ich auch sonntags halb neun abends
noch Gelegenheit. Alle Geschäfte stehen von Montag bis Sonntag
von 9.00 bis 21.00 Uhr zur Verfügung.
Beim Einkaufen ist es gut Mimik und Gestik ausgeprägt zu
beherrschen. Manchmal glaube ich, die Verkäufer verfolgen
mich, aber der Schein trügt. Sie wollen nur freundlich lächelnd
helfen. Wenn ich eine Frage habe, stehen oft vier oder fünf
da und versuchen zu verstehen, was ich haben will. Spätestens
jetzt beginnt die Pantomime, besonders dann, wenn die Sprache
für mich ein Buch mit sieben Siegeln ist.
Garküche, Gaststätte oder Restaurant. Wenn ich das
Nordtor meiner Universität verlasse, kann ich ohne zu suchen,
aus ...zig Angeboten wählen.
Hier ist allerdings ein Hinweis notwendig. Gehen Sie möglichst
nicht allein hinein. Suchen Sie sich einen Sprachkundigen, sonst
kann Ihr Mittagessen zur Katastrophe werden. Glauben Sie mir,
ich spreche aus Erfahrung. Wenn Sie keinen Freund finden, fahren
Sie zu Schindler oder Schiller oder in
den Paulaner. Natürlich kann man auch in das
Kebab in der Barstraße gehen. Vorzügliches
steht auf den deutschen Speisekarten, vorzügliche deutsche
Gerichte. Ab und zu muss das auch für mich sein. Für
das Geld, dass Sie dort am Ende bezahlen, können Sie gut
und gern eine Woche in einer chinesischen Gaststätte essen.
Aber... und ich bin in China. Ich besitze einen Zettel, auf dem
stehen chinesische Gerichte, die ich mag. Meistens habe ich damit
Glück.
Und dort, wo es einem gefallen hat, immer die Visitenkarte der
Einrichtung mitnehmen. Sie leistet unschätzbare Dienste,
ob nun für den Taxifahrer oder zum selbst Wiederfinden.
Am Ende taucht die Frage auf: Kann man in China, ohne die
Sprache zu sprechen, leben? Ich sage: Ja, und nochmals
ja, es darf eben nur nichts dazwischen kommen, Unvorhersehbares
oder nicht Geplantes. Dann wird es kompliziert. Dreimal
Ruhe bewahren und lächeln. Ein wichtiges und ungeschriebenes
Gesetz. Die Menschen in den Ämtern und Behörden tun
auch nur ihre Pflicht, das ist überall gleich. Etwas zu entscheiden
fällt schwer. Als Ausländer ohne Sprachkenntnisse kann
ich doch nicht andere für Missverständnisse verantwortlich
machen. Das braucht Zeit. Hier vermeidet jeder Stress. Man versucht
es jedenfalls. Aber auch langsam kommt man zum Ziel. Mit etwas
englisch geht es besser und schneller. Einige Begriffe muss ich
in Pinyin lesen und sprechen lernen. In der Schule wird das jetzt
gelernt und viele jungen Menschen können das bereits. Die
Älteren und die ganz Alten können es nicht, es ist zwecklos,
Ihnen einen Zettel in der Umschrift zu zeigen. Auch einigen Taxifahrern
bereitet das Lesen Schwierigkeiten. Mehrmals musste ich wieder
aussteigen, weil Fahrer und ich uns nicht auf ein Fahrziel einigen
konnten. Einmal ging es in eine völlig andere Richtung. Die
Summe auf dem Taxameter ist mir inzwischen zum Stereotyp geworden
vom Tiananmen zu meiner Universität sind es
35 Yuan.
Der Autor war in Deutschland viele Jahre
als Lehrer tätig. Seit zwei Jahren unterrichtet er in Beijing
Europäische Kulturgeschichte und Deutsch an einer Fremdsprachenuniversität.
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