Das traditionelle Kunstgewerbe

Bautechnik

Viele traditionelle tibetische Bauwerke sind Beweis für die zahlreichen wissenschaftlich-technischen Leistungen alter tibetischer Architekten. Auch für heutige Bauten ist da manches zu lernen. Für den Bau der Fundamente und Außenwände, für das Mauern, für die Behandlung der Flachdächer und Böden gilt das ebenso wie für die Reparatur alter Bauwerke und für die richtige Verwendung der Baumaterialien. In der Baustruktur besitzen tibetische Bauwerke je nach den Gegebenheiten hohe Originalität. Auch im tibetischen Brückenbau gibt es einige Besonderheiten zu entdecken. Die Baustruktur und –ausführung von Auslegerbrücken oder Eisenkettenbrücken sind zu bewundern. Im Folgenden sollen zwei Beispiele dazu gegeben werden.

Tamarisken-Wände

In Tibet ist es üblich, für die Dachaufsätze und die oberen Wandteile großer Klosterhallen die rotbraunen Tamariskenzweige zu verwenden. Deshalb nennt man sie auch Tamarisken-Wände. Tamarisken wachsen in vielen tibetischen Gebieten. Die Zweige dienen häufig als Baumaterial. Im Herbst werden sie gesammelt, getrocknet, entblättert und zu kleinen Bündeln gebunden. Beim Bauen werden die Bündel aufeinander gestapelt, festgedrückt und auf den Mauerkronen befestigt. Die Verwendung von Tamariskenzweigen als Baumaterial ist eine traditionelle Besonderheit des Handwerks in Tibet. Man benutzt sie bei hohen Mauern; die gefärbten Zweige haben da eine dekorative Wirkung. Hauptfunktion der Tamariskenbüschel ist es, die Wände zu erhöhen, ohne die Mauern zu stark zu belasten. Heute wendet man diese Methode bei der Errichtung neuer Bauten im tibetischen Stil an; sie ist zum Kennzeichen tibetischer Bauwerke geworden.

Agar-Flachdächer und –Böden

Flachdächer und Böden manch alter Bauwerke in Tibet sind mit einem Agar genannten Material belegt. Dieser Dach- und Bodenbelag ist eine Spezialität der tibetischen Baukunst. Agar gilt als geniale Entdeckung der Tibeter und wird von vielen Experten für alte Bauwerke bewundert. Agar ist ein natürliches Material, das leicht zu gewinnen ist. Es ist eine Art von verwittertem Kalkstein bzw. ein Sandtongemisch. Hauptbestandteil ist Kalziumkarbonat. Agar bindet gut und ist in Tibet weit verbreitet. Das gewonnene Rohmaterial ist klumpig und wird zur Verarbeitung zerkleinert. Mit Agar belegte Böden sind fest, eben, glatt und lassen kaum Flüssigkeiten durchsickern. Es gilt in Tibet seit alters her als bestes Material für den Bodenbelag. Agar wird auch zum Belegen von Hausdächern und Zimmerböden genutzt. Nach und nach wird es zunehmend glänzend. Beim Bau werden zuerst Kieselsteine oder festgestampfte Erde aufgetragen. Darauf wird unbearbeitetes Agar gelegt, mit Wasser weich gemacht, dann festgestampft, abermals mit Wasser bestrichen und schließlich mit Öl poliert. Agar wird seit langem in Tibet als Baumaterial benutzt; mindestens ab 775 ist das nachzuweisen.

Kunstgewerbliche Metallwaren

Die traditionellen tibetischen kunstgewerblichen Metallwaren sind fein und originell gearbeitet und zeigen einen verblüffenden Formenreichtum. Sie sind wichtige Kennzeichen für die Meisterschaft der Tibeter in ihrer traditionellen Kunst. Zugleich sind sie Indiz für den Grad der Beherrschung von Wissenschaft und Technik in der Vergangenheit. Die kunstgewerblichen Leistungen sind zugleich auch Bestandteil der traditionellen Kultur Tibets. Zu den Produktionstechnologien zählen Gießen, Kalt- und Heißschmieden, Ziselieren, Meißeln, Gravieren, Schnitzen, Löten, Nieten, Einfassen, Einlegen, Schneiden, Ziehen, Rollen, Kneten, Pressen, Schleifen, Vergolden und Versilbern. Rohmaterialien sind meist Gold, Silber, Kupfer, Eisen, Blei und Zinn. Die zahlreichen Produkte werden in verschiedensten Bereichen genutzt. Die Warenpalette reicht von kleinen Geräten und Apparaten, Schmuck für den individuellen wie gesellschaftlichen Bedarf bis hin zu kultischen Artikeln für die Klöster. Für den Alltag brauchen Tibeter viel Schmuck: z. B. Fingerringe, Armreifen, Ohrringe, Halsketten, Gawu (Amulettdosen), Hüftsäbel, Patronenmagazine, Feuerstahl, Silberhelme, Bronzespiegel und Gürtelschnallen. An religiösen Produkten gibt es nicht nur kleine, fein gearbeitete Buddhastatuen und Kultgeräte, sondern auch Kolossalstatuen und dekorative Gestalten. Die frühesten kunstgewerblichen Metallwaren, die bisher gefunden wurden, sind eine Art Schmuck, die man im Volk „von Himmel gefallene Steine“ nennt. Die meisten sind aus Kupfer, es gibt aber auch solche aus Eisen. Sie sind mit Blumengravuren verziert oder tragen geometrische Muster wie Dreiecke, Rauten, Kreise; aber auch Tierbilder wie Adler, Tiger und andere, die oft eine geistervertreibende und glückverheißende Bedeutung haben. Auch heute sind diese kleinen Dinge manchmal noch auf den Feldern oder an Flussufern zu finden. Daraus ist zu schließen, dass sie einstmals Schmuckstücke waren, die die Vorfahren der heute auf dem Tibet-Plateau lebenden Menschen trugen.

Kunstgewerbliche Textilwaren

Die kunstgewerblichen Textilwaren der Tibeter haben lokale und ethnische Besonderheiten. Es wird Wert auf Stoffwahl, Design, Farbenkombination, Arbeitsprozess, Farbstoffmischung, Bleichen und die Qualität insgesamt gelegt. In Gebieten mit Ackerbau und Viehzucht wird immer noch Garn mit Spindeln gesponnen und der Stoff auf dem alten Webstuhl gewebt. Die Schönheitsliebe der Tibeter zeigt sich in vollem Maße in ihren farbenfreudigen Webwaren. Kardian heißt die aus einem groben Wollstoff bestehende Schlafdecke, sie wird auch als tibetische Wolldecke bezeichnet. Es gibt verschiedene Arten von Kardians: Bettdecken, Teppiche, Wandteppiche und Satteldecken. Sie sind farbenprächtig, geschmackvoll und strapazierfähig. Bamdian ist die Schürze der tibetischen Frauen. Das ist eine Art farbiger Pulu. Die Webtechniken ähneln einander alle. Nur sind die Bamdians noch bunter und die Fäden feiner als bei anderen Webwaren. Es gibt mehr als 20 Farbenkombinationen; die Bamdians werden mit farbigen Querstreifen versehen. Sie sind schön und bei den tibetischen Frauen sehr gefragt. An Fest- und Feiertagen und bei Versammlungen tragen die Tibeterinnen ihre schönsten Kleider und binden sich ein farbenprächtiges Bamdian um. Die Bamdians junger Frauen sind farbenfreudig und ihre Streifen sind schmal, während die Farben für ältere Frauen gedeckter sind; dafür sind ihre Streifen vergleichsweise breit. Unter den vielen Produktionsorten ist der Marktflecken Jede sehr bekannt und wird als „Heimat des Bamdians“ bezeichnet. Pulu ist ein sehr bekanntes tibetisches Wollprodukt. Das im Kreis Konggar fabrizierte Pulu ist schneeweiß und hat seit alters her einen guten Namen überall in Tibet. Die alte tibetische Lokalregierung machte aus der Fabrikation eine Art von Frondienst. Die früher als Tribut an die Kaiser entrichteten Pulus und die vom Dalai Lama und anderen hochrangigen Mönchen getragenen Kleidungsstücke, Kasaya (eine Mönchskutte), kamen meist aus diesem Kreis. Für die dort fabrizierten Pulus gibt es verschiedene Qualitätsklassen. Die beste heißt Garyang. Bei Pulus dieser Qualität wird mit Schafwolle am Hals und zwischen Rippen gearbeitet, die sehr fein und weich ist. Solche Pulus wurden als Tribut für den Kaiser hergestellt, ebenso für Dalai Lamas und andere Regenten.


 
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