Wie man ein bäuerliches Dorf neu gestaltet

Von Zhang Hong

Xuliukou ist ein zur Stadt Qian’an, die der Stadt Tangshan der Provinz Hebei untersteht, gehöriges Dorf, das am östlichen Ende des Yanshan-Gebirges liegt. Nur wenige Jahre vorher stand es noch für das traurige Bild der ländlichen Gebiete Chinas – für das Bild von sich quälenden Bauern, die in ihrer territorialen Abgeschiedenheit gegen die überwältigende Armut kämpfen. Trotz der vielen Generationen, die bis zur Öffnung des Landes im neuen Jahrtausend mit unerbittlichem Eifer für bessere Lebensverhältnisse eingetreten sind, blieb das Dorf in seiner Armut befangen. Die einzige Sache, die ihre Heimat in Hülle und Fülle zu produzieren befähigt war – das merken die Dorfbewohner ihrerseits an –, waren widerwillige Junggesellen. So gab es zu einem bestimmten Zeitpunkt mehr als 70 unverheiratete Männer, alle zwischen 30 und 40 Jahre alt. Die klägliche Stagnation von Xuliukou war vor allem auf die Abgeschiedenheit zurückzuführen; obwohl es einige Leute gab, die von der Existenz des Dorfes wussten, wollte doch niemand ein Teil der bäuerlichen Gemeinschaft werden.

Die Handlungsinitiative

Die Dorfbewohner erkannten schließlich, dass eine bessere Infrastruktur, ein besserer Zugang zu ihrer Heimat auch der Schlüssel sein musste, um sich aus der misslichen Lage zu befreien. So knüpften sie, was die Beseitigung ihrer auf Isolation beruhenden Armut anging, ihre Hoffnungen an einen Dorfbewohner namens Qin Yuhe.

Qin ist ein Veteran, der sich – auf Grund einer Verletzung, die er während seiner Dienstzeit erlitt – nur hinkend fortbewegen kann. Mit Hilfe eines alten geschenkten VW Santanas begann er, das Dorf aus der Armutsfalle zu „schleppen“. Das Auto hielt sich an den Gebirgsstraßen fest, führte Qin die Berge hoch und runter und trug ihn in die Stadt Qian’an und wieder zurück. Es war im Jahre 2003, als Qin wichtige Nachrichten aus Qian’an mitbrachte: Die Provinzregierung von Hebei hatte eine Kampagne initiiert, mit der ökologisch hochwertige Dörfer aufgebaut werden sollten, wobei Tangshan als Schauplatz des Experiments auserkoren worden war. Insgesamt sollten 600 Dörfer in Tangshan und einige in Qian’an in das Projekt eingebunden werden. Allerdings handelte es sich bei den Dörfern, die für die Teilnahme an dem ökologischen Projekt selektiert worden waren, ausschließlich um entweder bereits ziemlich reiche Dörfer oder aber um solche, die an provinziellen oder nationalen Straßen gelegen waren. Das arme und abgelegene Xuliukou wurde ausgeschlossen.

Auf dem folgenden Treffen des Dorfkomitees stellte Qin die rhetorische Frage: „Was sollen wir jetzt tun, da wir uns nicht für das ökologische Projekt qualifizieren konnten?“ Und er antwortete seinerseits: „Wir sollten etwas dagegen tun!“ Und anstatt weiter zu reden, griff Qin kühn nach seinem Geld, zahlte 1000 Yuan auf das Bankkonto des Dorfes ein und erhöhte damit den Kontostand zwar nur auf unbedeutende 3000 Yuan, aber ausdrücklich zu dem Zweck, die Infrastruktur des Dorfes zu verbessern. Dieses Exempel, das von Qin und 33 anderen Parteimitgliedern und Veteranen statuiert worden war, beeindruckte die Dorfbewohner jedoch in seinem solchen Maße, dass auch sie Geld bereit stellten und dass dem Dorf Xuliukou schließlich 70 000 Yuan für ein eigenes ökologisches Projekt zur Verfügung standen.

Der Aufbau der dörflichen Bergstraße begann am 13. des letzten Mondmonats im Jahr 2003, an einem Tag, der sich unauslöschlich in die Erinnerung all derer eingegraben hat, die dabei waren. Die Menschen können sich noch lebhaft entsinnen, wie die Gebirgshänge mit Hunderten von Dorfbewohnern übersät waren, sie alle mit Spitzhacke und Spaten ausgerüstet und die von Pferden und Eseln gezogenen Karren mit ausgehobenen Steinen und Erde beladen. Der Bau der Straße wurde dabei, unter der Aufsicht von Qin Yuhe, von insgesamt zehn Gruppen an zehn verschiedenen Stellen unternommen.

Die meisten Häuser des Dorfes liegen an Gebirgsstraßen, die, weil sie in einer Art von Zickzack-Kurs verliefen, so eng waren, dass man an einigen Stellen nicht einmal eine Schubkarre unterbringen konnte. Dennoch schafften es die Dorfbewohner innerhalb von zwei Wochen, mehr als 10 000 Kubikmeter Steine und Erde abzutragen und eine vier Meter breite und zweieinhalb Kilometer lange Bergstraße anzulegen, die mit jedem Haushalt verbunden ist. Am elften Tag, nachdem auch die letzte Zementladung in die Straßenbettung gefüllt worden war, nahm sich das gesamte Dorf Zeit, um die Vollendung der Straße ausgiebig zu feiern, die sich nun vom Eingang des Dorfes am Fuß des Berges bis zu seinem Gipfel zieht. Aber die Dorfbewohner ruhten sich nicht lange auf ihrem Erfolg aus, sie nahmen sogleich ein weiteres Projekt in Angriff: Namentlich den Bau einer vier Kilometer langen Asphaltstraße, die das Dorf mit der provinziellen, zur Große-Mauer-Tour gehörigen Autobahn verbinden sollte.

Ein neues Leben

Heute findet sich keine Spur mehr von dem armen und unzugänglichen Dorf, das hier einst zu finden war. Xuliukou ist jetzt über eine zweieinhalb Kilometer lange Zement- und eine vier Kilometer lange Asphaltstraße zu erreichen, beide ausgestattet mit Straßenlaternen, wie sie normalerweise auch in großen Städten die Nacht erhellen. Bei allen 60 Laternen handelt es sich um ausrangierte Lichtquellen aus der Stadt, die die Dorfbewohner an sich genommen, instand gesetzt und wieder aufgestellt haben. Diese durchaus mutigen Ambitionen und praktischen Schritte der Einwohner von Xuliukou haben die lokale Verwaltung derartig beeindruckt, dass der Sekretär des Parteikomitees der Provinz Hebei, Bai Keming, das Dorf im April 2004 besuchte und den Berg entlang der Zementstraße bestieg. Dabei verlieh er seiner Bewunderung für das schier unglaubliche Kunststück Ausdruck, das die Dorfbewohner geschaffen haben. Bei einer anderen Gelegenheit bemerkte der Leiter des Verkehrsamts von Qian’an, Zhang Yinhuai: „Die Bewohner von Xuliukou haben mit ihren bloßen Händen ein Wunder aus der Erde ausgegraben.“

Aber auch der Bau der zweiten Straße konnte die Dorfbewohner nicht endgültig befriedigen. Bis heute haben sie zahlreiche Plätze in ihrer Heimat angelegt, an denen man sich kulturell bilden, in sportlicher Bewegung üben oder einfach unterhalten kann. Hinzu kommt, dass sie sowohl die Bücherei als auch die Krankenstation des Dorfes renoviert, einen kleinen Supermarkt errichtet und eine Shuttle-Bus-Linie eröffnet haben. Darüber hinaus sind Fernsehgeräte, Telefone und andere Dinge von modernem Komfort heute im Dorf sehr verbreitet. Während die schöne Landschaft und die vorteilhafte Infrastruktur mittlerweile viele Händler anziehen, die sich für Bergprodukte interessieren, werden die Touristen von der Großen Mauer und den heißen Quellen gelockt. Das alles hat dazu geführt, dass viele Frauen aus anderen Teilen von Qian’an heutzutage keine Bedenken mehr haben, einen Mann aus Xuliukou zu heiraten – umgekehrt aber auch, dass viele der Mädchen aus Xuliukou abgeneigt sind, sich außerhalb ihrer Heimat zu verheiraten. Die Dorfbewohner haben es dementsprechend innerhalb von zwei Jahren geschafft, ihre fragwürdige Reputation als „Dorf der Junggesellen“ abzuschütteln.

Indessen hat die Provinzregierung, ermutigt durch Dörfer wie Xuliukou, die Initiative ergriffen und bekannt gegeben, dass 20% der Dörfer bis 2010 ökologisch hochwertig ausgebaut werden sollen. Bis 2020 soll dann die gesamte Region in die ökologische Erweiterung miteinbezogen werden.



 
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