Wang Qiuyang – die erste Chinesin, die den Nordpol zu Fuß bezwang

Von He Ling

Im Alltagsleben wirkt Wang Qiuyang zierlich und sanft, vom Aussehen her kann man sich nicht vorstellen, dass Stärke und Härte zwei ihrer Charaktereigenschaften sind. Dazu sagt sie, das sei ihr Wesen.

Soldatentochter

Vor 17 Jahren lebte Wang Qiuyang in einem Gebirge in Fujian, damals diente ihr Vater als stellvertretender Korpskommandeur einer Feldarmee. Diese wurde im Gebirge stationiert, die Umgebung bildeten Ackerfelder. Wang Qiuyang verbrachte ihre Kindheit auf dem Land. Sie hat den Soldatencharakter ihres Vaters geerbt. Sie hat noch einen älteren Bruder, aber sie war immer der „Häuptling“ unter allen Kindern. „Damals rannten die gleichaltrigen Kinder zu mir, wenn sie mich sahen. Denn da galt es: Wer als erster meine Schulter fasste, der wurde geehrt.“ Damals kam es oft vor, dass man, wenn man den Schlüssel zu Hause eingeschlossen hatte, zuerst Familie Wang anrief. Es war Wang Qiuyang, die jedes Mal flink über die Mauer sprang und lächelnd die Tür von innen öffnete.

Vor jeder Mahlzeit rief die Mutter den Namen ihrer Tochter in die hohen Bäume, denn dort hatte sie Baumhäuser gebaut, wo sie jeden Tag spielte. Erst in ihrem 17. Lebensjahr sah sie zum ersten Mal radfahrende Frauen und auch das Meer und kam damit in Berührung mit einer anderen Welt, die völlig anders als ihr bisheriger Wohnort war.

Geld besteht im Grunde nur aus Zahlen

Als sie noch im Gebirge lebte, wollte sie Geologin werden. Später als aber die Mawangdui-Gräber der Westlichen Han-Dynastie (206 v. u. Z. – 24 n. u. Z.) freigelegt wurden, wollte sie Archäologin werden. Nach einiger Zeit hoffte sie wiederum, eine der „Vorbildlichen Arbeiterinnen für Elektrizitätsversorgung des Achten März“ zu werden.

All diese Träume endeten, nachdem sie ihren zukünftigen Mann Zhang Baoquan kennen gelernt hatte, ihr winkte nun ein neuer Beginn.

„Die Städter sind leicht durch verschiedenartige oberflächliche Dinge verwirrt. Das finde ich langweilig. Zhang Baoquan sagte, dass ich an ,urbaner Phobie‘ leide. Aber ich brauche diese Stadt, denn sie verhalf mir zum Erfolg.“

Sie mag weder Straßenbummel noch Kleidungskauf. Innerhalb eines Jahres geht sie nur zweimal bummeln. Im Herbst geht sie ins China World Shopping Center, durchstreift es von der ersten Boutique an bis zur letzten und kauft Kleidung für ein halbes Jahr; im Frühjahr wiederholt sie den Vorgang noch einmal. Alle Ladenangestellten kennen sie als sonderbare „Kundin von en Gros“.

Sie hasst Einkaufen, dafür sammelt sie aber gerne Luxusautos wie BMW, Mercedes und Porsche. Für die Reise nach Tibet besorgte sie zwei Wagen, einen Range Rover und einen Hummer. Letzten Endes fuhr sie einen Range Rover aufs Hochland. Sie sagte: „Der Wagen ist ausgezeichnet. Wenn man ihn allein fährt, ähnelt er einem Mann. Ich liebe ihn zu sehr.“

Bezwingung durch eine Frau

Frau Wang kann nicht Rad fahren und hat direkt Auto fahren gelernt. „Ich kümmere mich nicht darum, wo die Ausfahrt ist und wo das Ziel liegt. Ich mag den Vorgang des Fahrens“. Ihr Mann Zhang Baoquan sagt, dass ihre persönlichen Gefühle in einem Satz zusammengefasst werden kann: Hauptsache ist, dass man auf der Reise ist.

Wenn sich ein Mädchen erwachsen fühlt, so sehnt es sich nach der Welt draußen. So begann Wang Qiuyang, Tibet zu lieben. „Ich liebe Tibet so sehr, als ob ich dort nach etwas suchen würde. Diese starke Anziehungskraft werde ich nicht los.“ Dazu sagt ihr Mann scherzhaft: „Sie selbst ist eine Landkarte von Tibet. Sie weiß nicht mehr, wie viele Male sie dorthin gereist ist.“

Ihr Mann Zhang Baoquan gestattet ihr jedes Jahr einen Urlaub, damit sie reisen kann. Er versteht sie und bewundert ihren ungezügelten Charakter.

Um nach Tibet zu reisen, hat Wang Qiuyang hundert Arten von Ausrüstungen besorgt. „Dafür habe ich extra das Topmodell vom britischen Geländewagen Range Rover gekauft. Vor der Tibet-Reise habe ich ihn nur tausend Kilometer gefahren. Danach machte ich mich mit ihm auf den Weg.“ Auf der Reise sind fünf Reifen kaputt gegangen, nachdem dutzend Mal Reifen gewechselt wurden. Es kam vor, dass Reisende von Beijing die Reifen mit dem Flugzeug durch Windungen und Wendungen nach Tibet mitbrachten. Es gab nicht viele Ersatzreifen für Range Rover in Beijing, notgedrungen montierte der Chef der Beijinger Filiale von Range Rover selbst die Reifen von seinem eigenen Wagen ab und stellte sie ihr zur Verfügung.

Vor den Reisen packt Wang Qiuyang Kochgeräte einschließlich einer großen Gaskartusche in den Kofferraum ein. Selbst im menschenleeren Gebiet Lop Nul kochen Wang Qiuyang und ihre Kollegen selbst. Dazu sagt Wang Qiuyang: „Durch Essen muss ich mein Behagen finden. So genieße ich die Freude auf Reisen. Ich kaue immer trockenes Rindfleisch, während ich meinen Wagen mit einer Geschwindigkeit von 140 Stundenkilometern fahre.“

Vor einem Rätsel stehen

Wang Qiuyang sagt, dass ihre Vorfahren Tibeter gewesen sein müssen. An jedem Ort in Tibet sagen die Tibeter: „Diese Frau ist eine Tibeterin.“ „Ich bin sehr geeignet für Tibet. Ich trinke Buttertee, esse gerne Fleisch. Ich besorge mir ein Schafbein und kann es den ganzen Tag über verzehren. Im starken Sonnenlicht wird meine Haut braun. Außerdem trage ich einen dicken Zopf, ich finde, dass ich einer Tibeterin ähnle.“

Frau Wang setzt sich schon lange Zeit mit einem Rätsel auseinander. In der tibetischen Vergangenheit ist ein großes Reich, nämlich das Guge-Königreich verschwunden. Dort lebten einst über 100 000 Menschen. Bemerkenswerterweise sind diese Menschen spurlos verschwunden. Niemand kann Auskunft geben, wohin sie gegangen sind. Als sie einmal vor den Ruinen stand, dachte sie über mögliche Gründe über das Verschwinden nach. Beim Anblick der durch die Zeit erodierten Mahlsteine und Hausbalken konnte sie nicht umhin, ihre Bewunderung auszudrücken: „Die Kraft der Natur ist viel zu groß!“

Wenn man durch Tibet fährt, hat man jeden Tag ein neues Erlebnis. „Für die Reisenden ist das zweifelsohne eine große Versuchung. Jeden Tag muss man große Berge überwinden, ein Tag gleicht aber nicht dem anderen. In der Zukunft liegt die grenzenlose Möglichkeit, das befriedigt die Begierde der Eroberung.“

„Eines Tages sahen wir einen steilen Berg. Die vorfahrenden Fahrer fragten mich, ob wir zusammen auf einem neuen Weg fahren wollten. Ich wusste nicht, auf welchem Weg, und sagte, dass ich ihnen folgen werde. Unerwartet sah ich sie am Gipfel nicht mehr. So fuhr ich den Berghang mit einer Steigung von 70 Grad hinunter, wobei das Untergestell meines Wagens fast den Boden streifte. Dennoch habe ich diese Operation richtig durchgeführt. Da ließ sich der Wagen kaum noch kontrollieren.“ So ist Frau Wangs Range Rover hinuntergerutscht. Am Bergfuß warteten die anderen Fahrer auf sie. Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Ihre Beifahrerin riet ihr wie verrückt ab, jemals wieder auf diese Weise zu fahren.

Wang Qiuyang sagte jedoch zu den anderen Fahrern: „Es gibt sicherlich auch solche Berge. Wenn ihr sie so bewältigen könnt, dann kann ich das auch machen.“

Die einzige Frau in der Expedition

Am 19. April 2005 ging die Expedition Asus 7+2 von einer kleinen norwegischen Gemeinde aus und gelangte nach einer mühevollen Reise von fünf Tagen gut zum Nordpol.

In der aus neun Personen bestehenden Expedition war Wang Qiuyang die einzige, und dadurch auffallende Frau. Sie sagt: „Vor der Expedition war der Nordpol für mich eine große Versuchung, er erweckt große Erwartungen. Ich habe mir nicht viel Gedanken über die Schwierigkeiten und Gefahren gemacht. Der Trainer sagte, dass die Körperkraft sehr wichtig sei. So hatte ich viel hartes Training auf mich genommen. Laufen, Schwimmen und Übungen an Geräten. Ich war manchmal so müde, dass ich schon im Umkleideraum einschlief. Wenn man sich ein Ziel gesetzt hat, muss man sich ununterbrochen bemühen, bis man es erreicht hat.“

Als sie den Vertrag mit der Reisefirma für Bergsteiger schloss, kam es ihr vor, als ob ihr die Gefahr vor den Augen stünde. In dem Vertrag ist festgeschrieben, dass man selbst die Verantwortung für die Lebensgefahr trägt.

Sie haben sich letzten Endes auf den Weg gemacht. Da befand sich das Nordpolarmeer gerade in der kontinuierlichen Tauperiode. In der Eisfläche gab es viele Ritze, bei Ebbe war die Eisfläche sehr unstabil und sie mussten viele Umwege machen. Die Ausdehnung der Wege machte die Reise schwer kontrollierbar. Deshalb stand die Gruppe mit Wang Qiuyang vor einer größeren Gefahr als frühere Expeditionen. Am ersten Tag gingen sie fünf Stunden lang, man hatte die Kälte unterschätzt. Wang Qiuyangs Haare waren nicht unter der Mütze, so dass sie vereisten. Zwischen riesigen Eisblöcken gab es breite Gletscher. Vor Wang Qiuyangs Gruppe waren vier Mitglieder einer französischen Expedition hinuntergefallen. Wang Qiuyangs Gruppe hatte Glück. Sie waren ja vorsichtiger.

In den darauf folgenden Tagen haben die Mitglieder die Reise beschleunigt, sie zogen 30 kg schwere Schlitten und schritten auf dem unendlichen Eisfeld mühsam voran. Jeden Tag gingen sie acht bis zehn Stunden. Sie mussten ihre Aufgaben erfüllen, bevor das Eis getaut war. Sie kochten einen großen Topf Fleisch und gaben viel Käse in die Nudeln, damit sie viel Kalorien hatten. Die anderen Mitglieder kümmerten sich sehr um Wang Qiuyang. Sie trug nur die Schlafsäcke und die Papierteller. Zu den Journalisten sagte Wang Qiuyang: „Zwischen Männern und Frauen gibt es einen großen Unterschied in der Körperkraft. Aber bei Frauen ist die Ausdauer größer. Bei der Expedition handelt es sich um eine extreme Sportart. Da ist man aufeinander angewiesen. Aber es ist noch wichtiger, dass man sich um sich selbst kümmert, damit kann man den anderen weniger Probleme verursachen.“

Wang Yongfeng, der Leiter der Expedition, verstand es gut, sie zur angemessenen Zeit zu ermuntern. Am dritten Tag konnte sie die Fußschmerzen schon nicht mehr ertragen. Herr Wang verband ihre angeschwollenen Füße. Sie schleppte ihre Füße und ging so Schritt für Schritt. „Immer wenn ich mich todmüde fühle oder die Kälte nicht mehr ertragen konnte, dachte ich an Wangs Wort: ,In der Tat sind alle müde und ihnen ist auch sehr kalt.‘ Nur so konnte ich mich etwas besser fühlen.“ Als Wang dies sagte, lächelte sie spitzenbubisch. Eines Tages sahen die Mitglieder die Krallenspuren eines Eisbären. Der Leiter der Expedition zog sogar die Pistole. Beim Anblick der Eisbärenspuren vergassen die Mitglieder ihre Angst und fotografierten sie eifrig.

Bevor Wang Qiuyang schlafen ging, schrieb sie auf einem Asus-Laptop ihr Tagebuch und speicherte ihre Aufnahmen vom Nordpol. Durch High-Tech hat sie viel Material über ihre Expedition gesammelt. Den alten klassischen Sinnspruch „zehntausend Bände von Büchern lesen und einen zehntausend li langen Weg hinter sich bringen“ hat Wang Qiuyang durch ihre Taten realisiert.

Die Hoffnung, immer auf der Reise zu sein

Bereits 1998 ist Wang Qiuyang an den Südpol gereist, da war ihr Kind erst 18 Monate alt. Sie fuhr mit einem russischen eisresistenten Schiff, das eine Wasserverdrängung von nur 1800 t hatte, durch die furchterregende „teuflische Westwindzone.“ In den starken Wogen schwankte das Schiff so sehr, dass das Fenster beinahe die Meeresoberfläche berührte. Da begriff Wang Qiuyang, was Angst bedeutet, und dachte: „Nie mehr solche Abenteuer!“. Als sie aber den Südpol betrat und liebliche Pinguine herumspazieren sah, warf sie alle Angst über Board und fasste den Entschluss: „Nächstes Mal komme ich wieder!“

Frankreich bereiste Wang Qiuyang als Rucksacktouristin. Sie fuhr mit ihrer Weggefährtin mit dem Zug auf dem Land herum, das nächste Ziel war immer ein fremder Marktflecken. Unterwegs folgten die Füße dem Herzen und so lernte sie die romantische Landschaft Frankreichs kennen. Beim Anbruch der Nacht stiegen sie wieder in einen Zug ein und schliefen süß. Bei der Morgendämmerung erreichten sie ein neues Ziel. Ihre Weggefährtin kennt sie schon seit zehn Jahren. Ihr größtes Thema unterwegs war, dass sie eine Weltreise antreten wollten, wenn sie das 80. Lebensjahr erreicht haben.

Für ihre derartigen Reiseunternehmungen gibt ihr ihre Familie immer tatkräftige Unterstützung. Sie ist eine glückliche und stolze Mutter. „Wenn ich gehen will, dann gehe ich. Für meine zwei Kinder ist die geistige Fürsorge genauso wichtig wie die leibliche. Die Mutter ist nicht nur eine Beschützerin, sondern auch ein Vorbild. Dafür mache ich etwas, was die anderen Mütter nicht machen oder machen können. Meine Kinder erzählten den anderen Kindern: ,Meine Mutter ist in Tibet. Sie wird eines Tages sogar eine Reise auf den Mond machen!‘ Wenn ich dies höre, habe ich ein Gefühl des Erfolges. Denn ich biete meinen Kindern geistige Schätze.“

„Ich hoffe, immer auf der Reise zu sein und nach vorne zu gehen. Wenn ich alt bin und eines Tages sterbe, würden die Menschen nach mir fragen. Sie würden sagen: ,Erinnerst du dich noch an eine Frau namens Wang Qiuyang?‘ ,Wo ist sie? Ich habe sie schon einige Monate nicht gesehen.‘ ,Ach, vor einiger Zeit ist sie in einem Dorf in England gestorben.‘“

Wang Qiuyang ist im Grunde immer noch eine Frau unterwegs. Ihr nächstes Ziel ist, die Sahara zu durchqueren und zu einem noch weiter entfernt gelegenen Ort zu reisen. Dieser Traum, der ihr Leben mit der Stadt und dem Land, mit hohen Gebirgen, dem Nordpol und dem Südpol verbindet, wird sich fortsetzen.

Wang Qiuyang: CEO der Jindian-Investment-Gruppe

Sie entstammt einer Soldatenfamilie und diente acht Jahre in der Armee. Sie absolvierte ihr Studium an der Abteilung für Journalismus an der Chinesischen Kommunikationsuniversität. Sie arbeitete als Kunstgestalterin und Regisseurin an der Kulturabteilung des Militärbezirks Nanjing. Sie hat eine ausgeprägte Vorliebe für Reisen und Expeditionen. 1998 beteiligte sie sich an der Südpol-Expedition; 2000 reiste sie als Rucksacktouristin mit dem Zug durch den Westen Frankreichs. 2003 fuhr sie ihren Wagen 50 Tage lang und 10 000 km durch Tibet und das menschenleere Gebiet Lop Nul und schrieb das Buch Extreme Erlebnisse. 2003 spendete sie 10 Mio. Yuan für das Bildungswesen in Ngari in Tibet und stiftete damit vier Grundschulen – Jindian-Grundschulen. 2004 erhielt sie aufgrund ihres Beitrags für das Bildungswesen in Tibet die Ehre, von der Zeitschrift Chinesische Frauen verliehen, in die Gruppe der zehn wichtigsten chinesischen Frauen in China und in Übersee eingereiht zu werden. Vom 10. bis 22. Februar 2005 bestieg sie den höchsten Gipfel Afrikas, den 5895 m hohen Kilimandscharo. Vom 13. April bis zum 2. Mai 2005 beteiligte sie sich an der Nordpolexpedition und wurde damit die erste Chinesin, die den Nordpol zu Fuß bezwang. Vom 19. bis zum 24. Juli 2005 bestieg sie den Berg Chize in Tibet, der 6206 m über dem Meeresspiegel liegt.

 
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