Die traditionelle chinesische Medizin

 

Von Yan Xiaocheng

 

Heute ist die traditionelle chinesische Medizin das Resultat langer Erfahrungen und stellt ein intelligentes theoretisches System dar, das die Therapie mit Heilkräutertee, Akupunktur, Massage und Qigong (vitalitätsfördernde Atemübungen) praktiziert. Seit mehreren tausend Jahren trägt dieses System sehr viel zur Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten bei. Auch ergänzen andere Länder ihre medizinische Kenntnisse durch Behandlungsmethoden der traditionellen chinesischen Medizin.

Die Entstehungsgeschichte

Eine Legende erzählt, dass der Stammesführer Suiren, ein sagenhafter angeblicher Erfinder des Feuers, vor mehr als 4000 Jahren mit Wärme, die aus Feuer erzeugt wurde, Krankheiten vorgebeugt haben soll. Ein weiterer Stammesführer namens Fuxi soll hundert Krautarten zur Feststellung ihrer Heilwirkungen erprobt und neun Arten von Akupunkturnadeln erfunden haben. Im Zeitraum zwischen dem 21. Jahrhundert und 476 vor Chr. zur Zeit der Xia- und Shang-Dynastie sowie während der Frühlings- und Herbstperiode, verstand man es schon, Augen-, Ohren-, Mund-, Zähne-, Zungen-, Kehlen-, Frauen- und Kinderkrankheiten zu behandeln sowie gynäkologische Probleme zu lösen. Entdeckt wurde auch, welche dieser Krankheiten ansteckend sind. Aus Orakelknochenschriften erfahren wir heute, dass man damals Sträflinge durch Abtrennen des Geschlechtsorgans und der Füße bestrafte. Das war die Vorstufe zur chirurgischen Operation. Man kannte schon schmerz- und blutstillende Mittel sowie Methoden der Wundbehandlung. Im Buch Shan Hai Jing (Geschichte von Bergen und Meeren) wird die Behandlung von Krankheiten mittels Heilkräutern beschrieben. Dort werden mehr als 20 Krankheiten und mehr als 120 Heilkräuter aufgeführt.

Im Zeitraum zwischen der Frühlings- und Herbstperiode und der Periode der Streitenden Reiche (772 – 221 vor Chr.) stand die chinesische Medizin unter Einfluss der Yin- (negative Kräfte) und Yangtheorie (positive Kräfte) und der Fünf-Elemente-Schule (Fünf Elemente: Metall, Holz, Wasser, Feuer und Erde). Sie stellten die Grundlage der damaligen Medizin Chinas dar. Mehrere Jahrhunderte später, ungefähr im 3. Jahrhundert vor Chr., entstand das größte medizinische Werk Huang Di Nei Jing (Innere Medizin des Gelben Kaisers). Im Geiste dieses Werkes entwickelte sich die traditionelle chinesische Medizin zu einer besonderen Wissenschaftsdisziplin.

Die vier Entwicklungsperioden

Von der Zeit, da Huang Di Nei Jing verfasst wurde, bis heute durchlief die traditionelle chinesische Medizin vier Entwicklungsperioden:

Die erste Periode (25 – 220, zur Zeit der Östlichen Han-Dynastie): Der bekannte Arzt Zhang Zhongjing übernahm die in dem Buch Huang Di Nei Jing aufgestellten Theorien und fasste die Erfahrungen, die er bei der Behandlung verschiedener Krankheiten gesammelt hatte, zusammen. Auf dieser Grundlage schrieb er das bekannte Werk Shang Han Za Bing Lun (Über Krankheiten). In Verbindung von Theorie und Praxis legte er hier die Gesetzmäßigkeit der Therapeutik dar.

Die zweite Periode (1115 – 1368, zur Zeit der Jin- und Yuan-Dynastie): Die vier bekannten Ärzte Liu Hejian, Zhang Zihe, Li Donghuan und Zhu Danxi interpretierten von verschiedenen Aspekten her die Hauptursachen der damals erkannten Krankheiten und das Grundprinzip ihrer Behandlung. Liu Hejian betonte das „Vertreiben der Hitze“ (das Hemmen der Entzündung), während Zhang Zihe den Schwerpunkt darauf legte, die Symptome einer Krankheit zu analysieren und die passende Arznei zu verabreichen. Li Donghuan meinte, es sei am wichtigsten, das Verdauungssystem zu stärken, während Zhu Danxi dem Problem der Ernährung die größte Bedeutung beimaß. Ihre Erfahrungen trugen zur Entwicklung der traditionellen chinesischen Medizin bei.

Die dritte Periode (1368 – 1911, zur Zeit der Ming- und Qing-Dynastie): Zu dieser Zeit bildete sich die Lehre der „warmen“ (akuten) Krankheiten. Ihre Vertreter waren Wu Youke, Xue Shengbai, Ye Tianshi und Wu Jutong. Sie analysierten verschiedene akute Krankheiten, wie etwa Typhus, Lungenentzündung, Hirnhautentzündung, Malaria und Entzündung der Ohrspeicheldrüse und stellten eine Theorie der Behandlung dieser Krankheiten durch die Analyse ihrer Symptome auf.

Die vierte Periode (von der Gründung der Volksrepublik China bis auf den heutigen Tag): In mehr als 30 Jahren Forschungsarbeit in der traditionellen Medizin, woran auch Ärzte der westlichen Medizin und andere Fachleute teilnahmen, ergaben sich folgende Resultate:

1)      Es wurde eine ganze Reihe Lehrmaterial für die Traditionelle Medizinische Hochschule verfasst. Dieses Lehrmaterial ist eine Zusammenfassung von Theorie und Praxis und trägt zur Vereinheitlichung verschiedener Auffassungen bei.

2)      Vom dialektisch-materialistischen und historisch-materialistischen Standpunkt aus wird die traditionelle chinesische Medizin bewertet und erforscht. Das wichtigste Werk darüber ist der Artikel „Über die Beziehungen zwischen der traditionellen chinesischen Medizin und der Philosophie“, den der Philosoph Ren Jiyu 1956 schrieb, um die Theorie dieser Medizin zu bestätigen.

3)      In der Therapeutik, wie etwa in der Akupunktur, der Behandlung des akuten Abdomens, dem Schienen eines gebrochenen Armes oder Beines und der Behandlung von Krebs sind neue Forschungsergebnisse registriert worden, welche die traditionelle Medizin bereichern.

4)      Die Narkose durch die Akupunktur, die „Aktivierung des Blutkreislaufs“ und die „Abteilung der Blutstauung“, die „Stärkung der Nieren“ und die „Befestigung der Grundlage des Lebens“, das „Vertreiben der Hitze“ und die „Beseitigung der Gifte“ – alle diese traditionellen Heilmethoden und die Behandlung von akuten und chronischen Krankheiten mit Heilkräutern werden durch die moderne Wissenschaft, hier also die moderne Medizin angewandt.

Die grundlegenden Besonderheiten der traditionellen Medizin

Charakteristisch für die traditionelle Medizin ist die Überzeugung der untrennbaren Einheit aller Bestandteile des menschlichen Körpers und die Behandlung von Krankheiten durch die Analyse ihrer Symptome:

1)      Die Gesundheit des Menschen steht in engem Zusammenhang mit Veränderungen in der Natur. Nach der „Lehre der Tätigkeit der Körper- und Geisteskräfte des Menschen“, einer der wichtigsten Lehren der traditionellen Medizin, werden die Beziehungen zwischen Klima, Krankheitssymptomen und Naturphänomenen systematisch analysiert. Dadurch wird festgestellt, welchen Einfluss die Veränderungen in der Natur auf die Gesundheit des Menschen ausüben und welche Gesetzmäßigkeiten in der Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten bestehen.

2)      Der Einfluss der Gesellschaft auf die Gesundheit des Menschen wird beachtet. Im ursprünglichen Vorwort von Shang Han Lun (Über Krankheiten) wird darauf hingewiesen, dass die Jagd nach Ruhm und Einfluss, die Machtgier, die Profitsucht der Gesundheit des Menschen schaden.

3)      Shen (die Tätigkeit der Körper- und Geisteskräfte) „herrscht über den menschlichen Körper“. „Das Herz ist das Funktionsorgan von Shen“, heißt es. Die Veränderungen des Gemütszustandes des Menschen beeinflusst die „Tätigkeit der Geisteskräfte“ und verursachen so Krankheiten.

4)      Alle Bestandteile des menschlichen Körpers bilden eine untrennbare Einheit. In diesem Sinne wird die Gesundheit des Menschen überwacht.

Krankheiten werden durch vier Verfahren (Betrachten, Beriechen, Befragen und Pulsfühlen) in Bezug auf die natürlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen die einzelnen Patienten leben, sowie auf ihre Körperkonstitution diagnostiziert und behandelt.

Aus China im Aufbau, Nr. 9, 1986

 
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