Iss
dich gesund mit professioneller Unterstützung
Von
Wu Yan
Am
25. Oktober 2005 gab das chinesische Ministerium
für Arbeit und Sozialabsicherung seine vierte Liste
neuer Berufe heraus, die neue Berufssparten, die
in einer modernen Gesellschaft entstehen, offiziell
anerkennt. Eine der elf, die es auf die neue Liste
schafften, war der Beruf des öffentlichen Ernährungsberaters
— für eine Nation mit explodierenden Ernährungsproblemen.
Nach der offiziellen Anerkennung können sich die
chinesischen Ernährungsberater nun auf professionelles
Training, Befähigungsnachweise und Beurkundungen
freuen. Und eine Gesellschaft, die nicht nur auf
eine Weise zunimmt, wird in Zukunft eine neuere
und gesündere Konsumauswahl haben.
Aufgeblasene
Probleme
„Diätärzte“
tauchten in China zum ersten Mal 1066 v. Chr. auf
während der Zhou-Dynastie, doch kümmerten sie sich
nur um Patienten im Kaiserhof. Moderne öffentliche
Ernährungsberater beraten erst seit kurzem einfache
Bürger. In den letzten zehn Jahren erfuhren die
Chinesen drastische Verbesserungen ihrer Einkommen
und ihrer Lebensstandards und haben damit einhergehend
ein zunehmend vielfältigeres Nahrungsangebot. Trotzdem
zogen manche die Gaumenfreuden einer ausgewogenen
Ernährung vor und das führte zu schwindelerregenden
Vorfällen von ernährungsbezogenen Krankheiten wie
hohem Blutdruck, Diabetes und Fettleibigkeit. Noch
sorgenerregender ist die in die Höhe schnellende
Anzahl der Erkrankungen bei Jugendlichen.
Höhere
Raten von Krankheiten, besonders von chronischen
nagen am Staatssäckel wie auch an den individuellen
Geldbeuteln. Sie reduzieren auch das Produktivitätsniveau:
Chinas BIP sank 2003 um 0,5 Prozent – in dem Jahr,
in dem SARS ausbrach.
Chinas
Gastronomieindustrie zog 2003 kolossale Einnahmen
von 600 Milliarden Yuan an Land und 2004 700 Milliarden
Yuan. Die Auswirkungen der anschwellenden Industrie
spiegeln sich in den Aufzeichnungen der Krankenhäuser
wider, die zeigen, dass 2002 18,8 Prozent der chinesischen
Erwachsenen zu hohen Blutdruck hatten. Das sind
geschätzte 160 Millionen Personen und eine Zunahme
von 70 Millionen Fällen seit 1991. Huoguo (Hotpot)
und westliche Fastfood-Ketten nehmen den ersten
und zweiten Platz bei den Umsätzen in der Gastronomie
ein.
Entwickelte
Länder haben durchschnittlich einen Ernährungsberater
für 300 Menschen, während China nur weniger als
3000 registrierte Ernährungsberater für die 1,3
Milliarden große Bevölkerung hat. Sogar in Institutionen,
wo sie am meisten gebraucht werden, wie in Gastronomieunternehmen,
Schulen, Kindergärten und Krankenhäusern gibt es
einen Mangel an Ernährungsberatern.
Ein
gesunder Markt
Mit
dem steigenden Lebensstandard werden sich mehr und
mehr Chinesen der Risiken und Probleme eines zerstörerischen
Lebensstils bewusst und sie machen sich zunehmend
Sorgen über ihre Gesundheit. Manche junge Stadtbewohner
suchten sogar Rat bei „professionellen“ Ratgebern,
die ihr Geld mit Ratschlägen für schnelle Methoden
zur Lebensverbesserung machen. Diese ineffektiven
Methoden rufen nach industriellen Standards.
Die
bald erscheinenden Nationalen Ernährungsbestimmungen
sollen festlegen, dass Schulkantinen, Kindergärten
und Restaurants mit mehr als 100 Sitzplätzen ihren
eigenen Ernährungsberater einstellen sollen. Das
sind gute Nachrichten für Ernährungsberater auf
Arbeitssuche – die Bestimmungen werden eine Million
freie Stellen in der Industrie schaffen und Beijing
wird alleine schon 50 000 bis 100 000 brauchen.
Die
Berufsschule Beijing Shiji Yingcai (Milleniumstalente)
war eine der ersten Schulen in China, die Kurse
für öffentliche Ernährungsberater anbot. Das Ministerium
für Arbeit und Sozialabsicherung entsendet autorisierte
Fachkräfte, die dort als Ernährungsprofessoren lehren
sollen und viele ausländische und inländische Unternehmen,
Schulen, Hotels und Restaurants werben ihre Ernährungsberater
direkt von dieser Schule an. „Innerhalb von drei
Jahren wird China 1000 Ernährungsprofessoren haben,
die dazu qualifiziert sind, Kurse für öffentliche
Ernährungsberater anzubieten,“ sagt die Direktorin
der Schule, Yi Fei. „Außerdem werden wir eine Trainingswebsite
anbieten, die die landesweite Nachfrage nach diesen
neuen Fachkräften befriedigen soll.“
Ernährungsberater
verdienen zur Zeit um die 8000 Yuan pro Jahr bei
einer Anstellung bei einer Familie und 40 000 Yuan,
wenn sie von einer Firma angestellt werden. „Freischaffende“
verdienen im Durchschnitt 100 000 Yuan im Jahr.
Experten für Personalfragen sagen voraus, dass öffentliche
Ernährungsberater mit Einkommenssteigerungen von
15-20 Prozent rechnen können, sobald die Nationalen
Ernährungsbestimmungen formell erlassen werden.
Währenddessen schlägt Yi Fei vor: „Es wäre sehr
hilfreich, wenn Restaurants und Kantinen öffentliche
Ernährungsberater einstellen würden, um Ernährungsposter
zu entwerfen, die die Öffentlichkeit darauf hinweisen,
was gesund ist und was nicht.“ Die meisten Ernährungsberater
in China arbeiten zur Zeit in Ernährungsberatungs-
und Gewichtsabnahmezentren und für Firmen und Einzelpersonen.
Chinas
erste öffentliche Ernährungsberaterin
Yi
Fei gilt als die erste öffentliche Ernährungberaterin
Chinas. Sie verbrachte Jahre damit, ihren Beruf
in 20 verschiedenen Provinzen im ganzen Land zu
untersuchen. „Damals verließ ich die Bibliotheken
nicht einmal für das Mittagessen“, sagt sie. „Ich
nahm eine Flasche Wasser und ein wenig Brot mit
und wühlte mich den ganzen Tag durch die Bücher.
Aber bald stellte ich fest, dass ich als Ernährungsberaterin
auch auf meine eigene Ernährung achten sollte! Danach
nahm ich jeden Tag ein selbst gekochtes Mittagessen
mit.“
Yi
Fei gründete die Berufsschule Beijing Shiji Yingcai
(Milleniumstalente) am 30. Juni 2000. Sie sagt:
„Ich war immer überzeugt davon, dass eines Tages
der öffentliche Ernährungsberater formell als Beruf
anerkannt wird. Durch die Nennung auf der vierten
Liste der neuen Berufe sind alle in unserer Schule
sehr ermutigt.“ In den frühen Tagen gab es nicht
viele Studierende, aber innerhalb eines Jahres stieg
die Anzahl der Anmeldungen drastisch. Yi Fei war
positiv überrascht, dass 30-40 Prozent der Bewerber
über einen Universitätsabschluss verfügten – ein
seltenes Phänomen in Chinas Berufsschulen.
Gao
Jin hat einen Hochschulabschluss in Naturwissenschaften
und hat gerade den Kurs für öffentlichen Ernährungsberater
abgeschlossen. „Mein Vater hat Diabetes, die durch
Fettleibigkeit hervorgerufen wurde. Ich hatte das
Gefühl, dass meine ganze Familie sich anders ernähren
sollte und ich meldete mich bei dem Kurs an. Ich
war geschockt, wie schlecht unsere Ernährung war.“
Gao Jin arbeitet nun nicht nur als Ernährungberater
für seine Eltern, er berät auch seine Verwandten
und Freunde. „Es ist ein sehr lohnender Beruf, doch
ich weiß, dass ich noch mehr Erfahrung sammeln muss,
um ein guter Ernährungsberater zu werden.“