Tibetische Kochkunst
Einmal wurden wir von der Politischen Konsultativkonferenz der
Stadt Lhasa zu einem Bankett eingeladen. Einige Speisen, die man
den Gästen auftischte, kannten wir nicht. Das machte uns
neugierig. Seither studieren wir mit großem Interesse die
abwechslungsreiche tibetische Küche. Wir interviewten in
Lhasa, Xigaze, Zetang, Nagqu und Zham berühmte Köche.
Lorbu Sangceren und Suba waren früher Chefköche des
Panchen Erdeni. Sie erzählten uns vieles über die Ursprünge
der tibetischen Kochkunst. Die tibetische Küche ist abwechslungsreich.
Vieles wurde aus den Küchen der Han, der Hui und anderer
Nationalitäten Chinas übernommen. Auch die Küchen
Indiens, Nepals und Bhutans haben die tibetische beeinflusst.
Hier wollen wir einige bekannte Gerichte der tibetischen Küche
nennen und die Leser mit ihrer Zubereitung vertraut machen.
Sokham Bexe (in Öl gebratene Teigklöße mit
Fleischfüllung)
Ein Gericht für den Dalai Lama und den Pantschen Erdini.
Gehacktes Fleisch wird in einen Teig aus Qingke-Gerstenmehl und
Butter eingerollt, zu Klößen geformt und in Öl
gegart.
Juema (Blutwürste)
Frisches Rinder- und Schafblut wird mit Zanba (zermahlene und
geröstete Qingke-Gerstenkörnern), Salz und wildem Lauch
gut gemischt und gerührt, in Rinder- oder Schafdärme
gefüllt, und in Wasser gekocht.
Drokpa Katsa (Rindermagenscheibchen)
Der Rindermagen wird gekocht, in Scheibchen geschnitten. Dann
fügt man Curry, Fenchel, Glutamat und Salz hinzu und rührt
gleichmäßig um.
Lunggoi Katsa
Hammelkopf gar kochen, Knochen vom Fleisch lösen, Curry,
Fenchel, Glutamat und Salz hinzufügen und gleichmäßig
umrühren.
Tu (Milchkuchen)
Milchhaut, Butter und braunen Zucker mischen und umrühren,
mit kaltem Wasser übergießen und kneten, in Scheiben
schneiden.
Masan (Milchgelee mit Zanba)
Zanba, Milchhaut, Butter und braunen Zucker mischen, mit kaltem
Wasser übergießen, umrühren und langsam kneten.
Dann in eine Holzkisten legen und pressen. Vor dem Essen in nicht
zu dicke Scheibchen schneiden.
Xogoi Momo (fritierte Kartoffelklöße mit gehacktem
Fleisch)
Xogoi (Kartoffeln) schälen, kochen, mit Weizenmehl mischen
und gewürzte, gut gebratene Fleischwürfel dazugeben,
in Semmelbrösel wälzen und in Rahm fritieren.
Papza Mogu (Mehlklößen)
Mehl in einen Topf schütten, warmes Wasser zugeben, den
Teig kneten und zu kleinen Klößchen formen. Diese in
siedendes Wasser geben. Nach dem Garen gut abtropfen lassen.In
eine heiße Mischung aus braunem Zucker, Rahm und zerkleinerter
Milchhaut geben. Langsam und gleichmäßig umrühren.
Das Gericht ist hellrot und schmeckt süßsauer. Es wird
an Fest- und Feiertagen gegessen.
Samkham Papleg (fritierte Fladen)
Mehl mit Rahm mischen, den Teig kneten, ausrollen, in kleine
Stücke schneiden und in siedenden Rahm oder in siedendes
Rapsöl geben.
Gyabrag (gebackene Kuchen)
Getrocknete Qingke-Gerstenkörner fein zermahlen, mit Molke
übergießen, gleichmäßig umrühren, zu
Kuchen formen und auf den Herd legen. Dann mit Zucker und Butter
bestreuen und fertig backen.
Chetang Goiche (Ölgebäckstangen)
Weizenmehlteig in Stangen schneiden, dann in siedendes Rapsöl
geben, anschließend in geschmolzenen Zucker. Danach abtropfen
lassen bis sie trocken sind.
Cheser Mogu (süßer Reispudding mit Butter und Rosinen)
Reis in einem Schnellkochtopf kochen, dann mit Butter, braunem
und weißem Zucker, Rosinen und Salz mischen und gleichmäßig
verrühren.
Zhoima Mogu (süße Ginseng-Früchte
mit Butter)
Ginseng-Früchte kochen, in eine Schale legen,
Butter und Zucker darüber geben.
Yurla (Weizenmehlbrei)
Weizenkörner fein zermahlen, in einen Topf schütten
und zu Brei kochen. Dem Brei Butter hinzufügen, fertig ist
das Gericht! Zu diesem Gericht verwendet man tibetischen Weizen,
weil dieser besonders gut schmeckt und nahrhaft ist.
Chosho (Ginseng-Früchte mit Sauermilch)
Ginseng- Früchte gar kochen, mit Sauermilch
mischen und umrühren.
Chexo (Reis mit Sauermilch)
Reis kochen, mit Sauermilch mischen und umrühren.
Gyatog (Nudeln mit Eiern)
Weizenmehl und Eier mischen, daraus einen Teig kneten, ausrollen,
zu Nudeln schneiden, kochen und mit Knochenbrühe übergießen.
Gyaho (Feuertopf)
Zutaten: breite Glasnudeln, Seetang, Pilze, Schweinefleisch,
Klöße aus Rind- und Hammelfleisch, Bambussprossen,
Salz und Glutamat. Dieses Gericht steht auf der Speisekarte bedeutender
Lamas. Werden große Zeremonien veranstaltet, isst man Feuertopf.
Xabbatog (Suppe mit gekochten Teigtaschen mit Fleischfüllung)
Fleisch zerhacken und in ausgerollten Weizenmehlteig packen.
Dann die Teigtaschen mit Fleischfüllung in Knochenbrühe
mit dünnen Rübenstreifen und Molke geben und kochen.
Gonga Momo (Teigbeutel mit Fleischfüllung)
Eier mit Weizenmehl mischen, den Teig ausrollen. Das gehackte
Fleisch in den ausgerollten Teig geben und so kleine Beutel formen.
Dann dämpfen oder fritieren.
Xab Momo (gedämpfte Teigtaschen mit Fleischfüllung)
Zur Füllung verwendet man Rind- oder Hammelfleisch.
Xab Pagri (Fleischfladen)
Gehacktes Fleisch auf ausgerollten Teig legen, die Teigtaschen
zusammendrücken und backen.
Gundain (Haferbrei mit Qingke-Gerstenwein gemischt)
Qingke-Gerstenkörner waschen, kochen, mit Hefe in ein Tongefäß
füllen und hermetisch verschießen. So wird Qingke-Gerstenwein
hergestellt. Dann den Wein in einen Topf geben, braunen Zucker,
Ginseng-Früchte, Molke und geröstetes Qingke-Gerstenmehl
hinzufügen und zu einem Brei rühren. Auf kleinem Feuer
etwa eine Stunde kochen lassen. Das ist der erste Gang des Festessens
zum Neujahr nach dem traditionellen tibetischen Kalender.
Qoiduan (scharfer Brei mit Hammelfleisch und Käse)
Frisches Hammelfleisch würfeln, Weizenmehl, getrocknete
Paprika, Salz, zerriebenen Käse und Wasser mischen, auf mäßigem
Feuer zwei Stunden garen, mit Hafer- und Qingke-Gerstenflocken
mischen, umrühren, wieder aufs Feuer stellen und kurz kochen.
Die Bewohner vom Grenzgebiet in Süden Tibets, zum Beispiel
die Moinba, geben weitere Zutaten hinein, etwa gesäuerte
Molke und Pilze.
Die tibetische Küche hat sich in dem besonderen ökologischen
und kulturellen Milieu des Qinghai-Tibet-Hochplateau entwickelt.
Sie unterscheidet sich mehr oder weniger von anderen Küchen
und weist folgende Besonderheiten auf:
1) In der tibetischen Küche kommt der Einfluss des chinesischen,
indischen und nepalesischen Geschmacks zum Ausdruck. Nicht wenige
Gerichte stammen aus dem Landesinneren, zum Beispiel Gyaho
und Gyatog. Zu wichtigen Festtagen gibt man Gyaso
Liugyoje (ein großes Diner), dessen 18 Gänge
von der Han-Küche herrühren. Die Namen vieler Speisen
sind phonetisch vom Chinesischen ins Tibetisch übertragen.
Zum Beispiel ist Suru eindeutig eine phonetische Übernahme
des chinesischen Surou (knusprig gebratenes Fleisch).
2) Typisch für die traditionelle tibetische Küche sind
gekochte und fritierte Gerichte. Daneben gibt es kalte, mit Sauce
angerichtete oder rohe Speisen. In Tibet gibt es kaum kurz gebratene
Speisen, da aufgrund der Höhenlage nichts in kurzer Zeit
gut gebraten werden kann. Zu den wichtigsten Zutaten der tibetischen
Küche zählen Qingke-Gerste, Rind- und Hammelfleisch,
deren Eingeweide, Rahm und andere Milchprodukte. Frisches Gemüse
ist in Tibet sehr selten. Erst in den letzten paar Jahren wird
der Gemüseanbau hier nach und nach popularisiert. Immer mehr
Tibeter bereiten sich jetzt Gemüse zu.
3) Die Ess- und Trinkgewohnheiten in Tibet unterscheiden sich
stark je nach Gebiet. Die Hirten ernähren sich hauptsächlich
von Fleisch und essen nur wenig Zanba (zermahlene und geröstete
Qingke-Gerstenkörner). Bei den Bauern ist es umgekehrt. Nordtibetische
Hirten mögen Curry nicht besonders, während Bewohner
des Grenzgebietes mit Curry angerichtete Speisen bevorzugen. Haferbrei
zählt zu den Lieblingsspeisen der Tibeter. Aber von Ort zu
Ort wird er anders zubereitet. Die Moinba essen beispielsweise
gern Goiduan (Haferbrei mit gesäuerten Milchrückständen).
4) Die Lhasa- und die Xigaze-Küche repräsentieren wohl
die höchste tibetische Kochkunst. Vor der friedlichen Befreiung
Tibets im Jahre 1951 lebten die besten Köche in Lhasa und
Xigaze. Sie arbeiteten für einflussreiche Adlige, hohe Beamte,
den Dalai Lama und den Panchen Erdeni Qoigyi Gyaincain. Die vorzügliche
Lhasa- und Xigaze-Küche mit ihren mannigfaltigen Menüs
galt überall als köstlich. Besonders die Lhasa-Küche
wurde immer wieder gepriesen.
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