Erfolg
durch Vitamin C
Von Sören Kittel
In Berlin eröffnet das China Gate Berlin Der Kampf
deutscher Städte um China als Handelspartner geht in die
nächste Runde.
Visitenkarten immer mit beiden Händen übergeben, eine
leichte Verbeugung andeuten, oft zustimmend lächeln und lautes
Stuhlrücken vermeiden. Die Liste der Regeln für den
richtigen Umgang mit asiatischen Geschäftsleuten ist lang.
Doch glücklicherweise hat Deutschland schon Erfahrung im
Umgang mit Asiaten sammeln können. Nur Berlin ließ
sich bisher noch etwas Zeit. Als sich vor rund 30 Jahren die ersten
japanischen Firmen in Deutschland ansiedeln wollten, gingen sie
nach Düsseldorf. Dorthin brachten sie neben Sushi noch viele
andere Vokabeln der neuen Konsum-Welt mit: Toshiba, Yamaha und
Sony. Einige Jahre später suchte Südkorea in Deutschland
einen Entre-pôt. Die Wahl von Daewoo, Hyundai und Samsung
fiel auf Frankfurt am Main. Seit dem Beginn des neuen Jahrhunderts
nun ist anhaltend die Rede davon, dass die Zukunft der Wirtschaft
von China bestimmt wird. Der Beitritt des Landes zur Welthandelsorganisation
(WTO) unterstützt diese Prognosen. Jetzt starten mehrere
deutsche Städte in das Rennen um den ersten Platz bei den
Delegationen aus dem Reich der Mitte.
In genau dieser Stimmung wurde vor einem Jahr das China Gate
Berlin eröffnet, nicht zufällig auch am chinesischen
Nationalfeiertag. Das China Gate Berlin soll ein Tor sein,
dass in beide Richtungen offen steht, sagt der Manager der
Deutschen Immobilien Fonds AG (DIFA), Bernd Andrich. In den Räumen
im 15. Stock des Kranzler-Ecks am Kurfürstendamm sollen Chinesen
alles über Deutschland lernen und Deutsche alles über
China. Den Anreiz gab klar die wirtschaftliche Verflechtung der
beiden Staaten. China ist mittlerweile Deutschlands wichtigster
Handelspartner, betont Andrich, und umgekehrt liegt
es zumindest für Europa ebenso. Berlin als Hauptstadt
will sich jetzt dieser Situation stellen und kann neben dem Hauptstadt-Status
noch weitere Standortvorteile bieten: Die Stadt gilt als Verbindungsglied
zwischen Ost und West, hat eine der weltweit größten
chinesischen Botschaften und das erste Konfuzius-Institut in Deutschland.
Als fernöstliches Pendant zum deutschen Goethe-Institut will
sich so das Reich der Mitte auch kulturell nach Außen präsentieren.
Zusammen mit Dieter Flämig, Geschäftsführer der
Strategy-GmbH und des Verbands zum Aufbau der Infrastruktur in
den Neuen Bundesländern (INFRANEU), überlegte Andrich
vor rund einem Jahr, wie in der Hauptstadt weitere Anreize für
chinesische Unternehmen geschaffen werden können. Als
Organisator des jährlich stattfindenden Berliner China Tages
wissen wir, sagte Flämig, wie wichtig es ist,
Unternehmen aus beiden Ländern fachkundig zu beraten.
Am 6. Dezember 2006 soll der in den Räumen nun ein weiterer
Chinesisch-Deutscher Kulturabend stattfinden. Andrich betont,
dass man mehr schaffen wolle, als ein reines Business Center:
Wir wollen einen Nukleus, der aus Deutschen und Chinesen
mehr macht, als nur Wirtschaftspartner. Alle Fragen der
Chinesen sollen im Berliner China Gate beantwortet
werden: Wer übersetzt meine Verträge? Wie viel kostet
ein Warentransport in Europa? Welche Genehmigungen brauche ich
für den Bau einer Fabrik? Aber auch die Frage Welches
Restaurant in Berlin bereitet die beste Peking-Ente zu?
solle beantwortet werden. In China hängt das Schicksal einer
Firma eben stärker von den persönlichen Beziehungen
der Vorstände ab. Um diese sensiblen Kontakte vor dem richtigen
Hintergrund stattfinden zu lassen, hat sich die DIFA professionelle
Hilfe besorgt.
Dreimal Mund heißt Charakter
Neben vielen öffentlichen und privaten Helfern erhielt Andrich
Unterstützung von der Union der Chinesen und Chinesischen
Verbände in Deutschland. In China heißt es,
erklärt deren Vizepräsidentin Yu Zhang, man müsse
mindestens drei verschiedene Meinungen über eine Person einholen,
um sich ein Bild von ihr zu machen. Das drücke sich
auch in dem chinesischen Schriftzeichen für Charakter
aus. Es besteht aus dem dreifach gezeichneten Zeichen für
Mund. In der Tat bedingen sich asiatische Wirtschaftsbündnisse
um ein Vielfaches offener durch persönliche Bekanntschaft.
Auf Chinesisch heißt dieses Prinzip des Netzwerks mit Bekannten
guanxi. Unter Ökonomen gilt es als die Grundlage
für den Aufschwung der als Tiger bezeichneten
Länder und Gebiete in Asien. Auch wenn oft nur kleine oder
mittlere Unternehmen beteiligt sind, so sind diese doch stark
untereinander vernetzt und verlassen sich aufeinander. Dadurch
entstehen große Konglomerate, die sich auch mit großen
Markennamen messen können. Im China Gate Berlin sollen diese
Netzwerke nun um deutsche Teilnehmer ergänzt werden. Dabei
spielt die Atmosphäre, in der sich die Geschäftsmänner
und -frauen begegnen, eine zentrale Rolle.
Innenarchitektin Sabine Wachtel musste deshalb in der Ausstattung
der Räume besonders sensibel vorgehen. Es war nicht
einfach, einerseits die moderne Raumgestaltung durch den Architekten
beizubehalten, sagt die Innenarchitektin, die sich auf asiatisches
Dekorieren spezialisiert hat. Andererseits musste ich doch
gleichzeitig eine Atmosphäre schaffen, in der sich Asiaten
wohl fühlen. So war der große Konferenzraum,
mit drei Panorama-Fenstern das Glanzstück des China
Gate Berlin, zugleich ein großes Problem. Chinesen
seien Gitter vor den Fenstern gewöhnt damit
die Gedanken nicht aus dem Fenster fliegen, erläutert
Wachtel. Dann hätte man aber den Blick über Berlin opfern
müssen wir haben deshalb das Gitter mit speziellen
Klebestreifen angedeutet und sind so dem Bedürfnis der Chinesen
nachgekommen.
Gold an den wänden
Besonders stolz ist die Innenarchitektin auf den großen
Drachen hinter dem Kopf des Tisches. Wachtel: Er soll die
Autorität des Managers unterstützen und ist außerdem
ein Glückssymbol. Aus ähnlichem Grund wurden auch
die Farbe Rot und die Zahl Acht sehr häufig verwendet
beide bedeuten Wohlstand. Und dieser wurde nicht nur ideell
in die Räume getragen: Eine Wand wurde sogar mit echtem Gold
bestrichen. Zudem wurden die Möbel aus chinesischer Eiche
extra für das China Gate hergestellt. Die fast
halbjährige Reise auf dem Schiff hat sich offensichtlich
gelohnt: So wie Klaus Herlitz von Buddy Bär Berlin sind viele
China-Interessierte begeistert von dem Engagement. China
Gate wird Erfolg haben, sagt er. Wenn man in China
Geschäfte machen möchte, sind die richtigen Kontakte
das A und O. Herlitz selber hat auf seinen Geschäftsreisen
nach Hongkong, Beijing und Shanghai schon viel lernen können,
weiß aber doch: Die kulturellen Unterschiede sind
sehr groß. Sie zumindest richtig zu verstehen könne
da entscheidend sein.
Doch auch einige skeptische Töne mischen sich in die Aufbruchsstimmung
im Berliner Westen. Sie machen deutlich: Der Erfolg der Idee ist
nicht vorprogrammiert. Schon einmal ist nämlich ein ähnliches
Projekt in Berlin gescheitert. Doch sucht man heute die Internetseite
www.china-center-berlin.de, findet sich dort nur eine reservierte
Webseite. Am Potsdamer Platz sollte das Business Center entstehen.
Heute erinnert nichts mehr an den Vorstoß von vor zwei Jahren.
Zudem hat Berlin in Hamburg einen starken Gegner gefunden, der
mit seinem erst kürzlich veranstalteten China Tag zeigen
konnte, dass in der Hansestadt Handel mit Ostasien groß
geschrieben wird.
Und da zeigen sich auch die infrastrukturellen Mängel von
Berlin als Handelsstandort. Die Stadt hat weder einen Hafen wie
Hamburg, noch solch gefüllte Stadtkassen wie München.
Nach wie vor gibt es keinen Direktflug zum Partnerflughafen in
Beijing, Frankfurt ist da besser dran. Ein weiterer Feind der
Globalisierungs-Helfer im China Gate könnte die
Globalisierung selber sein: Das Internet, über das schon
heute auch viele Geschäfte in Gang gebracht werden. Das
richtige Händeschütteln und Verbeugen nützt dann
auch nichts mehr, sagt Paul Lee von der Berliner Unternehmensberatung
Creative Global Management. Er glaubt nicht, dass sich Chinesische
Manager nur von asiatisch eingerichteten Räumen und Akupunktur-Angebot
beeindrucken lassen. Vielmehr ist er überzeugt, dass zwar
der kulturelle Rahmen stimmen müsse, aber letztendlich
sollte das Programm nicht zu weit ausdifferenziert sein, um den
Fokus nicht zu verlieren. Der könnte auf dem Aufbau
und der Pflege von Wirtschaftskontakten zwischen den beiden Nationen
liegen. Andere Fokussierungen seien nicht falsch, aber eine
enge Differenzierung ist notwendig. Für die nächsten
Jahre rechnet er mit einer Konkurrenz zwischen mehreren Beratungs-Firmen
für Chinesen innerhalb Berlins oder auch zwischen den verschiedenen
Standorten in Deutschland. Vielleicht übertreffen wir
mit den richtigen Konzepten auch die vergleichsweise geringe Bilanz
von Hamburg, sagt Lee noch. Dort wurden nämlich trotz
von über 300 angesiedelten Firmen aus China nur rund 1000
Arbeitsplätze geschaffen.
Doch wie die meisten chinesischen Geschäftsmänner sprüht
auch Shihua Cui vor Optimismus über die Initiative der Deutschen.
Die Verbindung zwischen China und Berlin sei eben eine lange
Reise mit einem wundervollen Ziel. Seine Rede beim China
Tag in Berlin schloss er mit einem chinesischen Sinnspruch:
Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt.
Hinter ihm prangte ein leuchtend-roter Vorhang mit dem achteckigen
Symbol des Tors zu China. Und die guten Vorzeichen wollen kein
Ende nehmen: Wenn China-Gate-Chef Andrich mit beiden Händen
seine Visitenkarte überreicht, macht ihn seine Telefonnummer
doppelt glücklich sie beginnt nämlich mit 88.
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