Der sich schrittweise entwickelnde Markt Tibets

Obwohl der ländliche Produktenaustausch vor den 50er Jahren ein Tausch von Naturalien war, gab es doch einige Warenbörsen mit lokalem Gepräge, z. B. die „Gaba“, die Warenbörse im Kreis Chagyab. Die Warenbörse wurde von Beauftragten der Larang (Lokalverwaltung) und der Klöster geführt. Der Handel mit Salz und Stoff wurde von den Klöstern exklusiv betrieben; alle anderen Produkte durften unter Strafandrohung nur an der Börse getauscht werden. Diese Börsengeschäfte fielen unter die Verwaltung der Larang. Die Waren wurden zuerst von Börsenverwaltern an die Larang und die Klöster gemeldet. Larang, Klöster und Adlige hatten in dieser Reihenfolge das Vorkaufsrecht. Die Verwalter legten die Tauschkurse fest und wogen selbst die Waren. Für einen erfolgreichen Tausch zahlten Käufer und Verkäufer dem Verwalter je 4% Provision, Larang, Klöster und Adlige waren ausgenommen. Der jährliche Geschäftsumfang betrug etwa 100 Yaks, 400 Säcke Tee und Butteröl sowie Qingke-Gerste. Allein das Chagyab-Kloster kaufte in jedem Jahr ca. 750 kg Butteröl. Diese Warenbörse wurde stets von der Larang und den Klöstern direkt kontrolliert und der Warenaustausch war monopolisiert.

Vor den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts waren Händler, Märkte und Tauschbörsen vor allem in Lhasa, Xigaze und Qamdo zu finden. Damals gab es in Tibet etwa 3000 Händler, von denen 900 in Lhasa, 242 in Xigaze und 122 in Qamdo lebten. Zwischen großen und kleinen Händlern gab es erhebliche Unterschiede in Bezug auf ihre wirtschaftliche Stärke. Die zwölf Großhändler Bangda Cang, Sando Cang, Razheng Cang, Carong, Gundeling, Dajin-Kloster, Sokang, Tungbo, Lhalu, Ape, Raxei Penco und Sangpo hatten ein Kapital von über 5 Mio. Silberdollar, was 43% des gesamten Kapitalvolumens von 11,63 Mio. Silberdollar ausmachte, während die übrigen 98,7% der Händler nur 57% des Kapitals besaßen. Zahlreiche Kleinhändler betrieben ambulanten Handel. Im Jahr 1951 waren von 242 Händlern in Xigaze 81%, nämlich 196, fliegende Händler und Hausierer. Das war auf die unterentwickelten Warenmärkte, insbesondere auf den Mangel an festen Märkten und Läden zurückzuführen. Der einzige Standort jener Zeit war der Tempelmarkt. So gab es in La'gyari in Shannan jährlich dreimal zu einer bestimmten Zeit einen Markt, auf dem sich Händler zum Warenaustausch trafen.

Die Entwicklung der Märkte in Stadt und Land ist abhängig vom Stand der Wirtschaft. Mit der wirtschaftlichen Entwicklung in den ländlichen und Weidegebieten und der Intensivierung des Austauschs zwischen Stadt und Land belebt sich die Warenzirkulation und der Markt entwickelt sich gleichfalls. Unter den Handelsorganisationen im Jahr 1960 gab es 84 staatliche Handelsinstitutionen mit 215 Versorgungs- und Absatzgenossenschaften an der Basis. 1978 stieg die Zahl der staatlichen Handelsinstitutionen auf 297 mit 1486 Versorgungs- und Absatzgenossenschaften an der Basis. 1987 hatte das Handelsgewerbe in Tibet bereits 3170 An- und Verkaufsstellen mit 18 900 Beschäftigten und der Einzelhandelsumsatz lag bei 1,065 Mrd. Yuan. 1996 gab es 1285 Großhandelsstellen und 24 900 Einzelhandelsstellen, die 45 900 Arbeiter und Angestellte beschäftigten. Der Einzelhandelsumsatz lag bei 2,639 Mrd. Yuan, durchschnittlich 1103 Yuan pro Person. Der Aufbau des Handelsnetzes in Land und Stadt entwickelte sich sprunghaft von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. Die Zahl der An- und Verkaufsstellen des Jahres 1996 war 8-mal soviel wie die im Jahr 1987. Die An- und Verkaufsstellen sind inzwischen auch überall auf dem Lande zu finden. Im neuen Jahrhundert wird das Handelsnetz wiederum erweitert. Die Marktentwicklung in Tibet nähert sich der Entwicklung im Landesinneren weiter an.

In den ländlichen und Weidegebieten gehören Ein- und Verkauf zum Alltag der Bauern und Hirten. Im September 1999 hatte das Dorf Jainye der Gemeinde Gyaim des Kreises Qonggyai in Shannan insgesamt 129 Haushalte mit 599 Einwohnern. Es gab da neun kleine Läden mit 13 Beschäftigten. Gebrauchsartikel kann man jederzeit in den Läden kaufen. Vor den Läden plaudern oft Dorfbewohner miteinander über dörfliche Neuigkeiten. Die Läden sind also nicht nur Ein- und Verkaufsstätten, sondern auch Orte der Informationsvermittlung, kurz Dorftratsch genannt. Die Läden sind ein wichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens.

Die wachsende Zahl der Läden im Dorf Jainye ist eine natürliche Erscheinung der wirtschaftlichen Entwicklung. Einer der ersten Ladenbesitzer eröffnete sein Geschäft, als er durch den Transport mit Handtraktoren erkannte, wie groß die Preisdifferenz der Waren zwischen Stadt und Land war. Er eröffnete 1992 seinen Laden mit nur 500 Yuan Grundkapital. Ein halbes Jahr später nahm er bei der Kreditgenossenschaft 9000 Yuan Kredit auf. In nur einem halben Monat verdiente er so viel, dass er den Kredit zurückzahlen konnte. Daran ist zu erkennen, wie schnell Handelsbewusstsein entstehen kann. Und gerade durch dieses Handelsbewusstsein entwickelt sich die tibetische Handelstradition und bildet sich der Markt heraus.

 

 
Adresse: Baiwanzhuang Dajie 24, Beijing, VR China
Postleitzahl: 100037
Fax: 010-68328338
Website: http://www.chinatoday.com.cn
E-mail: chinaheute@chinatoday.com.cn
Copyright (c) China Today, All Rights Reserved.