Karaoke-Songs sind zukünftig nicht mehr kostenfrei
Von Lucia
Nachdem das Staatliche Büro für Copyright in Zusammenarbeit mit dem Kulturministerium und dem Ministerium für Öffentliche Sicherheit landesweit die 100 Tage dauernde „Anti-Raupkopien-Aktion“ (vom 15. Juli bis zum 25. Oktober) eingeleitet hatte, schlug das Büro anschließend bei Karaoke-Anbietern im ganzen Land zu. Ende Juli gab das Staatliche Büro für Copyright die generellen Kriterien zur Abgabe von Urheberrechtsgebühren durch die Karaoke-Anbieter bekannt. Im Prinzip wird die Gebührenerhebung 1% des Umsatzes und 0,2 Yuan pro Lied nicht übersteigen.
Diese Maßnahme hat sofort allseitige Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Medien schätzen diese Maßnahme als einen weiteren Fortschritt der chinesischen Regierung zum Schutz des geistigen Eigentums ein. Unterstützt wird sie natürlich durch die Nutznießer der Urheberrechtsgebühren, nämlich diejenigen, die mit Musik ihren Lebensunterhalt verdienen. Auch die Karaoke-Anbieter, auf die die Maßnahme unmittelbar abzielt, drücken zumeist ihre Unterstützung für den Schutz des geistigen Eigentums aus, weisen aber zugleich darauf hin, dass die konkreten Maßnahmen und der Prozess zur Gebührenerhebung offen und transparent sein und ihre Betriebsführung nicht durch die Gebührenerhebung beeinträchtigt werden sollten.
Gegensätzliche Interessen von KTV und Urheberrechtsinhabern
Karaoke ist ein wichtiger Teil in der Freizeitgestaltung der Chinesen. Den statistischen Angaben des Kulturministeriums zufolge wurden Ende 2005 landesweit insgesamt über 50 000 verschiedenartige Vergnügungsstätten für Gesang und Tanz registriert, 10 000 davon boten ausschließlich oder unter anderem Karaoke an.
Die derzeitige Interessenverteilung zwischen Schallplattenfirmen und KTV-Anbietern besteht seit langem. KTV kauft die Nutzungsrechte von Musikstücken direkt von den Schallplattenfirmen. Dennoch werden im Allgemeinen Rechtsverstöße seitens der Karaoke-Anbieter begangen.
Nach Aussagen eines Verantwortlichen des Staatlichen Büros für Copyright wurden bereits vor ca. zehn Jahren Urheberrechtsgebühren für Karaoke in China erhoben, was aber keine große Wirkung erzielte. 1992 wurde die erste kollektive Verwaltungsinstitution für Urheberrechte in China – der Chinesische Verein für Musikurheberrechte – gegründet. Mitte der 90er Jahre begann der Verein, in Vertretung der Urheber von Musikstücken, Gebühren für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke von Karaoke-Anbietern zu kassieren. Die Gebührenerhebung erfolgte nach der Größe der Karaokebars. Beispielsweise begann 2001 ein Teil der Karaoke-Anbieter in Shanghai, Gebühren an den Chinesischen Verein für Musikurheberrechte zu entrichten. Zur Zeit zahlt ein Anbieter von Karaoke mit mehr als 80 Räumen jährlich 6000 Yuan, diejenigen mit weniger als 20 Räumen 1200 Yuan.
Im Mai wurde ein gemeinsames Vorhaben zur Wahrung der urheberrechtlich geschützten Karaoke-Songs mit dem Thema „Gruß zum Welttag des geistigen Eigentums“ durchgeführt. Auf der Pressekonferenz brachte Liu Huan, ein bekannter chinesischer Sänger und Musikschaffender, seine Meinung zum Ausdruck. In Bezug auf die Vergütung seiner Urheberrechte ist er sehr engagiert: „Ich bin seit 20 Jahren in der Musikbranche tätig. Bis jetzt habe ich ein einziges Honorar von lediglich 90 Yuan von der Karaoke-Branche erhalten. Die Karaoke-Anbieter machen gute Geschäfte. Sollen sie nicht auch den Musikern etwas Geld aus ihrem Gewinn bezahlen?“
Genau wie Liu Huan sagt, sind die Karaokebars in fast allen Städten gewinnträchtig. Wenn man zum Beispiel in Beijing am Abend in eine große Karaokebar wie Cashbox Party World KTV oder Melody KTV geht, muss man einen Raum vorbestellen. An Fest- und Feiertagen ist es sogar erforderlich, ein paar Tage vorher eine Reservierung vorzunehmen. Die Kosten für einen Karaoke-Raum reichen von einigen Dutzend Yuan bis zu einigen hundert Yuan. Zusammen mit den Getränkeeinnahmen kann eine Karaokebar oft fette Profite erzielen. Im Vergleich zu diesen Gewinnen ist die Summe in Höhe von 60 Mio. Yuan, die der Chinesische Verein für Musikurheberrechte jährlich im ganzen Land einbringt, gering.
Dass die Urheberrechtsabgaben von KTV-Anbietern erneut kalkuliert werden, steht im Zusammenhang mit der Produktion von Musikvideos für Karaoke (MTVs). Urheberrechtsinhaber von MTVs sind der Meinung, dass deren Nutzung durch die Karaoke-Anbieter ihre Rechte verletzt hat, und fordern deswegen eine Vergütung. Im März 2004 haben Dutzende von chinesischen und ausländischen Schallplattenfirmen, einschließlich Warner Music, Sony und Universal Music, eine landesweit aufsehenerregende „Werbeaktion zur Rechtswahrung“ eingeleitet. Sie haben landesweit 12 000 Karaoke-Betreibern einen Anwaltsbrief geschickt, in dem Gebühren für die Vorführung von MTVs in Karaokebars gefordert wurden. Nach Aussagen aus diesem Fachbereich betragen die Kosten für die Produktion eines MTV-Songs zwischen 60 000 und 100 000 Yuan. Da die Selbstkosten nicht wieder eingebracht werden, will auch niemand mehr MTVs produzieren lassen.
In den Ende Juli vom Staatlichen Büro für Copyright festgelegten Kriterien über die Urheberrechtsgebühren für Karaoke-Anbieter sind die von MTVs einbezogen.
Wer trägt die Kosten?
Viele Leute meinen, dass, da sich die Maßnahme zur Gebührenerhebung auf die Karaoke-Anbieter bezieht, die Kosten selbstverständlich von ihnen getragen werden müssen. Aber die Karaoke-Betreiber sind da anderer Meinung.
Auf der Pressekonferenz zum gemeinsamen Vorhaben zur Wahrung der urheberrechtlich geschützten Karaoke-Songs, an der sich das Staatliche Büro für Copyright, die Musikbranche und die Betreiber von Karaokebars beteiligten, brachte Sun Bing, Sprecher des sich in den Vorbereitungen befindenden KTV-Bundes Chinas und Generaldirektor der Discothek Tango, in der auch Karaoke angeboten wird, seine Ansichten zum Ausdruck. Er meint, dass KTV eigentlich ein Ort sei, an dem den Konsumenten die urheberrechtlich geschützten Musikstücke zur Verfügung stehen. KTV übernehme in Wirklichkeit nur die Arbeit der „Warenzirkulation“ für die Schallplattenfirmen. Zwischen den beiden bestehe lediglich ein Verhältnis von Produzenten und Verkäufern. Da die Verbraucher die Produkte der Musiker in Anspruch nähmen, sollten diese auch die Gebühren für die Urheberrechte tragen.
Das Staatliche Büro für Copyright äußerte allerdings eindeutig, dass die Urheberrechtsgebühren nicht von Verbrauchern getragen werden sollen.
Xiao Zhang arbeitet in einer Außenhandelsfirma. Er ist ein leidenschaftlicher Karaoke-Sänger und besucht fast jede Woche mit Freunden oder Kollegen eine Karaokebar. Seiner Meinung nach verdient KTV durch Musikstücke Geld, es versteht sich also von selbst, dass die Anbieter die Urheberrechtsgebühren übernehmen sollen. Dennoch ist Xiao Zhang sich sicher, dass die Karaoke-Anbieter die Kosten auf die Verbraucher abwälzen werden. Er sagt: „Als die Maßnahme bekannt gegeben wurde, rief ich sofort bei einer Cashbox Party World KTV, die ich oft besuche, an. Damals gab es noch keine Preiserhöhung. Aber für die meisten Verbraucher sind ein paar Yuan mehr akzeptabel.“ Ein großer Teil der Befragten meint, die Verbraucher könnten die Preiserhöhung nicht verhindern, sondern nur passiv hinnehmen. Daher interessieren sie sich eher dafür, ob das Geld tatsächlich in den Händen der Urheber landet.
Werden die KTV-Anbieter die Preiserhöhung durch die Urheberrechtsgebühren auf die Verbraucher abwälzen? Darauf antwortet Sun Bing, dass es auf die konkreten Methoden der Regierung zur Gebührenerhebung ankomme. Zur Zeit wird das Datum zur Gebührenerhebung noch nicht festgelegt und die konkreten Maßnahmen werden nicht durchgeführt. Die Beträge, die die KTV-Anbieter einkassieren, setzen sich lediglich aus den Raum- und Getränkekosten zusammen. Trotzdem sind nun die Preise von allen Cashbox Party World KTVs in Beijing um 50% gestiegen. Obwohl die Mitarbeiter von Cashbox bestritten haben, dass die Preiserhöhung in Zusammenhang mit der Erhebung der Urheberrechtsgebühren steht, assoziieren die Verbraucher oft beides miteinander.
Die Gebührenerhebung ist unvermeidlich
Im Juli wurde die Einrichtung des „Service-Systems zur Verwaltung der Inhalte von Karaoke in China“, die vom Entwicklungszentrum für den Kulturmarkt mit Genehmigung des Kulturministeriums organisiert wird, in Angriff genommen.
Das System wird zuerst in den Städten Wuhan, Zhengzhou und Qingdao versuchsweise eingeführt. Ein einheitliches Datenbanksystem für KTV-Songs ist bereits in diesen Städten errichtet worden. „Damit soll verhindert werden, dass inhaltlich bedenkliche Lieder im KTV zu finden sind. Zudem werden die Kontroversen zwischen Schallplattenfirmen, Urheberrechtsinhabern und Karaoke-Betreibern schrittweise beseitigt“, sagt der Leiter des Entwicklungszentrums Liang Gang. Das System wird wie folgt funktionieren: Die Lieder, über deren Preise die Verwaltungsbehörden mit den Rechtsinhabern verhandelt haben, werden ins Datenbanksystem aufgenommen. Die Karaoke-Anbieter, die sich dem System angeschlossen haben, können die Songs uneingeschränkt herunterladen. Das System wird dann automatisch berechnen, wie viele Male ein Song in einer Karaokebar von den Sängern gewählt wird. Dementsprechend werden die Gebühren dann eingezogen.
Da die vom Staatlichen Büro für Copyright angewandten Methoden zur Gebührenerhebung im Widerspruch zu denen des Kulturministeriums stehen, ist der ursprünglich für den August festgesetzte Beginn der Gebührenerhebung nicht umgesetzt worden. Wang Ziqiang, Pressesprecher des Staatlichen Büros für Copyright, wies darauf hin, die Gebührenerhebung werde aber in jedem Fall durchgesetzt. Nach seiner Aussage arbeiten die entsprechenden Behörden gerade an den Urheberrechtsabgaben für die Nutzung von audiovisuellen Produkten durch die Radio- und Fernsehanstalten. Die Bestimmung wird möglicherweise noch in diesem Jahr erlassen.
An diesem Beispiel ist deutlich zu erkennen, dass die Kommerzialisierung geistigen Eigentums voranschreitet.
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