Schattenspiel und Mythen aus dem Reich der Mitte in Erlangen

Von Lang Yue

Marionettenspiel: Dingxiangs Gedenkfeier

Hinter dem Vorhang

Am 12. Juli 2006 veranstaltete das Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen in Zusammenarbeit mit dem Kultur- und Freizeitamt der Stadt Erlangen eine einmalige Attraktion, die zudem noch eine Europapremiere darstellte : Das chinesische Marionettentheater und Schattenspiel.

Das Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen bemüht sich seit seiner Gründung , die am 2. Mai 2006 erfolgte, um die Vermittlung der chinesischen Sprache und Kultur in Bayern. Dort wird nicht nur Chinesisch in allen Stufen unterrichtet, es werden auch Einblicke in die Kultur des Reichs der Mitte ermöglicht. Für die Direktorin Dr. Yan Xu-Lackner ist es wichtig, der Öffentlichkeit zusätzlich zur kontinuierlichen Arbeit regelmäßig Kultur-Angebote mit Künstlern aus China zu machen. Bereits im Mai diesen Jahres konnte das Publikum aus dem Großraum Nürnberg in der Ausstellung „ Manifestationen des schweifenden Geistes“ Kunstwerke von 27 chinesischen Künstlerinnen und Künstlern bewundern. Das Schattenspiel ist ein weiteres Moment in der Kulturarbeit des Konfuzius-Instituts Nürnberg-Erlangen.

Die Kontakte zu den chinesischen Künstlern, die im Rahmen der Ausstellung zur alten Kaiserstadt Xi'an in Bonn nach Deutschland reisten, hat der DAAD hergestellt. Die Kosten wurden vom Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen und dem DAAD gemeinsam getragen; so konnte das Erlanger Publikum, das bereits durch die gute Tradition des alle zwei Jahre regelmäßig veranstalteten internationalen Figurentheater-Festivals mit diesem Genre vertraut ist, in den Genuss dieser besonderen Darbietung aus dem Reich der Mitte kommen.

Die vier Schauspieler stammen aus der alten Kaiserstadt Xi'an, die eine mehr als 2000-jährige Tradition des Schattenspiels aufweist. Die Herstellung der Schatten- bzw. Holzfiguren ist eine Kunstfertigkeit, die dort von Generation zu Generation in der Familie weitergegeben wird. Anders als die Peking-Oper, die inzwischen viele n Deutsche n ein Begriff ist , ist der archaische Gesang ,,Xian Qiang“ (线腔) , d er das Marionetten- und Schattenspiel begleitet, eine lokal begrenzte und im Verschwinden begriffene Kunst, die jedoch in China in den letzten Jahren wieder begonnen hat, durch die Revitalisierung der Kultur eine große Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Schattenspielfiguren wie auch Marionetten entfalten ein beachtliches Eigenleben; der Spielerin, die die Marionette führt, zuzusehen, ist beinahe ein genauso großes Vergnügen wie die Puppe selbst zu betrachten, denn die Spielerin tanzt die Bewegungen ihrer Marionette in höchst eleganter Weise mit.

Es wurden traditionelle Stücke aus der späten Kaiserzeit und älteren Quellen aufgeführt. Das Schattenspiel Frauenfrust statt Frauenlust (猪八戒背媳妇) ist z. B. ein fast allen Chinesen bekanntes Stück, das aus der Reise nach dem Westen (16. Jhd.), dem erfolgreichsten mythologischen Roman der chinesischen Literaturgeschichte, stammt. Der Roman handelt von einer beschwerlichen Pilgerreise eines chinesischen buddhistischen Mönches und seinen Begleitern, dem Affen Sun Wukong und dem Schwein Zhu Bajie. Frauenfrust statt Frauenlust stellt eine kleine Passage der Romanvorlage dar. Während der Reise wurde dem Affen Sun Wukong dermaßen langweilig, dass er sich entschied, Zhu Bajie einen Streich zu spielen: den Umstand, dass sich Zhu Bajie durch weibliche Reize allzu leicht von wesentlichen Dingen ablenken ließ, wollte Sun Wukong für sich nutzen: Auf der Hälfte der Reisestrecke verwandelte sich Sun Wukong in ein wunderschönes Mädchen und Zhu Bajie, der sie für echt hielt, bot ihr an, sie ein Stück weit zu tragen. Zhu Bajie war guter Dinge, bis sich jedoch Sun Wukong zurückverwandelte und ihm einen riesigen Schreck einjagte!

Auch ein abstrakteres Stück wie Die Rückkehr des Sohnes (云头送子) , das aus dem Liaozhai Zhiyi stammt, einer Textsammlung seltsamer Geschichten um Geister und Gespenster im 18. Jahrhundert, stieß beim Publikum auf große Begeisterung. Es handelte sich um Frau Cui und Herrn Lu, ein frisch verheiratetes glückliches Liebespaar, das ein Kind erwartete. Ihr Glück sollte allerdings alsbald getrübt werden, als ein böser Dämon erschien und Frau Cui umbrachte, um ihre Seele zu rauben. Glücklicherweise kam ein guter Fuchsgeist zu Hilfe und führte ihre Seele in den Himmel, wo sie einem Sohn das Leben schenkte. Um ihrem Ehemann ihre endlose Liebe zu beweisen, sandte sie eine Wolke aus, auf der sie ihren Sohn nachhause bringen ließ. Durch reichhaltige Stilmittel der Gestik und Figurendarstellung wurden dem nicht-chinesischsprachigen Publikum Mythen aus China nähergebracht und verständlich gemacht. Dabei spielte der Gesang eine zentrale Rolle. Auf Wunsch des Publikums wurde ein Gesang im „Qin Qiang“-Stil (秦腔)– ohne Schatten- oder Marionettenfiguren – als Zugabe gegeben. Die Aufführung bot dem Erlanger Publikum die seltene Möglichkeit, ein rar gewordenes Genre des chinesischen Theaters in seiner althergebrachten Form zu erleben.

 

 
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